Wasserdichte Jacken sind der Inbegriff der Outdoorbekleidung. Erst als Bob Gore 1969 die Möglichkeiten von gestrecktem PTFE zur Herstellung atmungsaktiver und wasserdichter Membranen entdeckte und damit den Grundstein für Gore-Tex legte, entwickelten sich das Segment Outdoor-Bekleidung und der Handel zu einem riesigen internationalen Wachstumsmarkt. Inzwischen gibt es zahlreiche weitere technische Lösungen und Anbieter, die Bekleidung wasserdicht und atmungsaktiv machen. Doch so unverzichtbar wasserdichte Jacken heute im Outdoormarkt sind, so problematisch sind sie für die Umwelt.
Wasserdichte Outdoorjacken bestehen fast ausschließlich aus erdölbasierten Oberstoffen (beispielsweise aus Polyester), die mit einer erdölbasierten Membran laminiert sind. Im Falle von Gore-Tex zum Beispiel mit einer Membran aus PTFE oder der neuen ePE-Membran aus Polyethylen. Einmal miteinander verbunden, lassen sich Oberstoff und Membran nicht wieder voneinander trennen, was das Recycling erheblich erschwert. „Gore-Tex-Laminate werden noch nicht recycelt“, sagt auch Hannu Haslach aus dem Gore Fabric Marketing Team. Und so lange das Recycling noch nicht zur Verfügung steht, landen diese Jacken am Ende ihres Lebens entweder in der Müllverbrennung oder auf der Deponie, wo sie sich erst nach Jahrhunderten zersetzen. Bedenkt man, wie viele dieser Jacken jedes Jahr neu auf den Markt kommen, sammelt sich da eine ganze Menge Müll für die Zukunft an.
Zudem benötigen wasserdichte Jacken eine wasserabweisende Ausrüstung der Oberstoffe, auch DWR (Durable Water Repellency) genannt, damit sich der Stoff nicht vollsaugt und so die Atmungsaktivität beeinträchtigt. Noch bis vor wenigen Jahren bestanden fast 100 Prozent dieser DWRs aus Polyfluorcarbon, besser bekannt als PFC oder PFAS. Diese Abkürzung steht für eine Gruppe von Chemikalien, die zumindest im Verdacht steht, gesundheits- und umweltschädlich zu sein, weshalb Greenpeace seit Jahren gegen sie kämpft und die EU über ein Verbot nachdenkt. Es hat lange gedauert, eine gleichwertige und umweltfreundliche Alternative zu PFC finden – und so ganz gelungen ist sie bis heute nicht. In der Berufs- und Schutzbekleidung werden PFCs daher noch immer verwendet. Doch die gute Nachricht ist: Die Outdoorindustrie hat sie inzwischen weitgehend aus ihren Produkten verbannt.
Wenn es noch keine Recyclinglösungen gibt und auch keine schnellen Fortschritte bei der Entwicklung nachhaltigerer Materialien zu erwarten sind, wie könnte dann eine Lösung aussehen, die eine wasserdichte Jacke nachhaltiger macht? Wie kann der ökologische Fußabdruck einer solchen Hightech-Jacke reduziert werden? W.L. Gore hat in einer Lebenszyklusanalyse herausgefunden, dass 65 Prozent des CO₂-Fußabdrucks auf die Produktion entfallen, etwa 34 Prozent auf die Nutzungsphase und ein Prozent auf das Ende der Lebensdauer. Materialien und Produktionsstätten klimafreundlicher auszurichten, hat also einen großen Effekt. „Aber die Industrie produziert immer mehr Produkte, oft mit immer weniger Qualität, die von den Verbraucher*innen immer kürzer genutzt werden“, sagt Marie Mawe, Director Sustainability Engagement der Gore-Tex Fabrics Division. „Dadurch erhöhen sich Umweltverschmutzung und Abfall ganz automatisch. Auch wenn der ökologische Fußabdruck unserer Kleidung während der Produktion Schritt für Schritt besser wird, dann wird die schiere Menge an neuen Produkten diesen positiven Effekt wieder überholen.“ Am effektivsten wäre es daher, dass weniger Kleidungsstücke produziert werden und die Nutzungsdauer der Produkte verlängert wird.
Nicht nur die EU fordert in ihrer Ecodesign for Sustainable Products Regulation (ESPR) eine längere Haltbarkeit von Bekleidung, auch immer mehr Outdoor Brands entwickeln Strategien, wie ihre Produkte länger genutzt werden können. Das fängt bei „Design for Durability“ an und umfasst nicht nur die Produktqualität und die verwendeten Materialien, sondern auch das Mitliefern von detaillierten Pflegeanleitungen, die Gewährleistung von Reparaturfähigkeit und Reparatur-Services bis hin zum Verkauf von Secondhand-Produkten.
Vor allem im Bereich der Produktpflege liegt bei wasserdichten Jacken noch manches im Argen. „Manche Leute glauben, dass eine Gore-Tex-Jacke nicht gewaschen werden darf, aber das Gegenteil ist der Fall“, sagt Sander Effring, Account Marketing Specialist bei W. L. Gore. Damit die volle Funktionalität lange erhalten bleibt, müssen die Jacken regelmäßig gewaschen und von Schmutz, Schweiß, Sonnencreme etc. befreit werden. Dabei wäscht sich mit der Zeit auch die DWR raus, die durch Wärme (im Trockner oder mit dem Bügeleisen) reaktiviert oder durch Nachimprägnieren aufgefrischt werden muss. „Die Pflege wird für alle immer wichtiger“, sagt Hannu Haslach und weist dabei auch auf die neuen DWRs hin. „So ein starkes Treatment, wie wir es mit den PFC-DWRs hatten, gibt es nicht mehr. Neue DWRs sind anfälliger für Schweiß und Fette, deshalb sind sie auch im Bereich Schutzkleidung noch keine Alternative.“ Es wird daher immer wichtiger, eine wasserdichte Jacke korrekt zu pflegen, damit sie möglichst lange ihre Funktion behält und genutzt wird. Das gilt nicht nur für wasserdichte Jacken, sondern auch für Softshells und wasserabweisende Textilien ohne Membran. Sie alle benötigen künftig mehr Pflegeaufwand, um länger zu halten.
Bei Gore gehören Fragen zur Pflege von Gore-Tex-Produkten seit Jahrzehnten zu den drei häufigsten Fragen, die Kund*innen in der internationalen Service-Hotline stellen. Auch Videos mit Pflegeanleitungen erreichen auf der Website und in den sozialen Medien regelmäßig hohe Klickzahlen. Das gilt auch für Markenpartner und Händler, die sich dem Thema jetzt stärker zuwenden. „Dieses Wissen müssen Gore, aber auch Handel und Industrie an die Konsument*innen weitergeben“, sagt Haslach. Deshalb ist die richtige Pflege schon lange Bestandteil von Schulungen für Verkaufspersonal im Handel und für Markenpartner.
Mit dem Start der „Gore-Tex Gear Tour“ hat Gore sein Engagement vor zwei Jahren nochmals verstärkt: Hierbei tourt Gore durch Europa und kooperiert mit Händlern, um vor Ort Konsument*innen über die Pflege von Gore-Tex-Produkten aufzuklären und Produkte zu reparieren. Außerdem hat das Unternehmen Kooperationen für die Reparatur von Gore-Tex-Produkten aufgebaut und 35 offiziell zertifizierte Gore-Tex-Reparaturzentren eingerichtet. Wird die Reparatur dort durchgeführt, bleibt das Versprechen “Guaranteed To Keep You Dry” bestehen.
Der Vorsatz, langlebigere und haltbarere Produkte auf den Markt zu bringen, damit weniger neu gekauft werden muss, ist nachvollziehbar und richtig. Schwieriger ist es, eine Definition dafür zu finden, was Haltbarkeit eigentlich genau bedeutet, damit dieser Begriff beispielsweise in der künftigen europäischen Gesetzgebung mit Leben gefüllt werden kann. Derzeit gibt es keine Methode, um die Haltbarkeit von Produkten zu messen, obwohl sie der Schlüssel zu einer nachhaltigeren Industrie ist. Im Frühjahr 2023 initiierte die Mittuniversitetet in Schweden ein globales Forschungsprojekt mit dem Ziel, eine gemeinsame Industriestandardmessung zu schaffen, die die Produktfunktion und -leistung berücksichtigt.
„Wir verstehen sehr gut, wenn ein Produkt in der Frühphase der Nutzung versagt, weil dann der Garantiefall eintritt und das Produkt reklamiert wird. Dann bekommen die Hersteller das Produkt zurück und können daraus Rückschlüsse für Verbesserungen ziehen. Aber wir wissen nur sehr wenig darüber, welche Kriterien bei den Konsument*innen nach vielen Jahren dazu führen, ein Produkt wegzuwerfen“, sagten Dr. Judith Waller, Louisa Nilsson und Isabell Vorne vom Sports Tech Research Centre der Mittuniversitetet in ihrem Vortrag auf der letzten OutDoor (3. - 5. Juni 2024 in München).
Anhand von 318 ausrangierten wasserdichten Jacken unterschiedlicher Hersteller, die Konsument*innen den Forschenden überlassen haben, will das Team bestimmen, welche funktionalen Aspekte die Nutzer*innen als Ursache für das Ende der Lebensdauer ansehen und diese damit abgleichen, welche Defekte die Kleidung tatsächlich hatte. Denn nicht nur objektive, rein funktionale Kriterien bestimmen die Nutzungsdauer. Genauso wichtig sind subjektive, emotionale Aspekte wie z.B. Ästhetik, Markenidentität oder Komfort. Ziel ist die Entwicklung eines Testprotokolls zur Messung der Haltbarkeit von Jacken, das die tatsächliche Nutzung widerspiegelt.
Erst 2026 soll die Forschungsarbeit abgeschlossen werden. Die Auswertung der Jacken zeigt jedoch, dass der Zustand der eingeschickten Jacken sehr unterschiedlich war, wobei sich beispielsweise 2,5-Lagen-Jacken in einem besonders schlechten Zustand befanden. Generell zeigten die Bereiche Nacken, Kapuze und Front die meisten Defekte und Abnutzungserscheinungen. Daraus könnte die Industrie ganz konkret Verbesserungsmöglichkeiten ableiten. Aber auch hier bleibt die Produktpflege ein zentraler Hebel und die Mithilfe der Konsument*innen unerlässlich. „Die Frage, die sich aus unseren bisherigen Ergebnissen schon jetzt herauskristallisiert, ist, ob man die Verschlechterung des Produkts durch die Vermeidung von Pflegefehlern und durch eine bessere Pflege verhindern könnte. Es wäre ja gut, wenn man die Anzahl dieser Fehler reduzieren könnte“, sagt Judith Waller. Sie will daher auch herausfinden, ab welchem Zeitpunkt man eingreifen müsste, um durch eine richtige Pflege die Haltbarkeit zu verbessern.
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