McDonald’s ist dabei. Topteams wie der FC Schalke 04 oder der FC Bayern Basketball ebenfalls. Mesut Özil sowieso. Und seit Neuestem auch Intersport. Längst haben Big Player aus der Wirtschaft, dem Sport und der Unterhaltungsbranche den boomenden eSports-Markt auch in Deutschland für sich entdeckt. Über 34 Millionen Menschen spielen laut dem Verband der deutschen Games-Branche „game“ allein hierzulande Computer- und Videospiele.
Die Profi-Turniere der Gamer sind aus dem Nischendasein entwachsen und füllen inzwischen ganze Stadien. Beim WM-Finale 2017 im Computerspiel „League of Legends“ war das Pekinger Olympiastadion mit 80.000 Zuschauern ausverkauft. Bei den Südostasienspielen 2019 verschmelzen analoger und digitaler Sport, wenn erstmals auch im eSports Medaillen vergeben werden. eSports-Turniere auf der ISPO Munich 2019 wurden zigtausendfach gestreamt.
Doch in Deutschland fremdeln Sportverbände und Politik noch mit dem kompetitiven Gaming. Auf seiner Mitgliederversammlung im Dezember 2018 lehnte der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) in einer Grundsatzentscheidung nicht nur die Anerkennung des eSports als Sport ab, sondern die Existenz des Begriffes „eSports“ als solchen.
„Wir formulieren: ‚eSport existiert in dieser Form nicht – Ausrufezeichen‘. Und es wird auch nicht ins olympische Programm kommen“, stellte DOSB-Präsident Alfons Hörmann beim Neujahrsempfang 2019 noch einmal klar. Der ebenfalls geladene hessische Innenminister Peter Beuth legte nach, Computerspiele seien „genauso wenig Sport wie Stricken oder Blockflöten“.
Begründet hat der DOSB seine Absage an die Gamer in einem ausführlichen Positionspapier. Darin trifft der Sportdachverband die Unterscheidung zwischen „Virtuellen Sportarten“ und „eGaming“. Ersteres seien Videospiele, die real existierende Sportarten simulieren. Ein Beispiel hierfür ist die Fußballsimulation FIFA 19. Unter „eGaming“ zählt der DOSB übrige kompetitive Videospiele, die zwar Teil der Jugend- und Alltagskultur seien, „nicht jedoch als eigenständige sportliche Aktivität“. Darunter fallen beliebte eSports-Titel wie Counter Strike, League of Legends, Dota 2 oder Fortnite.
Während der DOSB Sportvereine anhält, „virtuelle Spotarten“ in ihren bereits existierenden Vereinsstrukturen zu fördern, wolle er „konsequent darauf hinwirken, dass keine eGaming-Aktivitäten in Vereinen angeboten werden, die dem anerkannten Wertekanon des DOSB-Sportsystems nicht entsprechen.“
Für die Gamer hat der Entschluss durchaus Folgen: Der Kampf um die Anerkennung der Gemeinnützigkeit durch die Politik erhielt durch die DOSB-Absage einen herben Dämpfer. Für eSport-Teams und Turnierveranstalter bleibt es in Deutschland so weiterhin schwierig: Sportfördertöpfe bleiben dem eSports weiterhin verschlossen. Gewerbetreibende, die das öffentliche Spielen von eSports-Titeln ermöglichen, brauchen derzeit noch eine Spielhallenerlaubnis. Zudem hadern deutsche Teams mit der Visa-Problematik: Zwar profitieren ausländische eSportler für Turniere in Deutschland inzwischen wie Sportler von einem vereinfachten Visa-Verfahren – für eine Ligateilnahme, die 90 Tage im Jahr überschreitet, gilt dieses jedoch nicht.
„Hier werden durchaus Gestaltungsmöglichkeiten blockiert – insbesondere im Amateur- und Nachwuchsbereich, wo ein auf gemeinsame Arbeit ausgerichtetes Votum des DOSB viel bewirkt hätte“, sagt Hans Jagnow, Präsident des eSport-Bundes Deutschland (EBDS), auf ISPO.com-Anfrage. Auch ISPO sieht eSports als Teil des Sport-Universums: „eSports ist aus der Sportwelt und der Gesellschaft nicht mehr wegzudenken“, sagt Tobias Gröber, Head of ISPO Group.
Besser machen es laut Jagnow zwei Nachbarstaaten: „Wenn wir unsere Strukturen und Nachwuchsförderung nicht ausbauen, wird der Anschluss an direkte europäische Nachbarn wie Dänemark oder Frankreich schwierig. Gerade Dänemark hat ein sehr effektives System zusammen mit dem traditionellen Sport geschaffen und gestaltet in vielen Bereichen die Weltspitze des eSports mit. Dahin wollen wir auch kommen.“
Der DOSB, und derzeit auch die Bundesregierung, stellen sich dagegen derzeit quer. Dabei einigten sich CDU/CSU und SPD im Koalitionsvertrag auf eine geplante Anerkennung der Gemeinnützigkeit des eSports, die ihm Türen zur Vereinsarbeit öffnen würde. Seit dem DOSB-Entschluss ist davon jedoch nichts mehr zu hören. Auch, weil der DOSB energisch auf die Nichteinmischung der Politik in den Sport pocht.
Doch aus Sicht der eSports-Branche kämpft der DOSB mit seiner Verweigerungshaltung ohnehin gegen Windmühlen. „Dass der DOSB eSports nicht als Sport anerkennt, ist in erster Linie eine schlechte Nachricht für den klassischen Sport in Deutschland“, glaubt Felix Falk, Geschäftsführer des Verbandes der deutschen Games-Branche „game“.
Für ihn hätten sich bei einer Kooperation „viele tolle Synergien nutzen lassen, beispielsweise mit Blick auf die schwindenden Mitglieder- und Ehrenamtszahlen vieler Sportvereine.“
Laut repräsentativer Umfragen des „game“-Verbandes kann sich ein Viertel aller Gamer in Deutschland vorstellen, sich in einem eSports-Verein zu engagieren. Mehr als 28 Millionen Menschen seien in Deutschland überzeugt, dass eSports den Olympischen Spielen helfen könnte, mehr junge Zuschauer zu gewinnen, wäre er denn Teil des Programms.
Dass das zeitnah passiert, ist unwahrscheinlich. „Es wird noch einige Zeit dauern, bis wir eine Reihe von offenen Fragen beantwortet haben. Bis dahin macht es keinen Sinn, über die Aufnahme ins olympische Programm zu sprechen. Mein Nachfolger wird die Möglichkeit haben, diese Entscheidung zu treffen“, sagte IOC-Präsident Thomas Bach im vergangenen Sommer.
Er selbst ist noch bis 2021 im Amt und könnte dann für weitere vier Jahre wiedergewählt werden. Dann wäre eine Aufnahme von eSports ins olympische Programm frühestens bei den Spielen 2028 in Los Angeles denkbar – in neun Jahren also, einer digitalen Ewigkeit.
Für eSports-Verfechter ist das kein Grund zur Beunruhigung. Der Boom wird weitergehen, ob mit oder ohne olympische Anerkennung. Dessen ist sich auch Christopher Flato im Gespräch mit ISPO.com sicher. Er ist Senior Communications Manager des weltweit größten eSports-Turnierveranstalters ESL Global und vom Siegeszug des Gamings überzeugt: „Die Entwicklung des eSports ist unaufhaltsam. Das ist der Sport der jungen Generation und gekommen, um zu bleiben.“
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