Trotz Corona – der Kernsatz von Stefan Herzog auf den ISPO Re.Start Days war fast schon euphorisch. „Wenn wir uns die Agilität erhalten, die wir in der Krise entwickelt haben, dann kann uns keiner aufhalten“, sagte der Präsident des europäischen Sportfachhandelverbandes FEDAS. Agilität war in der Panel-Diskussion und dem Workshop zum Thema „Zukunft des Retail“ die am häufigsten verwendete Vokabel.
Was das konkret heißt, erklärte zum Beispiel Holger Schwarting, Vorstand bei Sport 2000 in Österreich. Während der Corona-Zeit wurde der lang erwartete Online-Store für die Mitglieder des Sporthändler-Verbunds ausgerollt. „Wir hatten den Mut und haben gesagt: Wir machen das jetzt einfach. Auf einen Schlag haben 100 Händler gesagt, dass sie da mitmachen. Solche Zahlen wären vor vier Monaten noch undenkbar gewesen.“ Nicht nur deshalb erklärte Stefan Herzog, dass „die Corona-Krise ein Wahnsinns-Booster für den Sportfachhandel beim Thema digitale Transformation“ gewesen sei.
Die Krise als Chance zur Veränderung begriff auch Jost Wiebelhaus vom Frankfurter Laufshop. Fünf Wochen hatte er seinen Running-Spezialshop im Herzen der Mainmetropole wegen der Pandemie schließen müssen. Doch sein Team verschwendete in der Krise keine Zeit mit Jammern, sondern launchte neue Businessmodelle. „Wir haben ja keinen Onlineshop, deshalb haben wir vom ersten Schließungs-Tag an einen Lieferservice angeboten. Die Kunden konnten per Whatsapp bestellen. Und statt der Video-Laufanalyse im Geschäft konnten die Kunden uns ein Video von sich und Fotos schicken und wir haben dann zusammen telefonisch die besten Schuhe herausgesucht. Das war ein Riesenerfolg“, berichtete Wiebelhaus auf der digitalen Live-Leitkonferenz für die Sport- und Outdoor-Branche.
Der direkte Kontakt zu den Kunden wurde zudem über die sozialen Medien mit sieben speziell produzierten Videos gehalten. Das Ergebnis. Nach der Wiedereröffnung des Laufshops wurde Wiebelhaus von Interessenten regelrecht überrannt: „Und der Bedarf steigt immer weiter.“ Natürlich profitiert das Running-Spezialgeschäft dabei auch von den durch COVID-19 beschleunigten Megatrends zu Sport, Outdoor-Aktivitäten und Nachhaltigkeit. Besonders die Themen Running, Biking und Camping-Urlaub erleben einen regelrechten Boom, wie auch Michael Benner (Internetstores) bestätigte. Deshalb sieht seine Firma genau wie Jan Maurer vom Schweizer Familienunternehmen Bächli Bergsport oder die „Yoga-Queen“ Bettina Beringer (Beeathletica) „sehr positiv in die Zukunft“.
Wichtig sei dabei jedoch, „nicht nur zu verkaufen, sondern auch Beziehungen zu den Kunden aufzubauen“, wie Richard Thomas als Marketing-Chef von Endura feststellte. Das Zauberwort heißt dabei Omnichannel – ob nun virtuell über soziale Medien oder persönlich im Geschäft. Laut Schwarting sei dieser Ansatz, „wichtig, um erfolgreich zu bleiben.“ Dabei, so Michael Nendwich (geschäftsführender Präsident FEDAS), könnten Events wie die ISPO Re.Start Days oder das Portal ISPO.com „eine ganz wichtige Rolle spielen“.
Schließlich hat die Corona-Krise auch gezeigt, dass die Sportbranche nur mit gemeinsamen Anstrengungen von Verbänden, Brands und Händlern nachhaltig erfolgreich sein kann. „Die Zusammenarbeit ist die wichtigste Sache. Sonst sind wir irgendwann nicht mehr wichtig für die Konsumenten“, sagte Michael Benner. Jochen Schnell, Ex-Vorstand Intersport und Mitglied im vds Kompetenzteam, mahnte deshalb an, dass man aus der Krise die richtigen Schlüsse ziehen müsse: „Alle müssen konsequent offen mit ihren Daten gemeinsam arbeiten. Nur so können Warenflüsse effizienter organisiert werden. Die Devise heißt: Agieren und nicht reagieren.“
Das heißt mit Blick auf Thema Wintersport zum Beispiel, dass man schon jetzt über passende Konzepte nachdenken muss. Der alpine Skisport dürfte sicher eher schwierigeren Monaten entgegensehen. Dafür könnten Sportarten wie Langlauf oder Tourengehen, die nicht in großen Gruppen stattfinden, profitieren. „Da muss der Sportfachhandel schon jetzt mit den Tourismusbehörden darüber nachdenken, wie man Einsteigergruppen für Touristen organisieren kann“, forderte Peter Bruggmann, Vizepräsident der FEDAS. Mit derlei agilen Ideen könnte der Sportfachhandel ganz unter dem Motto „Sport stays“ einer der größten Profiteure der Corona-Krise werden…
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