18.04.2016

Athleisure: „Ein Trend, der zum Lifestyle wurde“

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Was heute problemlos akzeptiert wird, wäre noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen: Leggings im Büro, Jeans aus weichem Sweatshirtstoff und ein Runningoutfit für mehr als 1.000 Euro. All das hätte es ohne den Athleisure-Trend nicht gegeben. Was steckt also dahinter? ISPO.com erklärt das Style-Phänomen.

Die Stars machen Athleisure hip: Sängerin Beyoncé wirbt für ihre Modelinie Ivy Park, die sie mit Topshop entworfen hat.
Die Stars machen Athleisure hip: Sängerin Beyoncé wirbt für ihre Modelinie Ivy Park, die sie mit Topshop entworfen hat.

Das Wort Athleisure setzt sich zusammen aus den Begriffen „Athletics“ und „Leisure“. Kombiniert bedeutet dies eine Art von Kleidung, die für den Sport entwickelt wurde, aber im Alltag oder in der Freizeit getragen wird. Athleisure ist kurz gesagt: Sportkleidung für nicht-sportliche Aktivitäten. Seinen Ursprung hatte dieser Trend in den USA. Dort entwickelte sich mit dem Yoga-Boom der 90er Jahre ein neuer Markt für eine designorientierte Activewear für Frauen. Dieser jungen weiblichen Zielgruppe ging es nicht um sportliche Leistung im herkömmlichen Sinne. Auch nicht darum, ein paar Pfunde zu verlieren, um in ein bestimmtes Kleid zu passen. Fitness zog sich durch ihren gesamten Alltag, durch das ganze Leben.

Die Yogapant erobert die Mode

Die sportliche Kleidung wurde deshalb bald nicht nur im Studio getragen, sondern überall. Leggings, die dunkle Erinnerung aus den 80er Jahren, die viele für die größte Modesünde der Neuzeit hielten, eroberten plötzlich als Yogapant einen neuen Platz am Modehimmel. Ihr Geheimnis: Sie waren bequem, praktisch und unkompliziert zu kombinieren. Sie passten zu dem aktiven Lebensstil ihrer Trägerinnen, die nicht mehr unterscheiden wollten zwischen funktioneller Activewear und ihrer Alltagskleidung.

Hochfunktionelle Materialien kamen in den Yogakollektionen zum Einsatz, aber die technische Ausstattung war nie Selbstzweck wie bei den meisten traditionellen Sportmarken zur damaligen Zeit. Was zählte, waren allein Design und Komfort, der sich selbstverständlich nicht ohne Funktion erreichen lässt.

 

Die Luxus-Outfits von Monreal London werden wie auf einer Modenschau präsentiert: Die Klamotten kosten auch mal 400 Euro.
Die Luxus-Outfits von Monreal London werden wie auf einer Modenschau präsentiert: Die Klamotten kosten auch mal 400 Euro.
Bildcredit:
Monreal London

Athleisure ist ein Lifestyle

Marken wie Lululemon aus Kanada haben das Potential von Athleisure früh erkannt und verdanken dem Trend ihren kometenhaften Aufstieg. 1998 gegründet, betrieb das Unternehmen aus Vancouver nie aufwendige Marketingkampagnen, und dennoch erwirtschaftete es 2015 einen Umsatz von 2,1 Milliarden US-Dollar – mit zweistelligen Wachstumsraten Jahr für Jahr. Über 360 eigene Läden gibt es mittlerweile weltweit.

„Casual und Athleisure haben sich verselbstständigt“, so erklärte Marshal Cohen, Chef-Industrie-Analyst vom amerikanischen Marktforschungsunternehmen The NPD Group das Phänomen. „Das ist nicht länger nur ein Trend – er ist zu einem Lebensstil geworden, der zu bequem ist für die Verbraucher jeden Alters, um ihn in absehbarer Zeit wieder aufzugeben.“ Während die Umsatzzuwächse bei den Sportmode-Anbietern stiegen, stagnierte der Modemarkt. Marken wie Levis mussten feststellen, dass ihre Kundinnen lieber Leggings kauften als eine neue Jeans.

 

Sportkollektionen werden zum Umsatzmotor

Der Erfolg von Athleisure versetzte die ganze Mode- und Sportbranche in Aufruhr: Immer mehr Marken tauchten auf, die ebenfalls ein Stück vom unerwartet großen Kuchen abhaben wollten. Neben den großen Sportbrands wie Nike, Adidas (mit Stella McCartney) und Under Armour sprangen auch Modeanbieter wie Gap, H&M, Zara, Desigual und Only auf den Zug auf und entwickelten eigene Sport-Kollektionen. 

Jüngstes Beispiel ist die Sportkollektion Ivy Park, die Topshop zusammen mit Beyoncé im April gelauncht hat. Vor allem aber waren es die kleinen designorientierten Brands und Shops, die viel frischen Wind in die Sportbranche gebracht haben. Labels wie Outdoor Voices, Alala, Under the same sun, Lole, Aday, The Upside oder Fabletics, das von der amerikanischen Schauspielerin Kate Hudson mitgegründet wurde, bieten hochfunktionelle Kollektionen, die nicht mit Anstrengung und Schweiß werben, sondern mit modischen Farben und Prints, liebevollen Details und ganz neuen Silhouetten.

Spezialisierte Onlinehändler wie Carbon38.com und Bandier.com entstanden, während Modehändler Sport als Kategorie ins Sortiment aufnahmen. Eine neue Luxus-Kategorie etablierte sich, die es bis dahin nur im Skisport wirklich gab: „Athluxe“. Marken wie Lucas Hugh, Monreal London oder Ultracor können für ihre Leggings oder Tops auch mal 400 Euro verlangen.

 

Gehören Leggings nur zum Sport? Der Athleisure-Trend beweist, dass die engen Hosen aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken sind.
Gehören Leggings nur zum Sport? Der Athleisure-Trend beweist, dass die engen Hosen aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken sind.
Bildcredit:
Lululemon

Ohne Komfort geht nichts mehr

Inzwischen beschränkt sich Athleisure nicht allein auf Yogakollektionen oder die weibliche Zielgruppe. Sportarten wie Running, Tennis und Outdoor haben den Athleisure-Trend längst zu einem sportübergreifenden Phänomen weiter entwickelt. Auch bei den Männern hat das Thema viel Zuspruch gefunden, sie gelten als neuer Wachstumsmotor.

Doch Athleisure hat weit mehr geschafft als das. Komfort ist zum obersten Gebot auch in der Mode geworden, was den Einsatz von Funktionsfasern ankurbelte. Stretchmaterialien sind heute allgegenwärtig, von der Jeans bis zum Anzug. Selbst weiche Jerseys sind nicht länger Tabu für Sakkos und Businesshosen. Denim-Anbieter übertreffen sich darin, weiche anschmiegsame Stoffe zu entwickeln, die Denim täuschend ähnlich sehen und sich so angenehm tragen wie Joggingpants. Unternehmen lockern ihren Dresscode am Casual Friday, Angestellte dürfen jetzt auch in Sportkleidung zur Arbeit kommen.

 

 

Der Begriff Athleisure verschwimmt

Die überschwängliche Nutzung des Begriffs Athleisure hat aber auch dazu geführt, dass sich einige wieder davon distanzieren möchten. Beispielsweise Lululemon. „Athleisure ist ein Begriff, den wir bei Lululemon nicht benutzen”, erklärt Jill Batie von Lululemon. Stattdessen will sie die Brand als „designorientierte Sportmarke” verstanden wissen. Der ungebremste Einzug der Sportmode in den Alltag hat die Grenzen verschwimmen lassen zwischen denjenigen, die den sportlichen Look tragen weil sie sportlich sind und den anderen, die mit dem Look lediglich einem Modetrend folgen. Während Athleisure früher als Dresscode einer sportlich aktiven Frau lesbar war, ist diese klare Aussage mit der zunehmenden Anzahl von Nachahmerinnen und Fashion Victims allmählich verloren gegangen.



Dr. Regina Henkel Autor: Regina Henkel