Greenwashing – so lautete der klare Vorwurf der Immenstädter MDC Sportswear GmbH nach dem Beitritt von Primark zum Bündnis für nachhaltige Textilien. Deshalb erklärte Geschäftsführer Michael Pfister in einem Brief an den Initiator des Textilbündnisses, Bundesentwicklungsminister Gerd Müller, seinen Austritt und löste damit hohe Wellen aus. Die Ziele von Firmen wie Kik, Tchibo, Primark und Co seien unvereinbar mit den eigenen: „Der Beitritt von Primark, einem Unternehmen, welches mit seiner Wegwerfmode das Gegenteil dessen macht, wofür wir stehen, macht es uns unmöglich, noch länger dem Bündnis anzugehören.“ Überhaupt habe sich seit der Gründung der Initiative im Oktober 2014 überhaupt nichts getan.
Nachhaltigkeit: Alle aufnehmen, die sich auf den richtigen Weg machen
Die Vorwürfe und der spektakuläre Austritt lösten unter den inzwischen 175 Mitgliedern aus der Branche natürlich heftige Diskussionen aus. Selbst die 2015 in Deutschland zum Nachhaltigkeits-Champion gekrönte Vorbild-Firma Vaude glaubt jedoch, dass der Beitritt von Primark im Sinne der Sache ist. „Wir sehen prinzipiell jeden Beitritt positiv, egal wie stark sich eine Firma bisher engagiert hat. Wenn eine Firma dem Textilbündnis beitritt, ist dies zunächst einmal ein klares Signal, dass dieses Unternehmen sich an der Verbesserung der Umwelt- und Sozialstandards in der Textilproduktion beteiligen möchte“, sagt Jan Lorch, Geschäftsleitung Vertrieb & CSR, zu ISPO.com. Die niedrige Eintrittsschwelle sei bewusst gewählt worden, um auch jene ins Boot zu nehmen, die noch nicht so weit sind, sich aber auf den richtigen Weg machen wollen.
Ausschluss aus dem Textilbündnis als Option
Allerdings gingen zum Beispiel Discounter wie Primark auch eine Verpflichtung ein: „Es wird sich zeigen, inwieweit Unternehmen wie Primark letztendlich bereit sind, die ambitionierten Review-Prozesse, die vom Bündnis angestrebt werden, einzuhalten.“ Das Textilbündnis müsse möglichst rasch verbindliche Verfahren inklusive Kontroll- und Sanktionsmechanismen verabschieden. Lorch: „Entscheidend ist natürlich, dass es uns gelingt, uns auf strenge Vorgaben zu einigen, um tatsächlich Verbesserungen zu bewirken. Auch die Sanktionsmaßnahmen für Mitglieder, die diese Vorgaben nicht erfüllen, müssen klar sein. Im äußersten Fall sollen Mitglieder vom Bündnis ausgeschlossen werden können.“
Discounter werfen alte Geschäftsmodelle über Bord
Generell sei das Textilbündnis eine gute Chance, dass die Branche durch gemeinsames Agieren wirklich die Rahmenbedingungen der Textilindustrie verändern könne. Auch die Discounter wie Lidl scheinen bereit, bisherige Lieferketten und Geschäftsmodelle über Bord zu werfen. „Mit Blick auf die weltweiten Lieferketten hat Lidl die Zielsetzung, bis 2020 im Herstellungsprozess seiner Eigenmarken-Textilien und -Schuhe auf den Einsatz und die Freisetzung der von Greenpeace definierten Chemikalien wie PFC zu verzichten“, so eine Lidl-Sprecherin auf Anfrage von ISPO. Der Aktionsplan des Textilbündnisses diene als vorläufiger Orientierungsrahmen für eine nachhaltige Textillieferkette.
Auch Aldi Nord und Aldi Süd sind seit Oktober 2015 Mitglieder des Bündnisses für nachhaltige Textilien. Zu ISPO.com sagten die Discounter, man wolle „dazu beitragen, die Sozial-, Umwelt- und ökonomischen Standards in der textilen Produktions- und Lieferkette auch sektorübergreifend weiter nachhaltig zu verbessern. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es notwendig, das Engagement aller beteiligten Akteure bestmöglich zu bündeln.“ Das Textilbündnis sei vor allem deshalb wertvoll, „weil es eine relevante Anzahl von ganz unterschiedlichen Akteuren aus Wirtschaft, Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften und Regierung an einen Tisch zusammenbringt, um gemeinsam Lösungsansätze zu erarbeiten.“
Aldi wehrt sich gegen Greenwashing-Vorwurf
„Den Vorwurf des Greenwashings können wir mit einem Hinweis auf unsere ausgedehnten Aktivitäten auch über das Textilbündnis hinaus von uns weisen. Wir können Ihnen mitteilen, dass wir es grundsätzlich bedauern, wenn einzelne Mitglieder aus dem Bündnis für nachhaltige Textilien austreten, da ein Bündnis nur funktionieren kann, wenn eine möglichst große Marktabdeckung vorliegt und man gemeinsam handelt“, so Aldi in seiner Stellungnahme.
Ziele nur mit Marktführern erreichbar
Auch die vom Textilbündnis-Kritiker MDC explizit genannte Firma KiK nimmt sich selbst in die Pflicht. „Für Kik ist die Verbesserung der Produktionsbedingungen in den Herstellungsländern ein wichtiges Anliegen. Unser Ziel ist, die sozialen, ökonomischen und ökologischen Standards in der Textil- und Bekleidungsindustrie zu verbessern“, sagt Olga Bakanow aus der Unternehmenskommunikation: „Das Textilbündnis kann nur dann seine Ziele erreichen, wenn die Marktführer in der Bekleidungsindustrie und im Handel Mitglied sind.“ Naturgemäß seien bei einem Bündnis mit vielen Mitgliedern bei manchen Themen Kompromisse erforderlich.
Primark-Beitritt bringt Internationalisierung voran
Doch das Ziel ist auch für Kik klar: „Mit unserer Mitarbeit wollen wir dazu beitragen, dass Deutschland zum Vorreiter für die internationalen Bemühungen um angemessene Produktionsbedingungen in den globalen Lieferketten wird. Aufgrund der globalen Verflechtungen der Textilindustrie sollte jedoch parallel der Prozess der Anbindung auf internationaler oder zumindest europäischer Ebene forciert werden.“ Genau in diesem Bezug ist der Beitritt von Primark ein wichtiger Fortschritt. So sieht das auch das Bundesentwicklungsministerium, das in einer Stellungnahme noch einmal unterstrich, dass das Textilbündnis „grundsätzlich allen Unternehmen offen steht, die sich den sozialen und ökologischen Bündniszielen verpflichten.“
Primark in der Pflicht
Das habe Primark mit seinem Beitritt getan. „Das Textilbündnis ist eine sehr wichtige Initiative und wir freuen uns, eine aktive Rolle in dieser Organisation für nachhaltige Ökonomie zu spielen“, erklärte Wolfgang Krogmann, Primark Generaldirektor für Deutschland und Österreich. Gemessen wird die Firma daran werden, ob sie sich tatsächlich dem Thema Nachhaltigkeit verpflichtet.
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