Beim ISPO AWARD 2016/2017 räumte Patagonia mit dem weltweit ersten neoprenfreien Wetsuit ab. Mit ISPO.com sprach Mihela Hladin über weitere Projekte der Outdoor-Marke im Sinne der Umwelt.
Interview mit Mihela Hladin von Patagonia
ISPO.com: Ihr Unternehmen hat sich zum Ziel gesetzt, nicht nur hochwertige Produkte herzustellen, die jahrelang halten, sondern auch solche, die repariert werden können, damit man weniger kaufen muss. Beim Projekt „Worn Wear“ geht es um die maximale Nutzung von Kleidung und darum, wie man Kleidung recycelt, die nicht mehr repariert werden kann. Nur wenige Konkurrenten betreiben in Sachen Nachhaltigkeit so viel Aufwand. Warum Sie?
Mihela Hladin: Das ist die Philosophie seit den ersten Tagen von Patagonia: die Umwelt und die Plätze zu schützen, die wir so sehr lieben. Von Beginn an gab und gibt es bei bei uns die Garantie, beschädigte Kleidung zurückgeben zu können. Aber da die Qualität sehr gut ist, haben wir natürlich mehr Kleidung in den Geschäften als in der Reparaturwerkstatt.
Mit „Worn Wear“ hoffen wir, die Art und Weise, wie Menschen mit Kleidung umgehen, zu ändern. Wir wollen, dass die Menschen die Kleidung, die sie schon lange besitzen, regelrecht zelebrieren. Das, was da ist, erneut benutzen. Reparieren als radikaler, fundamentaler Akt.
Und ganz am Schluss: Recycling erst, wenn es keine andere Option mehr gibt. Die Leute sollen sich vor allem einmal mit dem Thema auseinandersetzen. Wir haben schließlich eine Verantwortung für diesen Planeten. Die natürlichen Ressourcen werden immer knapper.
Patagonia-Konzept: Reparatur geht vor Neukauf
Wir leben zweifellos in einer Wegwerfgesellschaft: kurzlebig, technologiegetrieben. Bevor man etwas reparieren lässt, kauft man heutzutage lieber neu ein. Dabei ist der Preis für die Umwelt höher als der Ladenpreis – kann man das so sagen?
Ja, das ist das Problem. Und der Fakt, dass es kaum noch Plätze oder Werkstätten gibt, wo man etwas zur Reparatur abgeben kann. In den USA betreiben wir mit mehr als 40.000 Reparaturen pro Jahr das größte Textil-Reparaturzentrum. Und wir haben die Mitarbeiter in unseren Läden geschult, einfache Reparaturen selbst auszuführen.
Auf unserer Website finden Sie mehr als 40 kostenlose Reparaturanleitungen für Patagonia-Produkte. Wir unternehmen sehr viel, um den Kunden dabei zu helfen, ihre Ausrüstung selbst zu reparieren, sie weiterzugeben oder notfalls zu recyceln.
Aber wie verkaufen Sie neue Ware, wenn die alte immer und immer wieder repariert wird?
Die Menschen werden sich immer neue Sachen kaufen, auch mal die Marken wechseln. Es geht um das Konsumverhalten generell, einer der wichtigsten Faktoren in Sachen Umweltzerstörung und ökologischem Bankrott. Wir fühlen uns dafür verantwortlich, dieses Thema anzusprechen. Die Leute werden auch immer bewusster, was dieses Thema angeht. Die Veränderung ist überall zu spüren.
Patagonia: Umweltbewusstsein schaffen
Stichwort Transparenz. Weiß der Konsument denn tatsächlich, wo und wie ökologisch seine Jacke oder Hose hergestellt wurde?
Wir haben unsere Versorgungsketten schon vor sehr vielen Jahren offengelegt. Derzeit arbeiten wir zusammen mit vielen anderen Herstellern an einem universellen Index, der dem Konsumenten hoffentlich bis 2020 verbindlich Aufschluss über Herkunft und Beschaffenheit seines Einkaufs gibt. Denn immer mehr Konsumenten fragen sich, wo und wie Kleidung hergestellt wird, welche und wie viele Rohstoffe dabei verwendet wurden.
Vor fünf Jahren schaltete Patagonia eine Anzeigenkampagne mit dem provokativen Claim: Don't buy this jacket.
Das war ganz schön direkt! Und nicht ohne Risiko. Aber wir waren schon immer gut darin, auch mal Risiken einzugehen. Wir wollten den Leuten damit bewusst machen, dass Konsum ein Thema ist. Und dass es einen Unterschied gibt zwischen Konsum und Besitz. Erst nachdenken, dann kaufen! Das vermeidet unnötige CO2 Emissionen, Abfälle und Abwässer, die mit der Herstellung von Kleidung verbunden sind.
„Worn wear“ ist die Fortsetzung dieser Botschaft, die unser Unternehmen seit seiner Gründung umtreibt. Die erste Frage bei meinem Vorstellungsgespräch war: „Welcher Faktor wird die Umwelt in 50 Jahren beeinflussen?“ Das ist der Rahmen, in dem wir denken und handeln.
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