„Wenn du willst, dass in einem vollbesetzten Bus alle gleichzeitig einen großen Schritt nach vorne machen, dann muss der Busfahrer einmal kräftig auf die Bremse treten.“ Martin Riebel, Geschäftsführer der SSO mit den Marken Deuter, Maier Sports, ORTOVOX und GONSO bemüht ein knackiges Bild, um die Auswirkungen der Corona-Pandemie zusammenzufassen. Das sei natürlich oft schmerzhaft gewesen, „aber den großen Schritt nach vorne haben wir in der Sportindustrie gemeinsam gemacht.“
Die ganze Welt und natürlich auch die Outdoor-Branche wurde durch das neuartige Virus aus der Bahn geworfen. Oder, um im Bild zu bleiben: robust eingebremst. Auf den ISPO Re.Start Days sollte es nun nach dem Lockdown darum gehen, wie der Neustart gelingen kann und wie es weiter geht mit der Outdoor-Branche. Bei einem Brand-Panel in München berichteten sechs Industrievertreter von ihren Erfahrungen der vergangenen Monate und suchten nach Antworten.
Die größte Überraschung sei die Geschwindigkeit der Entwicklung gewesen, sagt EOG-Präsident Mark Held. Sowohl beim großen Einbruch infolge der Lockdowns im März, aber auch bei der beginnenden Erholung im Mai. „Im Lockdown haben immer mehr Menschen Outdoor für sich entdeckt, das hat uns sicher geholfen“, so Held.
Die Zahlen, die der Präsident der European Outdoor Group präsentierte, machen Mut. In einer Umfrage der EOG gaben 98 Prozent der Unternehmen an, dass sie die Krise überstehen werden. Ein wichtiges Fazit des EOG-Präsidenten: „Die Branche wird gestärkt aus der Krise hervorgehen.“ Aber auch die Art des Konsums werde sich ändern, ist sich Mark Held sicher. „Corona hat vieles geändert. Auch da, wo man es nicht auf den ersten Blick erwartet“, sagt Held. So werde die Nachfrage nach nachhaltigen Produkten steigen. Das sehen auch 82 Prozent der befragten Firmen so.
Nach dem ersten Schock im März schaut auch der scheidende Deuter-Geschäftsführer Martin Riebel wieder optimistischer in die Zukunft. „Über die wirtschaftliche Situation müssen wir nicht reden, da gab es überall dramatische Einschnitte. Ich glaube aber, dass sich die Situation für die Industrie und für den Einzelhandel im Juni so entwickelt hat, dass wir wirklich alle dankbar sein können“, so Riebel.
Beim Running-Spezialist On hat die Pandemie fast eine Art Boom ausgelöst, erklärt Caspar Copetti. „Für uns war es sehr interessant, dass die Menschen nach dem ersten Covid-Schock tatsächlich angefangen haben, sich mehr zu bewegen“, erklärte der Firmengründer. „Die meisten Leute haben zu Hause gearbeitet. Nach zehn Zoom-Calls am Tag war das Bedürfnis groß, nach draußen zu gehen und sich zu bewegen.“
Weitaus problematischer sei die Situation im Einzelhandel gewesen. Etwa achttausend Shops weltweit haben Schuhe und Bekleidung von On im Sortiment. „Und 90 Prozent der On-Händler waren zeitweise geschlossen“, blickt Copetti zurück. Auch hier habe On schnell reagiert. Nicht alle kleinen Laufshops verkaufen schon über alle Kanäle. „Denen haben wir es ermöglicht, unter ihrem Namen über den On-Ramp-Shop mit voller Marge zu verkaufen“, so Copetti.
Die schnelle Reaktion und die Partnerschaft mit den Händlern scheint das Schlimmste abgewendet zu haben. Auch der neue Lauf-Boom scheint zu helfen: „Für die Zeit des Lockdowns haben wir ein Wachstum von etwa 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr“, sagt Caspar Copetti.
Nicht weniger als einen Kulturbruch vollzog das Familienunternehmen Schöffel. Der Wintersport- und Outdoor-Spezialist aus Schwabmünchen animiert die Menschen seit über 200 Jahren dazu, in der Natur zu genießen und aus dem Alltag auszubrechen. „Ich bin raus“ lautete seit 2012 der launige Claim des Unternehmens. Bis Ende März. „In diesem Lockdown ging es uns in der ersten Reaktion um den Schutz unserer Mitarbeiter und den Erhalt unseres Unternehmens“, sagt Marketing-Vorstand Reiner Gerstner. Die zweite Überlegung sei es gewesen, wie eine Marke dazu beitragen kann, die Menschen für das richtige Verhalten zu begeistern. „Ich bleib drin“ heißt der neue Claim für die Corona-Zeiten.
„Es ging uns darum, die Menschen wirklich zu inspirieren, als ein gutes Beispiel dafür, wie wir diese Krise überwinden können“, sagt Rainer Gerstner. Entscheidend sei es in der Krise gewesen, „wie man miteinander umgeht, wie man aufeinander aufpasst, was man füreinander tut und was man für die Gemeinschaft tut. Das fand ich sehr positiv. Und das wird hoffentlich bleiben“, so Gerstner.
Für Mammut CEO Dr. Oliver Pabst hat sich durch den Lockdown in der Outdoor-Branche eine Eigendynamik entwickelt. Alles sei gerade in Bewegung, so Pabst. „Und das macht uns als Industrie aus. Wenn wir die Zukunft positiv gestalten, sind wir sehr stark“, sagt der Mammut CEO.
Was Mammut als Firma angehe: „Ich habe gelernt, dass wir bei Mammut alle gemeinsam Herausforderungen mögen. Wir haben die Veränderungen angenommen und versuchen etwas Besonderes daraus zu machen. Das macht mich persönlich sehr stolz.“
Auch bei Rucksack-Spezialist Deuter hat Corona Spuren hinterlassen – auch durchaus positive, sagt Geschäftsführer Martin Riebel. Natürlich sei der Lockdown ein Schock gewesen. Gleichzeitig habe er dazu geführt, dass „wir unsere Vertriebspartner weltweit heute ganz anders informieren. Wir sind in 50 Ländern aktiv. Heute erreichen wir jeden einzelnen Vertreter auch aus den entferntesten Ländern digital. Wir schaffen es, die gleiche Botschaft bis zu jedem Mitarbeiter im Innendienst, und in entfernte Regionen zu senden. Das sind Lerneffekte, die wir ohne Corona so nicht gehabt hätten,“ zieht Martin Riebel Bilanz.
Geschlossene Geschäfte waren auch für Michael Levi ein Problem. „Zuzusperren geht recht schnell,“ sagt der Director of Sales für das Europageschäft von Columbia Sportswear. Die entscheidenden Fragen kamen auch für die Amerikaner erst danach: Was jetzt? Und wie kann das Geschäft weiterlaufen? Der Schlüssel für Columbia: Gute Partnerschaften und eine enge Zusammenarbeit mit Händlern, Zulieferern und Mitarbeitern.
„Wir wollten verstehen, was die Probleme sind und wie wir helfen können“, erklärt Levi. Und auch bei Columbia zeigte sich, dass die Corona-Pandemie eben auch ein Tempomacher für die Digitalisierung sein kann: „Meetings, Konferenzen, Schulungen – wir haben dieses Jahr alles virtuell gemacht“, sagt Michael Levi. „Das hat mir wirklich die Augen geöffnet. Wir sind oft in unseren Prozessen gefangen, und wir brauchen da einfach mal Kick, um ein neues Level zu erreichen."
So war es in dieser neuen Situation auf einmal möglich, selbst alte Gewohnheiten in Frage zu stellen. Das zeigt auch die eingangs zitierte EOG-Studie: Fast drei Viertel der Befragten Unternehmen denken mittlerweile über neue Lieferzyklen nach. Der Corona-Shutdown habe zu einer Diskussion geführt, wann sinnvollerweise welche Waren an den Einzelhandel geliefert werden, erklärt Mark Held. „Wir haben uns eh immer gefragt, warum wir Daunenwinterjacken im August oder September ausliefern, wenn der Einzelhändler noch mitten im Sommergeschäft steckt.“
Für Mammut-CEO Oliver Pabst geht es dabei nicht darum, wie sich die Outdoor-Industrie an die neue Situation anpasst. „Es geht um die Frage: Wie verbessern wir uns? Ich glaube, es ist ein sehr spezieller Moment voller Herausforderungen, aber auch voller Möglichkeiten. Jeder von uns hat die Chance, in jetzt stärker zu werden, als wir davor waren“, zeigt sich der Mammut-Chef zuversichtlich.
- UnternehmenNike zeigt in Paris seine Vision des Shoppings
- Awards
- Bergsport
- Bike
- Fitness
- Health
- ISPO Beijing
- ISPO Munich
- ISPO Shanghai
- Running
- Brands
- Nachhaltigkeit
- Olympia
- Outdoor
- Promotion
- Sportbusiness
- Textrends
- Triathlon
- Wassersport
- Wintersport
- eSports
- SportsTech
- OutDoor by ISPO
- Heroes
- Sport Fashion
- Urban Culture
- Challenges of a CEO
- Messen
- Sports
- Find the Balance
- Produktreviews
- Magazin