Stefan Mennerich ist seit 1. Juli Prokurist und Direktor Medien, Digital und Kommunikation des FC Bayern München. Der 48-Jährige berichtet direkt an Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge. Unter seiner Regie entstehen neue Services, die darauf setzen, die Fans weltweit noch besser zu erreichen.
Im Interview mit ISPO.com erklärt Stefan Mennerich, warum der FC Bayern sich eigene Redaktionen in Übersee und im fernen Osten leistet, weshalb der FC Bayern aber auch eine bayerische Website betreibt, wieso in der Allianz Arena ein eigenes Rechenzentrum entstanden ist und was der Fußball-Branchenführer von Startups lernen kann.
ISPO.com: Herr Mennerich, Sie treten auf dem ISPO Panel bei der Gründermesse Bits & Pretzels auf. Was kann der große, starke FC Bayern von kleinen Startups lernen?
Stefan Mennerich: Wir können von Startups viel über Technologie lernen, wie digitale Märkte funktionieren und wann digitale Anwendungen erfolgreich werden. Mit Startups im Austausch zu sein, ist, als ob man das Ohr auf die Gleise legt und hört, was da kommt. Alle Ideen werden vielleicht nicht klappen, aber manche werden relevant und setzen sich durch. Von dieser Innovationskraft können wir viel lernen.
Auch, was Agilität angeht, Flexibilität und auch Fehlertoleranz. Fehler machen muss erlaubt sein, sonst wird man keinen Fortschritt erzielen. Auch das können wir von Startups lernen, und vieles davon ist auch in unsere neue Digitalstrategie 4.0 eingeflossen.
FC Bayern Digital 4.0: Eigenes Rechenzentrum in der Allianz Arena
Was verbirgt sich hinter dem FC Bayern 4.0?
FC Bayern Digital 4.0 ist der Name unserer digitalen Transformation. Wir haben den FC Bayern, was seine IT-Infrastruktur und seine digitale Infrastruktur angeht, in den vergangenen 18 Monaten komplett auf links gedreht. Ziel war es, dass wir unsere ganzen IT-Systeme über den kompletten Verein glattziehen, so dass wir nicht mehr wie in der Vergangenheit mit 54 Systemen operieren, die nicht kompatibel waren, sondern homogenisiert auf einer Plattform arbeiten – und das ist SAP. Wir haben dazu zusammen mit unserem Hauptsponsor Deutsche Telekom sogar ein eigenes Rechenzentrum gebaut, in der Allianz Arena.
Wie groß darf man sich das vorstellen?
Es ist ein eigenes Gebäude mit eigener Kühlung, eigener Stromversorgung, eigenem Notstrom, eigener Backup-Versorgung. Auf diesem eigenen Rechenzentrum werden auch die gesamte Software und alle Front-Ends gehoastet von der gesamten Webseite über die Mobile-Apps bis zum E-Commerce-Store, dazu noch alle Business-Systeme des FC Bayern.
Wir haben den digitalen FC Bayern komplett neu aufgebaut mit dem Ziel, das Steuerrad selbst in der Hand zu haben, alle Userdaten bei uns zu haben, alle Anwendungen bei uns zu haben, völlig unabhängig von Dritten zu sein.
Das kostet ja mindestens das Gehalt eines gestandenen Lizenzspielers.
(schmunzelt) Unsere Partner, die Telekom für das Rechenzentrum und SAP für die komplette Software-Infrastruktur, haben uns sehr geholfen. Aber ja, für die Front-Ends, die Web-Applikationen haben wir Geld in die Hand genommen – weil wir denken, dass es für unsere Zukunft essentiell wichtig ist. Ein Invest in die Zukunft.
Merchandising und Sponsoring profitieren von der Digitalisierung
Und dieses Geld müssen Sie schnell wieder reinholen?
Nein, das ist nicht die erste Priorität. Wir haben investiert, weil wir wissen, dass die Digitalisierung die beste Möglichkeit ist, den in Bayern sitzenden und lokal verwurzelten FC Bayern digital in die Welt zu transportieren. So können wir unseren Fans die bestmögliche User-Experience bieten und unsere Marke weltweit transportieren. Somit können wir noch mehr Fans weltweit gewinnen und nachhaltig an uns binden. Daher ist die Digitalisierung ohne Alternative.
Im zweiten Schritt werden wir dann hoffentlich auch finanziell davon profitieren: Je mehr Fans wir weltweit haben und je stärker diese an den FC Bayern gebunden sind, desto stärker wird das Merchandising davon profitieren, desto besser wird das Sponsoring weltweit reüssieren und auch der Verkauf von Medienrechten davon partizipieren – aber wie gesagt: Das ist nur der zweite Schritt.
Der Return of Investment hat keinen Jahresplan?
Definitiv nicht. Die Alternative wäre ja: keine funktionierende Webseite zu haben, keine Digitalstrategie zu haben. Und da dies keine Alternative ist, haben wir diesen Schritt gerne und dann eben auch konsequent gemacht.
Warum der FC Bayern sich mit einer Antilope vergleicht
Wir wollen trotzdem über die Erwartungen sprechen, über die Erlöse.
Was ich sagen kann: Schon heute kommen 30 bis 40 Prozent unserer Sponsoring-Erlöse über Digital. Und 50 Prozent unserer Endkundenerlöse im Merchandising kommen über Digital. Das alles ist bereits in den vergangenen Jahre enorm gewachsen und es wird weiter stark wachsen – aber: Dafür muss es State of the Art sein.
Die Bayern-Fans erwarten wie andere User auch eine hohe Qualität im digitalen Bereich, und das müssen wir bedienen. Ich nenne das gerne den digitalen Darwinismus: Die Antilope muss morgens aufstehen und rennen! Und wenn sie das nicht tut, wird sie gefangen und gefressen. Der FC Bayern muss jeden Tag rennen – sonst spielst du irgendwann nicht mehr mit.
Kommen wir zu Ihren digitalen Services. Erstaunlich ist ja, wie unterschiedlich es für den FC Bayern bei der Website und in den Netzwerken läuft. Sie haben zuletzt 6,5 Millionen Unique Visits auf fcbayern.com ausgewiesen, und die kommen überwiegend aus Deutschland.
Zu 80 Prozent aus Deutschland.
Das ist diametral entgegengesetzt zu Ihrer Facebook-Präsenz: 39 Millionen Fans weltweit, von denen nur dreieinhalb aus Deutschland kommen.
Ja, aber das heißt für uns doch, dass wir durch eine noch bessere internationale Web-Präsenz eine noch viel höhere Reichweite weltweit erzielen können. Natürlich macht es Sinn, die Fans nicht nur auf fremden Plattformen zu haben, sondern auf der eigenen Website – weil wir dort auch unsere Partner viel besser einsetzen können und auch die eigenen Merchandising-Produkte bessere einbinden können. Aber auch das ist nur der zweite Schritt.
www.fcbayern.com in acht verschiedenen Sprachen
Und der erste?
Wir müssen weltweit auf authentische Inhalte achten. Unser Website erscheint jetzt in acht verschiedenen Sprachen. Nach Deutsch ist dabei Bayrisch für mich die wichtigste, denn hier sitzen unsere treuen Fans, hier haben wir unsere Wurzeln, das dürfen wie nie, nie aus den Augen verlieren.
Dennoch ist die Internationalisierung auch für den FC Bayern wichtig. Daher haben wir nun nach der chinesischen Seite auch Seiten auf Japanisch, Russisch, Arabisch. Und wir haben schnell gemerkt, wie wichtig es ist, in den jeweiligen Verbreitungsgebieten sehr authentisch vorzugehen.
Die Inhalte müssen zur Kultur und den Fans in dem jeweiligen Land passen – und dafür müssen sie auch dort, also vor Ort, produziert werden. Wenn man nur eine übersetzte Seite macht, ist das nicht dasselbe, als wenn man wie wir in Shanghai, in den USA und jetzt auch in Arabien eine eigene Redaktion sitzen hat. Dann geht die Reichweite sprunghaft nach oben – weil wir die User-Erwartungen besser erfüllen und auch das entsprechende Look and Feel besser auf die jeweilige Region zugeschnitten ist. Der Inhalt, den ein Chinese morgens auf seinem Rechner bekommt, muss ein ganz anderer sein als das, was ein Amerikaner mittags auf dem Smartphone sieht.
Eigene Redaktionen in Shanghai und den USA
Wie groß sind diese Redaktionen, woher bekommen Sie die Mitarbeiter?
In Shanghai haben wir fünf eigene Redakteure sitzen, in den USA drei, in Arabien auch drei. Diese Redaktionen pflegen auch jeweils die Social-Media-Kanäle, in China sind das ja ohnehin andere, eigene Netzwerke. Anders als viele andere große Klubs, die auch oft mit Agenturen arbeiten ist es uns wichtig, dass auch die Redakteure in China, USA oder Arabien Bayern-Fans sind. Das ist sogar ein Einstellungskriterium. Nur dann können Sie auch das Herzblut, die Emotion für den FC Bayern vermitteln, die uns und unseren Fans so wichtig sind.
Wir haben die Redakteure selber ausgesucht, also nicht über Personalagenturen besetzt, sie kommen aus den dortigen Fanklubs, wir haben sie über unsere Social-Media-Kanäle gefunden.
USA und China sind Ihre wichtigsten Märkte – in welcher Reihenfolge?
Da gibt es keinen Unterschied. Man sieht das auch an den Trainingslagern im Sommer, das wechselt. Wir waren im ersten Jahr in den USA, dann in China, zuletzt wieder in den USA. Aber auch neue Märkte sind interessant. Gerade haben wir den Vertrag mit unserem US-Geschäftsführer Rudolf Vidal verlängert, der neben den USA nun auch verstärkt Mittel- und Südamerika bearbeiten wird.
Was erwarten Sie sich gerade für den immer noch schwierigen Markt in China? Auch Sponsoren aus Fernost?
Auch hier gilt: erst im zweiten Schritt. Es geht um den Fan-Aufbau. Je mehr Fans man dort hat, desto wahrscheinlicher ist es auch, dass wir neue Partner finden werden und natürlich profitieren davon auch vor allem unsere bestehenden Partner.
Was wir erwarten, ist ein stetiges Wachstum, wie die anderen großen europäischen Vereine auch. Bei den letzten drei so genannten Red-Card-Studien – da wird erhobenen, welcher Fußballklub den besten digitalen Auftritt in China hat – haben wir zweimal gewonnen und waren einmal Zweiter. Das zeigt, dass wir im Branchenvergleich in China sehr gut sind. Wir haben da zuletzt Manchester United, Real Madrid und auch Barcelona hinter uns gelassen.
Digitale Transformation: FC Bayern gewinnt Red-Card-Studie in China
Es geht nicht nur um Reichweite?
Da geht es auch um die absolute Followerzahl, aber auch darum, ob man eine eigene und dort gebaute App und Webseite hat, ob man eine Redaktion vor Ort hat und vor allem um die Engagements: wie viele Kontakt hast du täglich mit den Usern, wie viel wird über dich in Drittnetzen gesprochen.
Das Engagement als wichtigster Parameter?
Ja. Nehmen wir Facebook: Da haben wir 39 Millionen Fans. Real und Barca haben über 90 Millionen, Manchester United hat über 70, Chelsea liegt noch vor uns. Aber da sind ja auch viele Fans aus vergangenen Jahren dabei, die gar mehr nicht aktiv sind. Was zählt, ist das Engagement: Wie viele Menschen erreichst du täglich mit deinen Inhalten, wie intensiv kommunizieren sie mit dir – und da sind wir weltweit die Nummer zwei hinter Barcelona.
Bei Snapchat ist der FC Bayern ganz vorne
Haben Sie mal ein Beispiel für gutes Engagement?
Nehmen wir Snapchat. Wir waren der erste Klub, der eine Snapchat-Livestory hatte. Bayern gegen Dortmund, vergangenes Jahr, das wurde in den USA im TV bei Fox übertragen, da haben dann 100.000 Leute eingeschaltet. Unsere Snapchat-Livestory aber haben zwei Millionen Leute gesehen, nur in den USA! Und weltweit sechs Millionen.
Auf welche Plattformen setzen Sie? Sind Sie überall – und immer sofort?
Nein. Bei Snapchat waren wir die ersten, sonst eher first follower. Und wir machen auch nicht alles: Wir sind nicht bei Tumblr, nicht bei Pinterest, da sehen wir den Kosten-Nutzen-Faktor als zu gering an.
Wir müssen schauen, wo unsere Zielgruppen vor allem unterwegs sind. Facebook, Snapchat, YouTube, Twitter... Die User sind auf unterschiedlichen Plattformen „zu Hause“. Daher dürfen wir nicht den Fehler machen, unsere Inhalte nur auf einer bestimmten Plattform zu posten und davon auszugehen, dass die Leute dann dort hinkommen. Das ist die alte Denke – aber so läuft es nicht mehr. Die Menschen sind in ihrer Fußgängerzone, dort, wo sie eben rumlaufen.
Und wir müssen mit unserem Geschäft genau dort hinkommen, wo sie sind. Wir dürfen nicht so arrogant sein und glauben, dass die von selbst zu uns kommen. Nein, wir müssen mit unserem Content zu ihnen kommen.
39 Millionen Fans: Über Facebook erreicht der Verein die ganze Welt
Muss dieser Content nicht exklusiv sein?
Nicht zwingend. Ich habe durchaus gelernt, dass die Digitalisierung teilweise das Ende von Exklusivität bedeutet. Klar ist es gut, wenn ich bestimme Sachen alleine habe. Aber ich bin der festen Überzeugung: Je höher der Buzz ist, desto höher ist auch das Rauschen um die Marke, um den Klub, desto besser wird FC Bayern also am Ende auch auf unseren eigenen Plattformen performen.
Wir müssen alle Regler nach oben schieben, überall – nur dann finden die Unser den Content. Es geht zunächst darum, dass möglichst viele Menschen in Berührung mit unserer Marke kommen, mit unseren Inhalten. Und dann können wir sie im zweiten Schritt auf unsere eigenen Plattformen holen – und überlegen, wie man es monetarisieren kann. Deswegen haben wir viele Medienkooperationen in China und den USA abgeschlossen. Somit wird unser Content bekannt.
Was hierzulande noch nicht funktioniert, ist die Einbindung von Live-Berichterstattung in die Netzwerke.
Nicht bei Pflichtspielen, ja. Da wurden bisher keine Rechte an Online-Anbieter vergeben, weil es keine adäquaten Angebote gab
Und weil immer noch die Meinung vorherrscht, damit wurden die TV-Rechte kannibalisiert? In den USA ist man dort weiter.
In gewisser Weise Ja, ich habe mir das angesehen. Nehmen Sie die Golden State Warriors in der NBA. Ein digitales Role-Model. Wenn Stephen Curry einen Dunking macht, siehst du fünf Sekunden später einen Zehn-Sekünder von diesem Dunking in allen Netzwerken. Und sofort geht die Einschaltquote im TV nach oben.
In Amerika machen es die TV-Sender selber so, dass sie kurze Ausschnitte von Highlights live über digitale Plattformen ausspielen, und es ist mit eindrucksvollen Zahlen belegt, dass danach sofort die TV-Quote hochgeht. Da heißt es längst: Digital und TV sind keine Feinde. In Europa muss sich dieser Gedanke erst noch durchsetzen.
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