Erst China, dann Europa, die USA und inzwischen die ganze Welt: Die Coronakrise hat die Sportbranche mit ihren globalen Produktionsstandorten, Lieferketten und Absatzmärkten fest im Griff. Dennoch ist es an der Zeit, über das „danach“ nachzudenken, auch wenn man noch gar nicht weiß, wann genau das sein wird. Welche Optionen diskutiert die Branche derzeit, welche Probleme sieht sie kommen und worauf gibt es noch keine Antworten? Wir haben ein paar Hersteller befragt.
Wie geht die Sport-Branche mit der Corona-Krise um? Alle News gibt es im Corona-Ticker von ISPO.com.
In Zeiten wie diesen wird zum Vorteil, was der Sportindustrie zuletzt oft als Nachteil ausgelegt wurde: Das Festhalten an den traditionellen Kollektionszyklen mit einer Frühjahr-Sommer- und einer Herbst-Winterkollektion. So hatten viele Hersteller bis zum Start der Ladenschließungen im Februar in Italien und darauf folgend in vielen anderen Ländern bereits den Großteil der Kollektionen ausgeliefert. „Wir haben mehr als 95 Prozent der Vororder bereits ausgeliefert, ein kleiner Teil und terminierte Ordern befinden sich noch im Lager“, sagt Klaus Haas, Geschäftsführer von Maloja.
Bei Löffler sind derzeit rund 65 Prozent der Vorordermengen ausgeliefert, sagt Otto Leodolter, Geschäftsführer von Löffler. „Der restliche Anteil der produzierten Ware liegt aktuell in unserem Lager am Firmenstandort Ried im Innkreis, Oberösterreich.“ Dass jedoch komplette Kollektionen im Lager hängen bleiben, weil die Lieferfristen im Zwei-Wochentakt aufeinanderfolgen, betrifft in erster Linie die Modebranche.
Einiges wird jetzt davon abhängen, wie schnell die Beschränkungen aufgehoben werden können. Öffnen die Geschäfte noch in dieser Saison, stehen die Chancen nicht schlecht, noch viel Ware abzuverkaufen. Immerhin prognostizieren einige Handelsexperten gerade dem Sportsegment einen Höhenflug nach dem Ende der Einschränkungen. Vor allem das Sportsegment dürfte dann auch davon profitieren, dass Sportkollektionen eine längere Halbwertszeit haben als klassische Mode. Zwar ändern sich Farbthemen, aber zeitlose Durchläufer gehören zum Basisgerüst vieler Kollektionen – sie lassen sich über mehrere Saisons ohne große Abschriften verkaufen.
Salewa plant beispielsweise, Teile der Sommerkollektion für das nächste Jahr mitzunutzen und empfiehlt das auch den Händlern. Die Kindermarke Isbjörn freut sich, dass sich ihr Slowfashion-Prinzip jetzt auszahlt: „Wir haben viele beliebte Modelle über mehrere Saisons im Programm, somit kann ein Großteil der Produkte als Durchläufer in den Herbst-Winter 20/21 hineingenommen werden“, sagt Beatrice Archer, Export Managerin bei Isbjörn.
Große Sorge haben Hersteller und Händler derzeit vor allzu frühen Rabattaktionen. Um Liquiditätsengpässe auszugleichen, könnte so mancher Händler früher als ihm lieb ist dazu gezwungen sein. Wie man das verhindern kann? Die Industrie hat da kaum Hebel. „Eventuell stattfindende Rabattaktionen können wir als Hersteller nicht verhindern, diese finden seitens des Sportfachhandels statt“, sagt Otto Leodolter von Löffler. Klaus Haas von Maloja hofft: „Indem die Händler möglichst lange versuchen, zum vollen Preis zu verkaufen. Gerade im Sommer ist das leichter möglich als im Winter.“ Auch Szenarien, dass die Wintersaison später losgehen soll um mehr Zeit für den Abverkauf der Frühling-Sommerware einzuräumen, werden in der ganzen Branche aktuell heiß diskutiert.
„Wir versuchen, dem Handel mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln zu begegnen“, sagte Lorenzo Delladio, CEO von La Sportiva schon vor einer Woche. Das norditalienische Unternehmen ist besonders von der Krise betroffen, weil das Land früher als andere alle Geschäfte und Unternehmen schließen und dann zusehen musste, wie nach und nach auch andere Märkte abgeriegelt wurden. Viele Hersteller gewähren ihren Händlern derzeit längere Zahlungsziele und lagern die Ware auf eigene Kosten, obwohl sie auch selbst finanziell stark betroffen sind. Neue Maßstäbe setzt Ortovox mit dem Angebot, dass Verkäufe über den eigenen Onlineshop zu einem Viertel dem stationären Handel gutgeschrieben werden.
Wie genau Händler und Hersteller die gegenseitigen Verpflichtungen untereinander final regeln werden, darüber will derzeit noch niemand konkrete Aussagen machen. Viel wird davon abhängen, wie lange die aktuelle Situation noch andauert. Partnerschaftlichkeit wird von allen angestrebt. Denn klar ist, dass die Krise nur gemeinsam gemeistert werden kann.
Und was passiert mit der nächsten Saison, wenn das öffentliche Leben hoffentlich wieder auf Normalbetrieb läuft? Diese Kollektionen werden jetzt produziert. Droht dann angesichts brüchiger Lieferketten der nächste Schaden? „Aktuell haben wir nur kleinere Einschränkungen“, sagt Klaus Haas von Maloja. „Da wir 70 Prozent unserer Ware in Europa produzieren, wird es aber sehr davon abhängen, wie der weitere Verlauf in Europa sein wird. Sollten Produktionen längere Zeit schließen müssen, können sich auch die Winterliefertermine etwas verschieben. Wir haben aber noch etwas Spielraum.“
In China ist die Produktion schon vor Wochen wieder angelaufen, bestätigt Gerhard Flatz, General Manager vom chinesischen Produktionsbetrieb KTC. „Aber die Lieferketten verschieben sich. Die Probleme liegen im Moment vor allem bei den Zulieferern“, so Gerhard Flatz. PrimaLoft setzt darauf, etwaige Engpässe durch Umverteilung im globalen Netzwerk ausgleichen zu können. „Was wir allerdings noch nicht abschätzen können, ist, wie die Auswirkungen auf den globalen Güterverkehr sein werden“, gibt Michael Jakob, Vice President of Business Development / Outdoor Sports Athleisure Europe bei PrimaLoft zu Bedenken.
Einen Vorteil haben Marken, die noch selbst produzieren, wie beispielsweise Löffler aus Österreich. „Da Löffler 70 Prozent der Materialien in der firmeneigenen Strickerei in Österreich produziert, wird es laut heutigem Stand zu keinen großen Verzögerungen kommen“, sagt Otto Leodolter. „Wir haben ein entsprechendes Lager an Rohmaterialien und fertigen Stoffen vor Ort und können die Produktion nach der Krise in gewohnter Weise fortsetzen.“
„Wir nehmen die Situation sehr ernst. Allerdings betrachten wir sie auch als Chance, die Art und Weise wie wir Geschäfte machen, anzupassen und uns auf eine neue, veränderte Zukunft vorzubereiten“, sagt Michael Jakob von PrimaLoft und meint damit auch die Digitalisierung der Arbeit. Allen Zweiflern dürfte jetzt klar geworden sein, dass virtuelles Arbeiten eine Option ist. Löffler sieht sich vor allem mit der Entscheidung zum Produktionsstandort Österreich und Europa bestätigt, „weil wir rasch agieren können und nicht von langen Lieferketten abhängig sind“, so Otto Leodolter. Wie der weitere Weg nun aussieht, hängt einmal mehr von einer engen und vertrauensvollen Beziehung zu den Fabriken, Einzelhändlern und Partnern ab. Beatrice Archer, Export Managerin bei Isbjörn: „Nur so können offene Gespräche geführt und gemeinsame Lösungen gefunden werden. Zusammen sind wir stark.“
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