Ab 2024 werden für bestimmte Unternehmen öffentliche Bilanzen verpflichtend sein, die über reine Finanzen hinausgehen. Brands werden Rechenschaft ablegen müssen über ihre nachhaltigen Entwicklungen und sozialen Engagements. Genau deshalb ist es so wichtig, in diese Bereiche zu investieren.
Die Textilbranche ist in Sachen Nachhaltigkeit ein absoluter Vorreiter und hat es verstanden, ganzheitlich zu denken. Diese 5 innovativen Ansätze könnten die Zukunft des nachhaltigen Sourcings sein:
- Regeneratives Sourcing
- Partizipatives Sourcing
- Null-Emissions-Sourcing oder Positiv-Sourcing
- Wissenschaftsbasiertes Sourcing
- Zukunftsorientiertes Sourcing
Das regenerative Sourcing hängt eng mit der regenerativen Landwirtschaft zusammen und zielt ganz darauf ab, die Natur zu bewahren. Um gesetzeskonform zu sein, müssen sich neue Sourcing-Methoden auf nachgewiesene Fakten stützen und von Drittorganisationen wie dem Rodarte-Institut in den USA begleitet werden. Diese beaufsichtigt die Einhaltung der Standards „Regenerative Biological Materials™” oder ROC (Regenerative Organic Certified) von der Rodarte Organic Alliance. Es geht nicht nur um Nachhaltigkeit, sondern viel mehr darum, Boden, Wasser, Menschen und Tiere zu schützen.
Dieser Ansatz kommt vor allem zertifizierten Naturmaterialien zugute, hauptsächlich Baumwolle (GOTS- oder OSC-zertifiziert), die mit regenerativen landwirtschaftlichen Methoden angebaut werden. Es ist aber nicht so einfach, wie es klingt. Regeneratives Sourcing ist ein sehr komplexer Ansatz, der von vielen Faktoren abhängt und deshalb schwer umzusetzen ist. Die Zertifizierung folgt einer Vielzahl von strengen Kriterien, deren Umsetzung viel Zeit kostet, die aber unbedingt notwendig sind als Grundlage für regenerative Landwirtschaft. Beispielsweise verlangt die Zertifizierung eine Garantie über vier Jahre, dass Böden erneuert werden, und Pflanzenkulturen, mit denen Regeneration und Transparenz über die gesamte Produktionskette hinweg gewährleistet sind.
Deshalb gibt es bisher nur wenige Standards, die diese Kriterien berücksichtigen und nur wenig Erfahrung bei der Umsetzung. Die Brand Patagonia, die den ROC-Standard mitentwickelt hat, ist hier Vorreiter und hat sich dem regenerativen Ansatz komplett verschrieben. Vertreter*innen von Patagonia werden weltweit unterwegs sein, um in regenerative Landwirtschaft zu investieren.
Beim partizipativen Sourcing oder Collective Sourcing wirken Zulieferer durch Innovationen zur Entwicklung einer Marke mit - und im Gegenzug treibt die Marke nachhaltige Entwicklungen bei den Materialien der Zulieferer voran.
Ein Beispiel dafür ist die Kollaboration von Circle Sportswear mit Lenzing™ und Woolmark™. Bei der Entwicklung des Supernatural Running Sportswear Schuhs, der für die Kreislaufwirtschaft entworfen wurde, holte die Brand die beiden Materialhersteller in der innovativen Forschungs- und Entwicklungsphase an Board, um ein Material mit möglichst geringen Auswirkungen auf die Umwelt zu entwickeln. Das Ergebnis: eine innovative technische Spritzgussmaschine, die noch dieses Jahr zurück nach Europa gebracht wird. Der Schuh, der im Januar dieses Jahres vorbestellt werden konnte, wird Anfang 2024 an die ersten Konsument*innen ausgeliefert.
Der kollaborative Ansatz optimiert Lagerbestände und hilft bei Lieferkettenschwierigkeiten dabei, kurzfristig zu reagieren.
Der Ansatz steckt noch in den Kinderschuhen und ist in der Praxis mit Vorsicht zu genießen. Denn bishger haben wir nur wenig Einblick in die Methoden und können die Auswirkungen im großen Maßstab noch nicht genau genug beurteilen. CO2-Abscheidungen, CO2-Ausgleich, Sequestrierung, Carbon-Credits - all das klingt sinnvoll, dahinter verbirgt sich aber oft Greenwashing, ob bewusst oder unbewusst. Welche Parameter und welche Messinstrumente braucht es? In einigen Ländern werden CO2-Bilanzen bald verpflichtend sein. In Frankreich verbietet das Gesetz über Klima und Resilienz die Verwendung von Formulierungen wie „biologisch abbaubar, kohlenstoffneutral, emissionsneutral, aus recycelten Materialien hergestellt” usw., um gegen Greenwashing vorzugehen.
Aus diesem Grund dauert es lange, bis bio-industrielle Projekte wie die von Fairbric™ oder Mango Material™ realisiert werden. Ohne Rückverfolgbarkeit geht gar nichts - sie ist ein unverzichtbares Instrument dabei, Sourcing-Methoden auszuwählen, die Umweltschäden und Überproduktion reduzieren sollen.
Allbirds™ hat den ersten CO2-negativen Sportschuh angekündigt. Dazu hat die Brand mithilfe einer Lebenszyklusanalyse und einer CO2-Bilanz sorgfältig ihren CO2-Abdruck berechnet - angefangen von der regenerativen Wolle bis hin zum fertigen Schuh. Die Analysen wurden anschließend durch die ISO 14067 verifiziert. Schließlich nahm eine dritte Partei, die Kohlenstoffzertifikate überprüft und wiederum selbst B-Corp-zertifiziert ist, die Überprüfung vor. Durch die Veröffentlichung aller Daten zeigt die Brand, wie Transparenz geht - und dass Fortschritt vor Perfektion geht.
Überall tauchen gerade neue digitale und wissenschaftsbasierte Innovationen auf, ganz im Sinne des Speculative Design. Und dafür nimmt die Mode- und Bekleidungsbranche Geld in die Hand: Laut einer Veröffentlichung von FUTURE VVORLD hat sie seit 2013 fast 3 Milliarden US-Dollar in Biomaterialien investiert.
„Man kann nur das kontrollieren, was man messen kann”, sagt Tim Brown, der Founder von Allbirds. Der Hersteller hat einen Schuh mit einer besseren CO2-Bilanz entwickelt, indem er seinen CO2-Fußabdruck gemessen und wissenschaftliche Forschung zu Bioquellen finanziert hat. Der M0.0NSHOT soll im Juni 2023 vorgestellt und ein Jahr später auf den Markt gebracht werden. Sein Geheimnis: regenerative Wolle, eine Zwischensohle aus Schaumstoff auf Zuckerrohrbasis und Ösen aus Biokunststoff, die aus Mikroorganismen hergestellt werden, die Methan in Biomasse umwandeln.
Und auch im Bereich der Rückverfolgbarkeit gibt es spannende Entwicklungen. Wissenschaft und Digitalisierung treffen aufeinander und ermöglichen es, die Herkunft einer Faser anhand der DNA ihrer Umgebung zurückzuverfolgen. Die Erde eines Baumwollfeldes, das Wasser, mit dem es bewässert wird, oder was ein Schaf frisst, das die Wolle liefert, enthält eine Kombination einzigartiger Faktoren, durch die sich auf den Ursprung der Faser schließen lässt. Die Erkenntnisse werden dann mit einem digitalen Rückverfolgbarkeitstool und einer Blockchain verknüpft, um die Daten zu sichern und dafür zu sorgen, dass sie nicht verändert werden können.
Sport- und Outdoorbrands, die in Sachen ökosozialer Verantwortung ganz vorne mit dabei sind, können es schaffen, den Sustainability Gap zu schließen, und das sofort. Wie? Durch den Blick in die Zukunft.
Mein Motto beim Sourcing lautet: Es gibt nicht das perfekte nachhaltige Material. Der beste Weg zur Nachhaltigkeit ist es, sich verantwortungsvoll, sparsam und ressourcenschonend zu verhalten.
Zur ökologischen Verantwortung gehört mittlerweile auch, Virtual Water (oder auch den Water Footprint) zu berücksichtigen, da die Verschmutzung global ist und die gesamte Kette von der Materialgewinnung bis zum Ende des Lebenszyklus betrifft. Und hier kann die Zukunftsforschung schon in der Gegenwart helfen.
Ziel ist es, sich mehr Handlungsmöglichkeiten zu verschaffen und jetzt schon Erkenntnisse zu gewinnen für neue Strategien und Investments - sowohl für Lieferanten als auch für Marken.
Einige dieser Ansätze sind noch Zukunftsmusik, weil sie wenig in der Praxis getestet wurden und sich die langfristigen Auswirkungen nicht überprüfen lassen. Um sie erfolgreich einsetzen zu können, braucht es Zusammenarbeit mit einer unabhängigen dritten Partei (insbesondere mit Wissenschaftler*innen und Jurist*innen). Organisationen wie die European Flax and Hemp Alliance oder Textile Exchange liefern geprüfte und zertifizierte Informationen, die diese Entwicklung unterstützen.
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