Was haben so unterschiedliche Marken wie Arc’teryx, Canada Goose, Löffler, Maloja und Vaude gemeinsam? Sie produzieren einen wichtigen Teil ihrer Kollektionen in eigenen Werken, teilweise sogar direkt vor der eigenen Haustür. Das ist angesichts einer globalisierten Supply Chain in der Bekleidungsindustrie bemerkenswert.
Lange war nichts antiquierter als eigene Näherinnen und Näher zu beschäftigen. Mit dem Resultat, dass die Sportindustrie technisch anspruchsvolle Konfektion hierzulande nicht mehr herstellen kann. Es gibt keine Betriebe mehr, die das Knowhow besitzen und mit Fernost mithalten können.
All die immensen Fortschritte in der Herstellung von Sportprodukten – man denke nur an die vielen Bonding-Techniken – wurden in den letzten Jahren vor allem in China entwickelt und zur Serienreife gebracht. Dieser Knowhow-Verlust beunruhigt mittlerweile Unternehmen.
Mehr Schutz vor geistigem Eigentum
Beispielsweise Arc’Teryx. Die kanadische Outdoorbrand gilt als Innovationsführer der Branche. Zahlreiche wegweisende Neuerungen bei der Verarbeitung von Funktionsjacken, Klettergurten und Rucksäcken wurden von den Kanadiern entwickelt.
Lange rühmte man sich für „Made in Canada“, nachdem die Marke aber durch mehrere Besitzer gegangen war, nahm der Anteil ausländischer Produktion stetig zu. Vielen Kunden gefiel das nicht.
Mit dem Bau einer neuen, hochmodernen Produktionshalle in der Nähe von Vancouver, dem Firmensitz von Arc’Teryx, kam 2016 die Trendwende. Waren davor etwa 350 Mitarbeiter in Kanada beschäftigt, konnte mit der neuen Produktionsanlage die Anzahl fast verdoppelt werden.
Heute entstehen dort etwa die High End Fashion Linie Arc’teryx Veilance, alle Klettergurte, der Lawinenairbag Voltair sowie die aufwändigsten Gore-Tex Jacken vom Zuschnitt bis zur Endkontrolle. Auch bei der Entwicklung der Maschinen ist Arc’Teryx involviert. Jan Hoerauf, General Manager von Arc’Teryx: „Auf diese Weise schützen wir unser geistiges Eigentum.“
Darum ging es auch der Marke Maloja, die vor wenigen Jahren eine Produktion in Bulgarien gekauft hat. „Eine eigene Produktion hat einen gewissen Charme, wenn man technische Teile herstellt“, erklärt Klaus Haas, CEO von Maloja. „Wir können jetzt die Maschinen selbst kaufen, die wir brauchen und natürlich auch selbst mehr entwickeln. Wir haben dadurch an Knowhow dazugewonnen, was uns auch hilft, andere Produzenten besser zu verstehen. Und wir sind effizienter geworden.“
Effizienter musste auch Arc’Teryx im neuen Werk werden. Ein ausgeklügeltes Lean Manufacturing System sorgt dafür, dass sich die Produktion finanziell lohnt.
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Hocheffiziente Produktion
Um mehr Effizienz bemüht sich auch Canada Goose. Der kanadische Daunenspezialist hat in den letzten vier Jahren immer wieder Produktionsstätten in Kanada aufgekauft und sie zu hochmodernen Fabriken aufgerüstet.
Dabei ging es Gründerenkel und CEO Dani Reiss vor allem darum, die eigene Produktion vor Ort zu sichern. Angesichts von drei- bis vierstelligen Wachstumsraten und einem global ausgerichteten Vertrieb war die Tradition des „Made in Canada“ ernsthaft in Gefahr geraten.
Die Grundsatz-Entscheidung zur Produktion in Kanada wurde schließlich getroffen, als die Brand gerade mal 15.000 Jacken im Jahr verkaufte. Heute sind es fast eine Million. Bereits 2014 entfielen sechs Prozent aller kanadischen Produktionsjobs in der Bekleidungsindustrie auf Canada Goose. Mit den Fabrikzukäufen in den letzten Jahren dürfte sich der Anteil noch erhöht haben.
„Ich bin stolz auf unsere führende Rolle beim Wiederaufbau der Bekleidungsindustrie und der Produktionsinfrastruktur in Kanada“, sagt Dani Reiss. „Du kannst keine Schweizer Uhr in Japan machen und genauso wenig eine Canada Goose Jacke in China.“
Produktion geht auch in Mitteleuropa
Auch Marken aus Zentraleuropa, die ihre Herkunft nicht so prominent im Namen tragen wie Canada Goose, setzen auf die eigene Produktion – beispielsweise das österreichische Unternehmen Löffler.
Bei Löffler erfolgen nicht nur 99 Prozent der Produktion in Europa, auch 80 Prozent der Wertschöpfung findet in Österreich statt, und 70 Prozent der Stoffe stammen aus der eigenen Strickerei.
Von der Entwicklung über die Stoffproduktion bis hin zu Konfektionsarbeiten werden bei Löffler all die Schritte vor Ort gebündelt, die bei anderen Unternehmen über die ganze Welt verteilt sind. Etwa 200 Menschen beschäftigt das Unternehmen, darunter auch viele Lehrlinge, an die das Fachwissen weitergegeben wird - und das seit vielen Jahren.
Fortschrittlich galt das lange nicht – doch das Festhalten am Standort Österreich ist heute ein klarer Vorteil. Otto Leodolter, Geschäftsführer von Löffler: „Natürlich gab und gibt es oft Erklärungsbedarf hinsichtlich des Preisunterschiedes, der sich logischerweise durch die höchst unterschiedlichen Lohnkosten ergibt. Dennoch haben schon immer die Vorteile überwogen.“
So bildet die hauseigene Strickerei die Grundlage für wichtige Produkte von Löffler und schafft kontinuierlich Innovationen. „Weitere Vorteile waren immer das rasche Reagieren auf den Markt, der NOS-Service und die dadurch kleinere Lagerhaltung“, so Leodolter weiter.
Auch adidas will mit den geplanten Speedfactories Produktion vor Ort wieder möglich machen und den Vorteil von Zeitersparnis und einer größeren Nähe zum Markt nutzen.
Produktion vor Ort steht für mehr Nachhaltigkeit
Produktion in Österreich setzt zudem Arbeitsstandards voraus, die in Fernost noch lange nicht üblich sind. Otto Leodolter: „Wir sind der Überzeugung, dass sich nachhaltiges Denken auch in der Bekleidungsindustrie mehr und mehr durchsetzt. In der Lebensmittelbranche sind Herkunft und Produktion schon seit Jahren ein wichtiges Thema.“
Genauso sieht man das auch bei Vaude. CEO Antje von Dewitz hat gerade eine hochmoderne, neue Produktionsanlage am Firmenstandort Tettnang in Betrieb genommen, wo Rucksäcke und Taschen gefertigt werden.
Die Anlage ersetzt eine frühere Fabrik, die 2015 einem Großbrand zum Opfer gefallen war. „Wir haben uns bewusst dafür entschieden, unsere Produktion am Firmensitz zu stärken und in die neue Manufaktur zu investieren“, so von Dewitz.
Vaude fertigt aktuell rund 5 Prozent seiner Produkte komplett in Deutschland. Die geringeren Margen nimmt von Dewitz bewusst in Kauf: „Die Manufaktur ist gut für die eigene Identität, für Innovationen und vor allem für den Standort und unsere Mitarbeiter.“
Auch sie erkennt das neue Interesse für heimische Produktion. Die ‚Made in Germany‘ Produktion, die jährlich um circa 20 Prozent wächst, soll in Zukunft noch weiter ausgebaut werden.
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