Jede*r hat etwas in sich, dass er/sie besser kann als andere. Thomas Tuchels besonderes Talent: Dem erfolgreichen Fußball Coach fällt es leicht, „komplexe Situationen in einem Fußballspiel schnell zu analysieren und immer vorausschauend und lösungsorientiert zu denken – egal ob auf dem Fußballplatz oder im Privatleben.“ Ein sehr spezielles Geschenk, doch damit brachte es der Trainer auf den Punkt: „Jeder muss seinen eigenen Weg finden.“
Der Schlüssel, das zu schaffen? Träume haben und auf sein Bauchgefühl hören. Wie wichtig Bauchgefühl und Intuition ist, brachte uns Tuchel am Beispiel seiner Spieler nahe. Gerade in Drucksituationen während eines Matches, in denen schnelle Lösungen und Entscheidungen getroffen werden müssen, ist Intuition das A und O. Doch auch außerhalb des Fußballs sollte man seiner Intuition einen größeren Spielraum geben. „Wenn jemand dieses Gefühl hat, sollte er dabei bleiben und seinem Bauchgefühl vertrauen, dass dies das richtige Gefühl ist. Und wenn man einmal diesen Weg eingeschlagen hat, kann man viel erreichen.“ Die große Herausforderung besteht dann meist darin, seinem Bauchgefühl auch zu vertrauen, denn zeitgleich mit dem Instinkt schaltet sich meist auch der Kopf ein, erklärte der Coach.
Eine weitere Herangehensweise, auf seine Intuition zu hören, brachte der Vanlifer Foster Huntington dem Publikum näher. Wenn er eine neue Idee hat, fragt er eine ganz besondere Person, was diese davon hält: „Bei allen Projekten, an denen ich arbeite, frage ich mich: Würde mein inneres Kind denken, dass das ein cooles Projekt ist?“ Mit anderen Worten: Seinen eigenen Weg findet man, indem man mit Achtsamkeit auf sich selbst hört, den eigenen Wünschen und Zielen Raum gibt und die Dinge verfolgt, die einen wirklich ausmachen. Also, weg von „Nun, das ist es, was andere Leute machen“ hin zu „Oh, mein inneres Kind würde das mögen“.
Eine, die mit Sicherheit auch auf ihr inneres Kind hört, ist Yusra Mardini. Schon mit neun Jahren träumte die heutige UNHCR-Botschafterin davon, an den Olympischen Spielen teilzunehmen – und 2016 erfüllte sie sich ihren Traum als Teil des Refugee Teams. Sich jetzt ausruhen? Auf keinen Fall, denn Träume entwickeln sich immer weiter oder es kommen neue hinzu, erklärte uns Mardini. So wie der einer eigenen Foundation: Die Yusra Mardini Foundation fokussiert sich darauf, Flüchtlinge in aller Welt in den Bereichen Bildung und Sport zu unterstützen.
Wer Träume verfolgt, der stößt mit Sicherheit früher oder später an eigene Grenzen. Selbst die Megastars stehen Ängsten und Hindernissen gegenüber. Sei es Jonas Deichmann, der wilden Tieren oder politischen Ausnahmesituationen bei seinen Abenteuern gegenübersteht, Foster Huntington, der lange mit seiner Legasthenie kämpfte, Yusra Mardini, die vor dem Krieg in ihrer Heimat flüchten musste oder Colin Kaepernick, der für seinen Aktivismus seine Football-Karriere opferte.
Das Zauberwort lautet Resilienz! „Niemand hat es im Leben oder im Sport zu etwas gebracht, ohne Misserfolge zu erleiden, die uns aufbauen“, erzählte Basketball-Coach Gordon Herbert. Er erklärte, im Falle von Widerständen habe man drei Möglichkeiten.
- Erstens, nichts zu tun.
- Zweitens, aus dem Fenster zu schauen, sich zu entschuldigen oder anderen die Schuld zu geben.
- Und drittens, in den Spiegel zu schauen, die Verantwortung zu übernehmen und einen Plan aufzustellen, wie wir uns verbessern können.
Auch Colin Kaepernick appellierte an das Publikum:
So wichtig für ihn der Faktor Widerstandsfähigkeit für Erfolg ist, so sehr betonte er auch, wie schwierig es sei, diese in die Tat umzusetzen. Es erfordert Disziplin, Beständigkeit, Vernetzung, Organisation und Gemeinschaft. Doch Rezilienz lohnt sich, besonders im Fall von Kaepernicks aktivistischen Zielen: „All diese Dinge kommen Millionen von Menschen zugute.“
Eine ganz besondere Technik, bei seinen eindrucksvollen Abenteuern durchzuhalten, erfuhren wir von Jonas Deichmann: „Es gibt eine Playlist, die mir hilft, durchzuhalten, wenn das Laufen anstrengend und ermüdend wird, und das ist der Forrest Gump Soundtrack."
Das wissen die Coaches Gordon Herbert und Thomas Tuchel. Die beiden müssen nämlich nicht nur für sich selbst Grenzen überschreiten und über sich hinauswachsen. Sie müssen das ebenfalls ihren Teams beibringen. Gerade bei Niederlagen müssen die Coaches und ihre Teams nicht nur mit dem negativen Gefühl zurechtkommen, dem eigenen Anspruch nicht gerecht geworden zu sein, sondern auch heftigen Widerspruch von Presse, Gesellschaft oder auch Fans verarbeiten.
Tuchels und Herberts Philosophie: Kein Social Media, keine Presse. So erklärte der FC Bayern Trainer (Saison 2023/24), dass sein Mindset und das der Spieler (und mit Sicherheit das von vielen anderen) gerade von den sozialen Medien stark negativ beeinflusst werden kann. Aus 100 Kommentaren werden automatisch die zwei schlechten herausgefiltert und sich zu Herzen genommen. Tuchel verriet: „Ich habe mir beigebracht, mich vom Internet fernzuhalten und nicht über mich zu lesen. Ich habe mir beigebracht, mich nicht mit anderen zu vergleichen.“ In die gleiche Kerbe schlug auch Gordon Herbert, der weder eine Zeitung liest, noch soziale Medien nutzt.
Und wenn man doch mal an einem Punkt steht, an dem man nicht mehr weiter weiß? Thomas Tuchel gibt einen Einblick in seine Methoden: Eine Runde Meditation, Atemarbeit, Sport machen, laufen gehen. Hauptsache, die negativen Gefühle herauslassen und loslassen.
Und dann: Weitermachen!
Weitermachen geht vor allem mit dem richtigen Team besonders gut. Thomas Tuchel musste mit seinen Teams beispielsweise schon zahlreiche Hürden überwinden. Sei es die Coronapandemie während seiner Zeit in Paris oder der Krieg in der Ukraine, als er in Chelsea trainierte. Wie sie durch diese Krisen gekommen sind? Als Team. Je stärker ein Team ist, je stärker der Teamspirit, desto eher kann man einander Kraft geben, Krisen überstehen und gemeinsam über sich hinauswachsen.
Das Rezept für ein gutes Team? Das verriet Gordon Herbert: Teambuilding. Und zwar nicht erst in Krisenzeiten, sondern von Beginn an. Herbert gab dabei direkt einen umfangreichen Einblick in die Teambuildingmaßnahmen des deutschen Basketball-Nationalteams. Von Campen, Wandern und Klettern bis hin zum Bowlen und Darten ist alles dabei. Wohin das führt? „Die Teammitglieder kommunizieren, sie unterstützen sich gegenseitig, sie diskutieren, sie helfen einander. Das ist die ganze Idee.“
Auch für Tuchel steht Teamspirit an oberster Stelle. Dazu geht er gemeinsam mit seinem Team auch das Thema Mindfulness an. Sei es durch Meditation, Yoga, Pilates, Deep Relaxation – der Fußball Coach machte deutlich, dass Achtsamkeit nicht auf der Yogamatte endet. Achtsamkeit führe dazu, dass das Team respektvoll miteinander und mit allen am Erfolg Beteiligten, vom Koch bis zum Busfahrer, umgehe. „Ihr könnt gemeinsam achtsam sein, ihr könnt gemeinsam respektvoll sein. Wir brauchen zwar nach außen ein aggressives Team, intern stehen aber Respekt, Freundlichkeit und Demokratie an erster Stelle.“
Die beiden Coaches glauben außerdem an eine weitere Zutat für ein gutes Team: Das I(ch) in Team. „Ich glaube, es gibt ein I in Team“, erklärte Gordon Herbert und Thomas Tuchel bestätigt das in seinem Interview am darauffolgenden Tag. Waren Fans früher noch Anhänger von Vereinen, so sind sie heute häufig Fan von spezifischen Spieler*innen, was automatisch dazu führt, dass Spieler*innen heute ich-zentrierter sind. Dass das nichts grundsätzlich Schlechtes ist, erklärte Tuchel: „Viele Spieler haben persönliche Ernährungsberater und eigene Therapeuten, sie können ganz individuell an sich arbeiten und so noch besser zum Teamerfolg beitragen.“ Jeder kämpfe mit seinen eigenen, individuellen Challenges und so sei es auch in einem Team wichtig, aus jedem Einzelnen das Beste herauszuholen, bekräftigte auch der Basketballtrainer. Das zeigt Tuchel am Beispiel von Superstars im Spotlight und den „silent superstars“. Die stillen Stars sind essenziell, da sie als Vorbilder Werte ins Team tragen, das Team führen und motivieren. Doch auch die Superstars im Spotlight müssen sich ins Team integrieren und die anderen wertschätzen, „nur dann ist das Team auch bereit, ihnen die Bühne zu geben, die sie brauchen.“
Teamspirit als Erfolgsfaktor beim Teamsport? Okay, diese Aussage überrascht erst einmal wenig. Was ein herausragendes Team leisten kann, machte Gordon Herbert am Beispiel des Ryder Cup deutlich: Obwohl Golf ein Einzelsport ist, und die einzelnen Spieler der USA deutlich stärker sind, gewann Europa 9 der letzten 12 Ryder Cups. Weil sie eben das bessere Team sind.
Unser Speaker*innen sind sich beim Rezept ihrer erfolgreichen Lebensgeschichten in einem weiteren Punkt einig. Obwohl sie selbst alle Vorbilder und Idole sind, haben auch sie Menschen, die sie inspirieren und motivieren. Zu wem die Superstars aufschauen?
Colin Kaepernick schaut hoch hinauf: und zwar zu Malcom X. „[Er] hat meine Denkweise sehr verändert und meine Sicht auf die Welt und die Möglichkeiten, die sie bietet, stark beeinflusst.“ Nicht zuletzt aufgrund seiner Resilienz.
Dass man von anderen lernen kann, weiß und lebt auch Gordon Herbert. Er macht deutlich, wie wichtig es ist, sich mit Menschen zu umgeben, die den eigenen Horizont erweitern. Der Weltmeistertrainer beispielsweise liebt es, sich mit kreativen Menschen zu umgeben, die über den eigenen Tellerrand hinaus blicken, denn das tue er selbst zu selten.
Und für Thomas Tuchel? Für ihn kann jeder und jede eine Inspiration sein – sei es Gordon Herbert, die Menschen, mit denen er zusammen arbeitet, ein Lehrer in der Schule seiner Töchter oder ein Fremder beim Gassigehen. Denn jede*r hat Geschichten, Erfahrungen und Meinungen, von denen man lernen kann, wenn man offen dafür ist. Vor allem seine Spieler inspirieren ihn:
Und manchmal, da braucht es kein Vorbild, keine Inspiration, da braucht es einfach direkte Motivation, Unterstützung und Zusammenhalt, wie Yusra Mardini zeigt. „Manchmal ist es wichtig, dass jemand im Raum ist, der mehr an dich glaubt als du selbst.“
Und was passiert nun, wenn wir uns aufmachen, unsere Träume zu leben, wenn wir zusammenhalten, uns unterstützen, aneinander wachsen und uns kein Widerstand zurückhält? Dann können wir nicht nur unsere eigene Erfolgsgeschichte schreiben, sondern die Welt verändern.
Und das sollten wir auch, das machte Colin Kaepernick auf der ISPO Munich 2023 klar: „Man kann der Beste der Welt in einer Sache sein, aber man muss sich auch mit der Realität der Gesellschaft auseinandersetzen und darf sich nicht von ihr abkoppeln.“ Auch Yusra Mardini zeigte auf, wie wertvoll ein einzelner Mensch für eine Community sein kann. So erzählte sie, was für ein besonderer Moment es für sie war, zu realisieren, dass mit ihrer Olympiateilnahme nicht nur ihr ganz persönlicher Traum in Erfüllung ging, sondern auch für Millionen von Flüchtlingen auf der ganzen Welt von Bedeutung war.
Beide appellierten vor allem an Athlet*innen, ihre Plattform zu nutzen und einen Impact auf die Gesellschaft zu haben. Kaepernick machte deutlich, dass immer mehr Sportler*innen in den letzten Jahren ihre Stimme gefunden haben und hofft, dass dies noch zunehmen wird. Gerade indem sich Athlet*innen ins Gedächtnis rufen, dass sie „die Kontrolle über ihr Schicksal haben und nicht nur dem unterworfen sind, was eine Organisation oder Institution will.“
Beide sind sich ebenfalls einig, dass es Zeit braucht, das richtige Mindset und den Mut zu finden, die Welt zu verändern, doch Mardini appellierte: „Sie sind mutig, während sie ihren Sport betreiben“. Jetzt sei es an der Zeit, diesen Mut auch für eine bessere Zukunft einzusetzen.
Egal ob es unsere eigene Geschichte ist, die Geschichte der Gesellschaft oder die Geschichte der Sportwelt: Lass sie uns schreiben.
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