Tokio, das ist das Stichwort, das die Sportkletterszene derzeit in Aufregung versetzt. 2020 werden in der japanischen Hauptstadt zum ersten Mal Sportkletterer an den Olympischen Sommerspielen teilnehmen. Vor zwei Jahren entschied das Internationale Olympische Komitee, die Sportart aufzunehmen. Eine Entscheidung, die in Deutschland vor allem den Deutschen Alpenverein (DAV) betraf: „Wir haben uns alle sehr darüber gefreut“, sagte Katja Vogel aus dem Marketing des DAV beim ESB-Markenforum Trendsportsponsoring 2020 in München. Ein echtes Goldstück sei das, „seitdem ist aber auch sehr viel passiert. Denn die Entscheidung hat Auswirkungen auf uns als Verband.“
Der DAV hat einen neuen Sportdirektor eingestellt. Doch das ist nur ein erster Schritt, der sich auf dem Weg, sich zu professionalisieren, stellte. „Aus Vermarktungssicht möchten wir den Rückenwind nutzen, dass wir jetzt eine olympische Sportart im Verband haben.“ Klettern ist ein Trendsport in Deutschland, 700.000 wollen gerne an die Wand, ob die nun in einer Halle (wie beim Bouldern, das immer populärer wird) oder in freier Natur steht.
Mittlerweile ist der DAV der fünftgrößte Sportverband im Deutschen Olympischen Sportbund mit 1,25 Millionen Mitglieder und etwa 4,5 Prozent Mitgliederzuwachs im Jahr. Bei den 14-29-Jährigen hat Klettern das breiteste Interesse im Sport, also die größte Zielgruppe, haben die Strategieberater von Nielsen Sports erhoben.
Die großen Marken merken das: Bereits vor sieben Jahren hat sich der Sportartikelriese Adidas ins Geschäft eingekauft mit der Übernahme der US-Klettermarke Five Ten für 25 Millionen US-Dollar. Adidas veranstaltet zudem unter dem Titel „Adidas Rockstars“ Boulderwettkämpfe.
Die olympischen Ringe dürften nun noch weitere interessierte Anhänger und Sponsoren anlocken. Um Letztere zu binden, „haben wir uns bereits in diesem Jahr mit #climbtotokyo auf den Weg gemacht“, sagt Markus Röß, Head of Marketing des DAV – mit der Kampagne „Flash it!“, die der DAV gemeinsam mit der Agentur „Steilpass“ entwickelt hat. Frei übersetzt im Klettersport bedeutet sie: Löse es.
Denn Flash bezeichnet die Rotpunkt-Begehung einer dem Kletterer unbekannten Route im ersten Versuch. „Wir hatten ein Problem“, sagt Jens Leonhäuser, Geschäftsführer von Steilpass. „Aber wenn wir es lösen, dann flashen wir die Route.“ Schon jetzt bietet der DAV mit seinen bestehenden Plattformen eine hohe Reichweite.
Anders als etwa im Bandenwerbungssport Fußball steht für die Kletterer deutlich mehr Exklusivität im Vordergrund. „Flash it“ soll Sponsoren binden, die breitere Möglichkeiten bekommen und neue Potenziale und Möglichkeiten erhalten, um die Jüngeren anzulocken.
„Wir bieten eine Riesenchance für Plattformen in der Nische“, sagt er, „wir sind kreativer, kommunikativer“. Und die Unternehmen haben ihren Raum, um ihre Idee zu transportieren. Im Fußball hat er die Erfahrung gemacht, dass das Korsett deutlich enger ist. Er spricht vom Bandenfriedhof mit unzähligen Sponsoren, deren Identifikation dann aufgrund der Vielzahl der Partner schwerer fällt.
Vier Unternehmen wollen Leonhäuser gemeinsam mit dem DAV gewinnen, mit den großen Zielen, die Bekanntheit und Wahrnehmung des Sportkletterns zu steigern, aber auch optimale Bedingungen für die Athleten zu schaffen. Jedes Unternehmen soll für ein Paket stehen – und die Aufgabe als eigener Werbepartner begleiten: Presenter, Athleten, Events und Nachwuchs.
Vaude-Tochter Edelrid hat sich bereits ein Paket für die nächsten vier Jahre gesichert. Sie stattet die Nationalmannschaftsathleten aus. Gemeinsam werden sie dann auch bei Großevents wie etwa dem IFSC Boulder World Cup in München großflächig auftreten, der dort noch bis 2020 stattfindet.
Dafür kommt allerdings nicht jeder Partner infrage, der DAV ist ein Breitensport- und Naturschutzverband, aufgrund dieser Sonderfalles gibt es eben anders als etwa bei den Fußballern eine „Blacklist“: Es wird kein Automobilhersteller werben dürfen. Der DAV legt strenge Maßstäbe an und schaut sich jeden Partner bis ins Detail an. „Und wenn wir dann mit einem Partner reden, sprechen wir kreativ an: Wie müssen wir die Idee weiterentwickeln, dass sie auch für unseren Partner passt?“, sagt Leonhäuser.
Als Appetithappen für weitere Sponsoren hat der DAV daher eine große Vision: das Urban Olympic Combined 2021 auf einem großen Platz in einer Stadt. Das Ziel ist dann, den olympischen Dreikampf aus Speed-, Leadklettern und Bouldern auszurichten und damit noch einmal neues Publikum zu erreichen und mit mehr Laufkundschaft und einem höheren Einzugsbereich auch bessere Werbemöglichkeiten zu haben. Es erinnert ein bisschen an die European Championships in sieben Sportarten, die in diesem Sommer in Berlin und Glasgow stattfanden.
Hinzu kommt, dass sich ja nicht nur das Klettern einen Schub von Olympia 2020 erhofft, sondern andersherum auch das IOC einen Schub vom Klettern, das seine Zielgruppe verjüngen will. Ein verständlicher Ansatz, der auch den Unternehmen ganz recht sein dürfte. Zumal das Kletterinteresse ja beständig wächst, wie nicht nur Nielsen Sports gezeigt hat, sondern auch der Boom der Boulderhallen in den Städten.
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