Wie gelingt der Restart? Während sich viele Unternehmen diese Frage noch stellen, hat der Profisport bei ihrer Beantwortung längst eine Vorreiterrolle eingenommen. Mitte Mai nahm die deutsche Fußball-Bundesliga als erste große Sportliga der Welt den Spielbetrieb wieder auf. Auch die vom DFB organisierte 3. Liga, der DFB-Pokal sowie die Frauen-Bundesliga laufen längst wieder. Die deutsche Basketball Bundesliga BBL folgte Anfang Juni als erste große Indoor-Sport-Liga. Bei den ISPO Re.Start Days stellten die Köpfe hinter den erfolgreichen Restarts ihre Learnings vor.
„Wir begegneten einer Menge Skeptiker und Kritiker, bevor wir den Spielbetrieb wieder aufgenommen haben“, erinnert sich Dr. Rainer Koch, Vizepräsident des Deutschen Fußballbundes: „Doch jetzt wo die Ligen und der Pokal kurz vor dem Abschluss stehen, kann ich schon deutlich besser schlafen.“
Das Konzept der Geisterspiele sei für dutzende Fußballvereine „ein sehr wichtiger Schritt zum Überleben“ gewesen, so Koch. Mit dem erarbeiteten Hygienekonzepten von DFL und DFB sowie seinem Status in Deutschland habe der Fußball zudem dazu beigetragen, dass auch andere Sportarten profitierten.
„Ohne den Fußball hätten wir nicht spielen können“, bestätigte etwa Marko Pesic, Geschäftsführer des FC Bayern Basketball. Der Klub war eines von zehn Teams, die im Juni an einem noch nie dagewesenen Turnier um die deutsche Basketball-Meisterschaft gespielt haben. Drei Wochen lang standen über 250 Spieler und Betreuer in einem Münchner Hotel unter Quarantäne, um in der bayerischen Landeshauptstadt in einem Mammut-Turnier den BBL-Titel zu vergeben.
Eine aus der Not geborene Lösung, die für Pesic die wichtigste Qualität von Verbänden und Vereinen in diesen Zeiten verdeutlicht: Flexibilität. „Wir haben uns angepasst, indem wir kurzerhand den kompletten Turniermodus geändert haben. Das ist eine unserer größten Errungenschaften und gleichzeitig eine Blaupause, falls es zukünftig ähnliche Situationen gibt.“
BBL-Geschäftsführer Dr. Stefan Holz blickt ebenfalls mit Stolz auf den gelungenen Restart: „Wir hatten keinen einzigen positiven Corona-Test und keine größeren Verletzungen trotz des engen Terminkalenders und der kurzen Vorbereitungszeit. Wir hatten packende Spiele mit richtig gutem Sport – und wir hatten eine riesige Berichterstattung durch die Medien, national wie international. Letztlich wurde unser Best-Case-Szenario wahr.“
Darauf muss das IOC noch hoffen, nachdem es die Olympischen Sommerspiele von Tokio um ein Jahr verschieben musste. Das bedeutet zwar Mehrkosten für das IOC und Ausrichter Japan, aber auch mehr Zeit für die Erarbeitung eines Konzepts: „Wir nutzen die Zeit, um zu diskutieren und analysieren, unter welchen Bedingungen es funktionieren kann“, sagt Pierre Ducre, Associate Director des Games Departement beim IOC.
Einfach wird das allerdings nicht: Mehr als 10.000 Athleten sollen an den Spielen teilnehmen. Noch nicht einmal die Hälfte davon konnte sich bisher qualifizieren. Zudem sind die Schutzanforderungen in den verschiedenen Disziplinen kaum vergleichbar: Abstandsregeln sind beim Bogenschießen leichter durchsetzbar als beim Ringen oder Fußball. Weltweit unterschiedliche Reisebeschränkungen erschweren den fairen Wettkampf um die begehrten Olympia-Tickets.
Auch bei der Terminfindung sorgt die Olympia-Verschiebung für Probleme: Ex-Handball-Weltmeister Dominik Klein spricht den vollgepackten Fahrplan für Profi-Handballer ab Herbst an. Bis zu Tokio 2021 gebe es de facto keine Pause. „Das ist schon knallhart“, so Klein.
Dennoch ist Ducre optimistisch: „Die Tatsache, dass der Sport zurückkehrt, ist ein sehr gutes Zeichen. Es zeigt, dass wir unter den richtigen Rahmenbedingungen und mit Schutzmaßnahmen für die Teilnehmer Sport-Events organisieren können.“
Ob dann aber auch Fans in den Stadien und Arenen dabei sein können, ist noch unklar: „Wir müssen verschiedene Szenarien betrachten. Wir wollen definitiv Zuschauer haben. Aber wenn es politische Beschränkungen gibt, müssen wir uns diesen als IOC beugen.“
Der Tenor im Panel ist klar: Ohne Fans kann es auf lange Sicht keinen Profisport geben. „Dann wird es für die meisten Klubs und Verbände bereits binnen Monaten kritisch“, befürchtet Dr. Koch.
Auch Bayern-Basketball-Boss Pesic hofft auf die baldige Erlaubnis von Zuschauern durch die Politik, warnt aber auch: „Selbst eine erlaubte Auslastung von 50 Prozent heißt nicht, dass diese Tickets auch wirklich verkauft werden. Das Konsumverhalten hat sich geändert.“
Um auch ohne Zuschauer das vorläufige Fortbestehen des Profisports in Deutschland zu gewährleisten, haben sich die Profiligen im Fußball, Basketball, Handball, Volleyball und Eishockey zur Interessensvereinigung „Teamsport Deutschland“ zusammengeschlossen und bei der Politik um finanzielle Hilfe geworben. Anfang Juni wurde dann tatsächlich ein Hilfspaket in Höhe von 25 Milliarden Euro Überbrückungshilfen verabschiedet.
Ein Segen für Klubs und Verbände, findet auch Dr. Koch: „Wir schleppen uns derzeit durch eine Wüste und warten auf Regen – also Einnahmen durch Ticketverkäufe – da tut jedes Glas Wasser, das man uns reicht, gut.“
Aber auch der Amateursport steht vor Herausforderungen: Zwar spielen die Profi-Fußball-Ligen wieder, doch laut Dr. Koch sind das gerade einmal rund 50 von über 80.000 Fußballspielen, die normalerweise jedes Wochenende in Deutschland stattfinden. Auch hier sind Vereine von der Politik abhängig: Während mancherorts der Ligabetrieb bald wieder aufgenommen werden kann, dürfen Teams in anderen Bundesländern noch gar nicht trainieren: „So verlieren wir Talente, weil die Kids das Interesse verlieren.“
Auch im Handball leiden vor allem die Amateurteams und der Nachwuchs. „Viele Kinder haben seit sechs Monaten nicht mehr Handball gespielt“, so Dominik Klein. Der Bayerische Handballverband versucht dem mit Trainingsvideos für Kids in den sozialen Medien entgegenzuwirken.
Nur einer von vielen kreativen Ansätzen von Verbänden und Vereinen. Doch letztlich hoffen alle Seiten auf das Ende der Einschränkungen spätestens mit einem Impfstoff gegen Covid-19. Marko Pesic bringt es auf den Punkt: „Das Schönste für Sportler ist es doch, vor Fans zu spielen. Ich hoffe, dass wir so bald wie möglich die Menschen wieder bei uns begrüßen dürfen.“
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