Sportbusiness/04.01.2019

Julien Durant: „Die große Herausforderung ist es, vom Öl wegzukommen“

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Picture Organic Clothing feiert zehnjähriges Bestehen und ISPO.com hat mit dem Mitbegründer Julien Durant über die bescheidenen Anfänge, Wetten, Tätowierungen, falsche Ziele und darüber gesprochen, wie die Zukunft von Picture – und jedem anderen in der Branche – ausschaut.

Picture Organic Clothing
Picture Organic Clothing feiert zehnjähriges Bestehen.

„Unser Unternehmen sollte in puncto Unternehmensphilosophie so sein wie Patagonia und in puncto Einstellung so sein wie Burton“, berichtet Julien Durant, Mitbegründer von Picture Organic Clothing über die Gründung des Unternehmens vor zehn Jahren. Lesen Sie hier, wohin dieses Engagement die Marke führte und warum es das falsche Ziel von ihm und seinen Mitbegründern war, eine Million Euro zu machen.

ISPO.com: Zehnjähriges Bestehen von Picture. Was ist das lebendigste Bild, das auftaucht, wenn Sie in Ihren Erinnerungen zurückgehen?
Julien Durant: Ich würde nicht sagen, dass es einen bestimmten Moment gab, aber der erste Tag an dem wir eine Million Euro gemacht haben, war sehr besonders. Wir glaubten nämlich, dass wir mit einer Million Euro reich sein würden und wollten uns das Unternehmenslogo tätowieren lassen. Das war aber überhaupt nicht der Fall, im Gegenteil, wir verloren Geld. Eine Million Euro finanzierte gerade einmal die Lagerhalle und das Benzin fürs Auto. Es musste viel investiert werden. Wir ließen uns trotzdem tätowieren, weil wir hofften, dass unser Unternehmen irgendwann erfolgreich sein würde, sodass wir nicht an etwas erinnert werden würden, das am nächsten Tag nicht mehr existierte.

Wie schwer war es am Anfang Ihre Nachhaltigkeitsprinzipien mit der Pflicht Geld zu verdienen zu vereinbaren?
Alles begann mit Jeremys Vision, er ist der führende Kopf. Als wir das Unternehmen gründeten, baute er umweltfreundliche Häuser und wir hatten zum Ziel, dass unser Unternehmen in puncto Unternehmensphilosophie so sein sollte wie Patagonia und in puncto Einstellung so sein sollte wie Burton. Wir wollten uns zu 100 Prozent der Nachhaltigkeit verpflichten, eine umweltfreundliche Marke schaffen, bei der alle Produkte aus Recycling-Polyester und Biobaumwolle hergestellt werden.

Wir waren uns nicht sicher, wie wir das machen sollten, waren uns aber sicher, dass wir gar nicht erst beginnen würden, wenn es nicht in diese Richtung gehen würde. Dann begannen wir alle möglichen Lieferanten zu suchen, prüften ihre Zertifizierungen und vereinbarten rund 20 Termine. Es war eine Herausforderung die richtigen Menschen zu finden, wir mussten viel reisen und Zeit opfern, aber die meisten Partner mit denen wir zu Beginn arbeiteten, arbeiten immer noch mit uns. Die Arbeit, die wir also zu Beginn reingesteckt haben, war sehr wichtig, um die Branche zu verstehen und hat sich am Ende ausgezahlt.

„Wir möchten ein neues Segment kreieren: Action Outdoor“

Picture wurde in einer Zeit gegründet als Snowboarden in einer Art Krise war. Können Sie beschreiben, welche Herausforderungen es für Picture in so einer schwierigen Phase gab?
2008 war es tatsächlich eine Herausforderung, aber wir wollten nicht so sehr ein Snowboard- und Skateboardunternehmen gründen, sondern eine völlig neue Sparte schaffen: Action Outdoor. Wie ich bereits erwähnt habe, eine Mischung aus Patagonia und Burton, aber zu Preisen, die mit nicht-umweltfreundliche Marken mithalten können. So haben wir auch ein neues Wirtschaftsmodell entworfen. Aus diesem Grund mussten wir mit einer kleineren Marge arbeiten, die zu weniger Geld fürs Marketing führte. Wir entschieden uns, dank Jeremy, für ein sehr auffälliges und eigenes Design und dann informierten wir den Verbraucher über unsere Website und die Händler über unsere Geschichte der Marke Picture und warum wir so sehr an unsere Produkte glauben.

Einer unserer Kernmärkte ist Wintersport, aber aufgrund von globaler Erwärmung und Jahr für Jahr geringer werdendem Schnee, ist die Wintersportbranche stark von Kunstschnee, abgelegten Ferienorten etc. abhängig. Letztlich ist Picture Teil der Branche, wie sehen Sie also den Trend und Ihre Rolle als Unternehmen, für das Nachhaltigkeit zum Kernprinzip gehört?
Ich denke, dass die Outdoor-Branche versucht immer nachhaltiger zu werden, vor allem im Vergleich zu anderen Sparten im Sportbereich. Aber natürlich gibt es noch mehr, was wir tun können. Wir sind zu klein, um einen wirklichen Einfluss zu haben. The North Face, Patagonia oder Burton zum Beispiel sind Unternehmen, die groß genug sind, um einen Unterschied zu machen. Was wir tun können, ist es jeden zu motivieren unsere Philosophie zu leben und jedem zu zeigen, dass es möglich ist auf diese Art Geschäfte zu machen.

„Bessere humanitäre Bestimmungen sind genauso wichtig wie Umweltfreundlichkeit und Nachhaltigkeit“

Gab es jemals eine Situation, in der einer von euch dreien ein Angebot oder eine Zusammenarbeit abgelehnt hat, weil der potenzielle Geschäftspartner nicht Ihre Standards erfüllt hat?
Das passierte recht häufig, vor allem bei Betrieben in Bangladesch. Die machen echt gute Qualitätsprodukte, aber wir haben abgelehnt, da es nicht genug Transparenz in der Wertschöpfungskette und im Hinblick auf die Zulieferer der Lieferanten gab. Finanziell wäre es ein Gewinn gewesen, aber der mögliche Glaubwürdigkeitsverlust war ein zu großes Risiko für uns.

Wir entschieden uns einige Länder zu meiden, in denen die Mindeststandards für Mitarbeiter nicht eingehalten werden. Für uns sind soziale und bessere humanitäre Bestimmungen genauso wichtig wie Umweltfreundlichkeit und Nachhaltigkeit. Momentan werden in der Branche oft Träume verkauft und hinter den Kulissen ist sie ein Alptraum. Wir müssen den Verbraucher also informieren, denn er hat wirklich die Macht die Bedingungen mit seiner Wahl im Laden zu verändern.

Woher nehmen Sie Ihre Motivation und Ideen?
Lassen Sie mich das so erklären: Jeremy ist einfach anders als wir (lacht). Er tickt anders, er ist so kreativ – und darum arbeitet er mit uns. Er bekommt seine Ideen von überall her, vom Hausbau, von der Natur, jede Erfahrung bringt ihn auf neue Ideen. Wir sind nur dazu da seine Ideen zu kanalisieren, andernfalls hätten wir zehn verschiedene Kollektionen auf einmal.

Crowdsourcing? „Mehr Marketing als Real Life“

Welche Rolle spielt Crowdsourcing bei der Suche nach neuen Produkten?
Um ehrlich zu sein ist da mehr Marketing im Spiel als Real Life. Für ein wirklich kleines Unternehmen ist es vielleicht möglich, aber normalerweise bestimmt der betriebliche Teil deine Aktivitäten. Der Hauptgrund für Crowdsourcing ist es die Gemeinschaft und die Beziehung zur Marke zu stärken. Daran ist nichts falsch, aber meiner Meinung nach hilft es nicht neue Produkte zu bekommen.

Eine Idee für ein neues Produkt zu haben ist die eine Sache, jemanden zu finden, der diese so produziert wie Picture es will, ist die andere Sache. Können Sie den Lesern den Prozess erläutern, der durchgeführt wird, um für Picture die richtigen Produzenten zu finden?
Als erstes stellt man fest, welche Zertifizierungen auf Lieferantenseite benötigt werden. In unserem Fall wollen wir Fair Wear Foundation, Fair Trade, Global Organic Textile Standard, Green Mark und Blue Sign. Dann macht man auf den Zertifizierungswebsites die Gegenprobe, kontaktiert die Unternehmen, vereinbart Termine, schafft menschliche Beziehungen und dann stellt man einen Zusammenhang her. Das ist eher eine Frage der Zeit und es reicht nicht zwei Mails anzuklicken. Aber das ist es wert. Wir haben eine enge Beziehung zu unseren Lieferanten – mit einigen machen wir sogar zusammen Urlaub. Das ist ein großer Teil unseres Erfolgsgeheimnisses: Menschliche Beziehungen.

Ihr Unternehmen expandierte in den letzten Jahren stark. Außer der nachhaltigen Produktion ist ein weiterer großer Schwerpunkt von Ihnen der CO2-Fußabdruck. Wir groß ist die Herausforderung eine Balance zwischen der Expansion auf globaler Basis und dem CO2-Fußabdruck zu finden?
Beginnen wir mit Folgendem: Mit unserer Produktionsart halbieren wir, verglichen mit normalen Produkten, die Auswirkungen auf die Umwelt. Und selbst wir haben uns in den letzten zehn Jahren verbessert, Geld und somit mehr Möglichkeiten sei Dank. In Bezug auf den Versand bevorzugen wir immer die Verschiffung per Containerschiff, die den kleinsten CO2-Fußabdruck hat und somit vor Zug- und Luftfracht liegt. Abgesehen vom Transport spielt die Verpackung die zweitgrößte Rolle, weil alles im Grunde Müll ist und direkt in die Mülltonne wandert.

Alle Plastiktüten, die wir nutzen, sind biologisch abbaubar, aber letztendlich gibt es bislang keine perfekte Lösung. Nur ein Beispiel: Wenn Sie eine Jacke in die USA liefern, müssen Sie diese angemessen schützen, da das Produkt sauber im Laden ankommen soll. Es gibt aber einen Haken. Die Zollbehörden müssen das Produkt überprüfen und aus diesem Grund muss die Verpackung transparent sein. Selbst wenn wir wollten, könnten wir aufgrund von Zollbestimmungen keine Papiertaschen oder ähnliches verwenden.

Nachtrag: Das Video Shelter veröffentlichte Picture Organic Clothing gemeinsam mit Almo zur Saison 2019/2020. Auch darin geht es darum, Snowboarden zu gehen, aber den CO2-Fußabdruck so gering wie möglich zu halten. Hier ist es in voller Länge zu sehen. 

Picture Organic Clothing hat große Pläne für die kommende ISPO Munich.

Wie wichtig sind Auszeichnungen, wie die von Ispo, in diesem Geschäft und für die Outdoor-Community?
Ich denke es ist wichtiger für de B2B-Seite, der Kunde interessiert sich nicht so sehr für Auszeichnungen. In Deutschland vielleicht etwas mehr, in den USA aber nicht. Dort ist die Geschichte hinter dem Unternehmen wichtiger. Aber eines ist sicher: Wenn du einen ISPO Award gewinnst, ist dieser ein Türöffner bei potenziellen Geschäftspartnern. Am Ende verkauft sich dein Produkt dadurch nicht genauso gut, weil die Branche so vom Marketing bestimmt wird, aber es ist ein guter Anfang. Dank des ISPO Awards erhältst du die Bestätigung, dass deine Produkte kein Quatsch sind.

Sie haben kürzlich die erste Produktlinie Ihrer Wetsuits ohne Neopren auf den Markt gebracht. Was ist das nächste große Ding der Outdoor-Branche?
Die große Herausforderung für uns als Marke ist es, von auf Öl basierenden Produkten wegzukommen. Das versuchen, soweit ich weiß, nicht viele Marken. Wenn man den Klimawandel bekämpfen will, muss man sich von fossilen Brennstoffen befreien. Auf der nächsten ISPO MUNICH stellen wir unsere erste, zum Teil biobasierte Membran, Pebax Renew, vor, welche die Besonderheit des neuen Herbstoutfits darstellt. Sie wird aus Rizinusöl hergestellt und diese erneuerbare Technologie ist Teil des Prozesses unsere Abhängigkeit vom Öl zu beenden. Der andere große Trend der Branche ist es, den Prozess nach der Beendigung der Lebensdauer von Kleidung sauberer zu machen.


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