Heshan ist eine mittelgroße Stadt in der südchinesischen Provinz Guangdong, etwa 1.000 Kilometer entfernt von Wuhan, dem chinesischen Zentrum des Corona-Ausbruchs. Seit etwa 50 Jahren produziert KTC Limited in Heshan Sportbekleidung – früher für den Massenmarkt, heute hochwertige Kollektionen für internationale Premiumsportmarken wie beispielsweise Mountain Force, Mammut, Helly Hansen oder Rapha. Die Krise traf KTC, als die Fabrik zum Neujahrsfest ohnehin zwei Wochen Betriebsurlaub machte. Managing Director Gerhard Flatz war da gerade in Europa und musste aus der Ferne die Zwangs-Schließung des Betriebs organisieren. Zurückkommen ging nicht mehr. Vier Wochen lang blieb die Fabrik geschlossen, 1.500 Arbeiter mussten zu Hause bleiben. Jetzt läuft die Produktion wieder, aber Flatz darf immernoch nicht einreisen: Der geborene Österreicher befindet sich in österreichischer Quarantäne, weil er als Ausländer nicht mehr nach China darf. Wir haben ihn gefragt, wie es weiter geht.
Wie sieht die Lage bei KTC aktuell aus?
Wir sind jetzt etwa seit zwei Wochen wieder am Arbeiten, aber der Campus ist abgeriegelt und fühlt sich an wie ein Hochsicherheitstrakt. Man kommt nur mit einer schriftlichen Bewilligung aufs Gelände. Bei allen Leuten wird zweimal am Tag Fieber gemessen, alle gehen zu unterschiedlichen Zeiten Essen, die Arbeitsplätze wurden auseinandergezogen. Zusätzlich bekommen unsere Mitarbeiter alle vier Stunden einen neuen Mundschutz ausgehändigt. Wir versuchen alles, um das Risiko zu minimieren. Denn klar ist, wenn wir einen Infektionsfall haben, wird die Fabrik wieder mindestens drei Monate zugesperrt.
Läuft der Betrieb wieder auf 100 Prozent?
Wir haben im Moment nur 1.400 Leute in der Fabrik, etwa 100 weniger als davor. Was aber auch daran liegt, dass zum Teil Mütter zuhause sind, weil die Schulen noch zu sind.
Wie sieht es mit der Produktion aus und den Lieferketten? Kann KTC normal produzieren?
Die Lieferketten verschieben sich. Die Probleme liegen im Moment vor allem bei den Zulieferern. Ich rechne mit Verspätungen zwischen vier und acht Wochen. Aber letztlich ist es auch egal, denn wenn die Ware fertig ist, braucht sie in Europa sowieso keiner. Die Situation ist fatal: Der Winter war ein Desaster und der Frühling/Sommer findet gar nicht statt.
Können Sie auf andere Zulieferer ausweichen?
Nein, wir müssen abwarten und jonglieren. Wir haben keine Chance alternative Lieferanten zu bekommen.
Gibt es Stornierungen von Aufträgen?
Nein, Stornierungen haben wir nicht. Wir arbeiten seit Jahren im oberen Bereich der Bekleidungsindustrie und produzieren keine riesigen Stückzahlen. Wir machen Brand-Shaping Pieces, also Produkte, auf die die Marken schlecht verzichten können. Und wieder einmal können wir sagen: Schwein gehabt. Unsere Premium-Strategie hat sich auch diesmal wieder bewährt.
Wie war das – wollten Ihre Angestellten denn wieder zurück zur Arbeit kommen?
Die wären am liebsten schon nach einer Woche wieder zurückgekommen! In China haben die wenigsten den Luxus, einen Garten zu haben oder eine große Wohnung. Da leben viele Generationen in einer Wohnung zusammen. Das ist auf Dauer nicht einfach. Angst zurück zu kommen hatten sie nicht – wir hatten ja auch alle gesetzlich erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen umgesetzt.
Sie setzen sich seit vielen Jahren für hohe soziale Standards in der Textilindustrie ein. Macht das in der aktuellen Situation einen Unterschied?
Absolut – das zahlt sich jetzt aus. Wir zahlen höhere Löhne und unsere Beschäftigten kommen zu 80 Prozent aus dem lokalen Umfeld. Das heißt, wir konnten alle schnell wieder einsetzen und zügig starten. Hätten wir - wie vor etwa zehn Jahren - einen höheren Anteil an Wanderarbeitern gehabt, wären wir jetzt gestrandet.
Und wie haben Sie den Lohnverlust ausgeglichen?
Wir haben auch während des Produktionsstops weiterhin einen Grundlohn gezahlt.
Wie geht es weiter in China?
Die Schutzmaßnahmen werden wir bestimmt noch das ganze Jahr beibehalten. Aber ich sehe in China mittlerweile das kleinste Übel. Die Frage ist, wann Europa wieder auf die Beine kommt und wie die Nachbarländer von China durchhalten, die ja alle abhängig sind von der chinesischen Industrie.
Was ist Ihre Hoffnung?
Dass Regionalität wieder eine größere Rolle spielt und ein vernünftiger Konsum. Wenn jetzt alle zuhause sitzen, werden sie hoffentlich sehen, was sie alles nicht brauchen und erkennen, dass Lebensqualität nicht vom Shoppen abhängt. Ich glaube es zwar nicht, aber ich würde es mir wünschen. Ich hoffe, es gibt ein Umdenken. Klar ist das für einen Textilhersteller schmerzhaft, aber es wäre eine längst notwendige Entwicklung.
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