Vor ein paar Jahren wurde Axel Forelle mit seiner Ski-Manufaktur „Build 2 Ride“ von den Branchengrößen noch müde belächelt. „Sie haben gesagt: Vergiss es, du gehst sowieso wieder unter. Mittlerweile haben wir Zahlen erreicht, die sie interessieren. Wir wachsen mit der Produktion von individuellen Ski jedes Jahr zweistellig – mal sind es 25 Prozent, mal weniger“, berichtet der Geschäftsführer des in Farchant ansässigen Unternehmens im Gespräch mit ISPO.com.
Seine provokante These: Firmen wie seine, die den Kunden individualisierte Produkte anbieten, werden in Zukunft nicht mehr ein Nischen-Phänomen sein, sondern die Zukunft der Ski-Industrie mitbestimmen. Custom Made zählt dabei künftig dazu.
Auch die Salzburger von ORIGINAL+ setzen auf Individualisierung. Ihre Skimodelle für Pisten- oder All-Mountain-Skifahrer können mit Hilfe einer eigenen Software auf der Basis künstlicher Intelligenz konfiguriert werden. Durch die Interpretation biometrischer Daten und zusätzlicher Angaben wie Fahrstil und Geländevorlieben, errechnet die Software einen funktional angepassten Ski.
Der Kunde erhält ein individuelles Paar Ski mit individuellem Längsflex, Torsionsflex und Tuning. Das überzeugte auch die Jury des ISPO Award 2018 - bei dem ORIGINAL+ für seine individuellen Ski als Gold Winner ausgezeichnet wurde.
Tatsächlich ist das Thema Individualisierung natürlich auch bei den großen Marken angekommen. Viele Skischuhe – wie das Vakuum-Modell von Fischer – können im Geschäft schon speziell an den Fuß des Kunden angepasst werden. Möglich ist das auch über das Bootfitting-System „MyFit“ von Dalbello.
Die Dalbello-/Marker-/Völkl-Gruppe setzt laut Jonathan Wiant,Leiter Vertrieb, Marketing und Produktentwicklung, auf „die starke Ausdifferenzierung der einzelnen Segmente und die große Vielzahl an Produkten, um die optimale Lösung für jeden einzelnen Sportler zu finden.“
Fischer zum Beispiel bietet die Möglichkeit, die Ski nach dem Kauf mit einem individuellen Aufdruck zu versehen. „Keine Frage, die Individualisierung kommt und wird immer wichtiger. Die Ski-Industrie muss umdenken“, weiß Christian Heise, Produktmanager Boots bei Fischer. In der Forschungs- und Entwicklungsabteilung des Unternehmens wird längst getüftelt, wie die große Marke auch kleinere Mengen von Produkten effizient herstellen kann.
„Vor der Individualisierung steht jedoch die Simplifizierung. Wir waren in den letzten Jahren immer auf der Suche nach neuen Storys für Ski und Schuhe, viele Kunden kennen sich gar nicht mehr aus. Wir müssen das Portfolio übersichtlicher gestalten“, sagt Heise.
Genau das ist auch die Beobachtung von Axel Forelle. Die Vielzahl der auf dem Markt verfügbaren Produkte verwirrt viele Endkunden, die in einer immer schnelllebigeren Zeit gar nicht mehr die Geduld für die immer aufwändigere Recherche haben. „Der herkömmliche Ski ist doch prinzipiell zu Ende entwickelt“, sagt Forelle: „Die meisten Kunden wollen heutzutage einfach einen gut funktionierenden Ski, der dazu passt, wo sie unterwegs sind: Also zum Beispiel auf der Piste, im Tiefschnee oder auf Skitouren. Und dazu eben ein individuelles Design.“
Die Zeiten, in denen man mit seinen Brettern um jeden Preis auffallen wollte, sind dabei vorbei. Theoretisch ist zwar weiterhin alles möglich – Forelles Firma hat schon Ski mit Schlangenhaut, Solarpanels, Spoiler oder für 6500 Euro auch welche mit dem Abbild eines Kunstwerks gebaut.
Aber den meisten Skifahrern geht es vor allem um einen stimmigen Auftritt. „Die Bindung soll zum Beispiel farblich zum Beispiel zum Helm passen, die Farben der Seitenkanten zum Skianzug. Es geht sozusagen darum, ein Gesamtkunstwerk auf der Piste zu sein.“ Besonders beliebt als Ski-Design sind Holzfurniere. Familien-Fotos oder Firmenlogos auf dem Ski werden dagegen eher seltener.
Jedes Jahr bauen inzwischen etwa 500 Menschen ihre Ski in speziellen Kursen in der Werkstatt des Unternehmens selbst, man kann sich über einen Konfigurator aber sein Wunschmodell auch einfach zusammenstellen und bauen lassen. Der Durchschnittspreis für den individuellen Ski beträgt etwa 1000 Euro.
Der vergleichsweise hohe Preis ist genau der Punkt, warum individualisierte Produkte derzeit noch ein Nischen-Phänomen sind. „Derzeit ist das noch etwas für das Premium-Segment. Ein 3D-gedruckter Skischuh mit Innenschuh kostet auch etwa 1200 Euro. Es wird noch eine Zeit dauern, bis so etwas erschwinglicher geworden ist“, sagt Heise.
„Für den alpinen Skilauf gibt es bereits einige kleine Anbieter, aber für die großen Produzenten ist es schwierig dies in den auf hohe Stückzahlen ausgelegten Produktionsabläufen umzusetzen“, erklärt Katharina Sandner als Kommunikations-Managerin für Ski-Bindungen bei Tyrolia.
Entscheidend, so Dynafit-Geschäftsführer Benedikt Böhm, sei am Ende der Mehrwert für den Kunden: „Bei solchen Megatrends wie Individualisierung muss man auch aufpassen. Wir müssen genau überlegen, ob es dem Verbraucher wirklich was bringt.“ Beim Thema individuellere Produkte könne auch die Zusammenarbeit in der Ski-Industrie helfen: Dynafit lässt zum Beispiel seinen Highend „Carbonio Tourenschuh“ von den Skibergsteig-Experten Pierre Gignoux herstellen.
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