Retail/23.12.2016

Gender Marketing: Wieso Frauen auch im Internet anders shoppen als Männer

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Witze über das unterschiedliche Verhalten von Männern und Frauen stehen bei Comedy-Sendungen hoch im Kurs. Viel komischer ist es allerdings, warum viele Onlineshops noch nicht auf die Differenzen zwischen den Geschlechtern reagiert haben.

Ist die Produktauswahl übersichtlich, geschieht der Einkauf zügiger.
Ist die Produktauswahl übersichtlich, geschieht der Einkauf zügiger.

Frauen lieben das Shoppen und sehen darin eine Freizeitsbeschäftigung. Sie lassen sich von Angeboten zu Spontankäufen hinreißen. Männer sind vor allem Bedarfskäufer, die mit klarem „Jagdziel“ auf die Suche gehen und dabei so wenig Zeit verlieren wollen wie möglich. Wirklich?

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Das Klischee stimmt, neueste Studien bestätigen es. So zeigt eine aktuelle GfK-Studie, dass sich die Frauen auch fürs Online-Shopping mehr Zeit nehmen. „Der Prozess der Kaufentscheidung bei Frauen ist länger und hat auch mehrere Etappen“, erklärt Diana Veerstege, die sich mit ihrer Agentur Shecommerce auf das unterschiedliche Einkaufsverhalten von Männern und Frauen im E-Commerce spezialisiert hat.

„Das ganze ‚Drumherum’ nimmt bei Frauen eine entscheidende Rolle ein, noch bevor sie den Kaufen-Button klickt“, sagt sie. Wollte man das Verhalten beider Geschlechter grafisch darstellen, wäre es beim Mann linear, bei der Frau hingegen verläuft es in Schleifen.

Der Einkaufsprozess unterscheidet sich wesentlich zwischen Männern und Frauen.
Der Einkaufsprozess unterscheidet sich wesentlich zwischen Männern und Frauen.
Bildcredit:
Diana Veestege

Inspiration statt reine Produktinformation

Was ist gemeint mit dem „Drumherum"? „Frauen schätzen es, wenn sie inspiriert werden, wenn sie stöbern können“, so Versteege weiter. Das Layout eines Shops sollte deshalb emotional gestaltet sein und weniger rational. 

Zum Beispiel reichen Freisteller als Produktbilder kaum aus. Frauen wollen die Kleidung an Models sehen, am besten 360° und womöglich noch als Video, um sich eine bessere Vorstellung davon machen zu können.

Sie brauchen mehr Aufmerksamkeit, mehr persönliche Ansprache, mehr Erlebniswelten als Entscheidungskriterium für einen Produktkauf. Reviews, Kundenmeinungen und Empfehlungen sind viel wichtiger als bei Männern.

Frauen lassen sich von anderen Social-Media-Nutzerinnen inspirieren.
Frauen lassen sich von anderen Social-Media-Nutzerinnen inspirieren.
Bildcredit:
ECC Köln 2016

Auch die sozialen Medien haben einen festen Platz als Inspirationsquelle – als konkrete Kaufauslöser werden sie immer wichtiger. Allen voran Facebook, Blogs und Instagram. „Der Einfluss von Fashion-Bloggerinnen oder reichweitenstarken Instagram-Accounts wird immer größer. Diese sind schon heute ein wichtiger Kontaktpunkt in der Customer Journey der weiblichen Kunden“, sagt Kai Hudetz, Geschäftsführer des IFH Köln.

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Frauen shoppen mobil auf der Couch

Dazu passt, dass Frauen gerne in entspannter Atmosphäre zuhause auf der Couch mit ihrem Smartphone shoppen. Das belegt eine neue Studie von ECC Köln und HSE24.

Mehr als drei Viertel der Befragten tätigten demnach ihre Fashion-Einkäufe von zu Hause aus und zwar besonders gerne dann, wenn das TV-Gerät läuft: Etwa 54 Prozent der Befragten gaben an, dass sie gerne während des Fernsehens mit dem Smartphone nach einem Modeartikel suchen. Klar, dass sich Frau in dieser Umgebung weniger von Fakten als von Emotionen leiten lässt.


Männer brauchen Beratung – Frauen aber auch

Anders Männer. Sie lieben es, auf Daten, Zahlen und Fakten zurückgreifen zu können, um schnell entscheiden zu können. Die GFK-Studie belegt jedoch, dass Männer angesichts der Warenflut im Internet leicht überfordert sind. Das ist ein Grund dafür, weshalb sie besonders für Angebote wie Curated Shopping (persönliche Stilberatung, Anm.d.Red.) empfänglich sind.

Fashion-Beratung in Echtzeit über einen Messenger ist in einigen Online-Shops bereits Praxis. Jedoch empfinden nur 28 Prozent der Fashion-Shopperinnen diesen Service als hilfreich, so die ECC-Studie. Doch auch bei Frauen ist die Begeisterung für eine große Auswahl nicht grenzenlos. Inspiration bedeutet eben nicht Produktsuche.

Das Kaufverhalten von Mann und Frau könnte unterschiedlicher nicht sein.
Das Kaufverhalten von Mann und Frau könnte unterschiedlicher nicht sein.
Bildcredit:
Thinkstock

Diana Versteege: „Ich kenne keine Frau, die vor Glück schreit, wenn sie sich durch 2864 Kleider durchklicken muss.“ Nicht umsonst hat Zalando sein Curated Shopping Tool „Zalon“ sowohl für Männer als auch Frauen eingeführt und versucht, im Bereich Beratung immer mehr anbieten zu können. „Vor allem für festliche Anlässe wird das Tool gern von Frauen genutzt“, teilt Zalando mit. Ergo: Wer für die Warenflut Lösungen anbietet, unterscheidet sich von der Konkurrenz.

Frauen lieben Fashion – Männer Elektrogeräte

Und wofür interessieren sich Frauen und Männer? Da gibt es kaum Überraschungen. Frauen kaufen vermehrt in Online-Fashion-Shops, wohingegen das Kind im Manne sich dem Elektrospielzeug zuwendet.

Immerhin stehen die Elektroartikel aber schon auf Platz zwei bei den Frauen. Zumindest laut einer Studie, die gerade von dem amerikanischen Unternehmen Optimizely – einer Plattform zur Usability-Optimierung von Webseiten und Mobile Apps – durchgeführt wurde. Männer kaufen demnach geringfügig öfter online ein als Frauen und sind im höheren Preissegment aktiv.

Weitere Erkenntnis der Studie: Frauen stören sich eher an hohen Lieferkosten als Männer. Für fast die Hälfte der Befragten sind sie ein Grund, ins Kaufhaus zu gehen. 

Und noch etwas ist keine Überraschung: Der E-Commerce ist eine Männerwelt. Das heißt, dass diejenigen, die Shops konzipieren und in den Entscheidungsgremien sitzen, vorwiegend Männer sind. Kein Wunder also, dass viele Shops noch sehr technisch aufgebaut sind und der reine Produktverkauf im Vordergrund steht.

Männliche und weibliche Rollen ändern sich

Aber Vorsicht: So klar sich die Unterschiede darstellen, so differenziert sollten sie verstanden werden. Das Einkaufsverhalten der Verbraucher ist mittlerweile so facettenreich wie nie zuvor. Letztlich kommt es vor allem darauf an, die eigene Zielgruppe zu kennen und daraus Rückschlüsse zu ziehen.

Wer die aktuelle Mode genauer betrachtet, wird feststellen, dass vor allem die junge Käuferschaft nicht mehr uneingeschränkt die alten Klischees bestätigt. Was männlich und was weiblich ist, darüber herrscht in der Generation Z längst keine feste Vorstellung mehr.

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Entsprechend bietet zum Beispiel Facebook mehr als 50 Geschlechtsoptionen an, aus denen ein User wählen kann. Modelabels arbeiten immer öfter mit Transgender Models und präsentieren ihre Laufstege als gemeinsame Events für Männer- und Frauenmode. Das war bislang undenkbar. Aktuell spricht vieles dafür, dass sich die beiden Geschlechter irgendwo in der Mitte treffen werden – die Männer werden „weiblicher“ und die Frauen „männlicher“. 




Dr. Regina Henkel Autor: Regina Henkel