Im Winter 2014 verblüfften die beiden Outdoor-Hersteller auf der ISPO Munich mit ihrem gemeinsamen JetForce-Technologie und räumten einen ISPO AWARD ab. Sicherheit für Freerider ganz ohne Gaskartuschen – das versprechen Black Diamond und Pieps mit dem Lawinenrucksack.
Ryan Guess, der als Ski Category Director bei Black Diamond intensiv in den Entwicklungsprozess des JetForce-Airbagsystems involviert war, erklärt im Interview mit ISPO.com die Vorteile des elektronischen Airbagsystems und tritt Skeptikern entgegen.
Ryan Guess: „Wir suchten einen neuen Ansatz“
ISPO.com: Was gab den Anstoß für Black Diamond und Pieps, mit JetForce ein eigenes Airbagsystem zu entwickeln?
Ryan Guess: Beide Marken, Pieps und Black Diamond, sind im Wintersport etablierte Brands für Sicherheitsprodukte. Da lag es nahe, dass wir einen eigenen Rucksack mit Lawinenairbag entwickeln. Seit über 23 Jahren dominieren Systeme, bei denen der Airbag durch Gaskartuschen gefüllt wird. Wir suchten nach einem neuen Ansatz.
Durch unsere Partnerschaft mit Pieps nahm die Entwicklung dann Fahrt auf, und die ersten Tests belegten, dass das Airbagsystem mit Düsengebläse eine echte Option ist. So kamen wir unserem Ziel, einen zuverlässigen und nachhaltigeren Airbag-Rucksack für Freerider zu entwickeln, Schritt für Schritt näher.
Wie lange hat die Entwicklungsarbeit bis zur Serienreife gedauert?
Die Entwicklung begann im Jahr 2010, und im Winter 2014/2015 waren die ersten Produkte im Handel. Wir haben insgesamt drei Jahre entwickelt und ein Jahr auf Produktion und Marketing verwendet.
Gab es im Entwicklungsprozess auch Rückschläge?
Das ganze Projekt war eine große Herausforderung, denn es galt, eine komplett neue Technologie zu entwickeln. Unser Produkt unterscheidet sich erheblich von den bisherigen Airbag-Rucksäcken. Die CE-Zertifizierung war sicher eine der größten Hürden. Hierfür mussten wir die gängigen Standards komplett neu definieren und mit Parametern für Airbagsysteme mit Düsengebläse ergänzen.
Der JetForce-Rucksack wurde auf der ISPO MUNICH 2014 mit dem ISPO Award ausgezeichnet und war im vergangenen Winter zum ersten Mal im Handel. Wie wurde das Produkt angenommen?
Wir sind zufrieden und haben etwa 15.000 JetForce-Rucksäcke auf dem Markt. In zahlreichen Fällen hat der Rucksack bei Lawinenabgängen bereits Leben gerettet. Das System hat somit gezeigt, dass es zuverlässig und sicher funktioniert.
Skeptiker sehen im elektrischen Gebläse eine mögliche Fehlerquelle und fürchten, dass die Auslösung bei Kälte nicht zuverlässig funktioniert. Wie können Sie diese Bedenken ausräumen?
Skeptiker wird es immer geben. Die Leute sollten wissen, dass wir das System sehr umfangreich in verschiedenen Situationen getestet haben. Sowohl mit Dummys in realen Lawinensituationen als auch im Labor und in Kühlkammern mit bis zu -30°C. Erst als alle Tests problemlos durchlaufen waren, haben wir den Verkauf gestartet. Wer Zweifel hat, sollte sich zudem einmal ansehen, welche hohen Anforderungen notwendig sind, um eine CE-Zertifizierung zu erhalten.
Dennoch gab es im Juni 2015 eine Rückruf-Aktion der Jetforce-Rucksäcke. Was hatte es damit auf sich?
Bei einigen Modellen aus der ersten Serie kam es durch einen Systemfehler zu unfreiwilliger Abschaltung des Gebläses oder fehlerhaftem Auslösen. Diese Fehlfunktion kann über ein Firmware Update in einem unserer Service-Center gelöst werden. Betroffen waren nur Rucksäcke mit den Seriennummer 4275 bis 5077 die zwischen dem 15. November 2014 und dem 7. Juli 2015 verkauft wurden. Durch die Rückruf-Aktion haben wir mittlerweile das Software-Update bei nahezu allen betroffenen Rucksäcken eingespielt.
Aber sind Systeme ohne elektrische Bauteile nicht grundsätzlich weniger störanfällig?
Das würde ich nicht sagen, denn auch die Rucksäcke, die mit Gaskartuschen arbeiten, sind nicht frei von Fehlern. Zum Beispiel lösten Airbags nicht aus, weil die Kartusche nicht richtig angeschlossen war oder der Airbag falsch zusammengefaltet wurde.
Unser System führt vor jedem Einsatz einen Selbsttest durch und signalisiert so dem Benutzer durch ein grünes oder rotes Licht, ob alles in Ordnung ist oder nicht. Dabei werden das Gebläse, der Ladezustand des Akkus und die elektronische Steuerung überprüft. Systeme mit Gaskartuschen können dem Benutzer nicht signalisieren, ob alles voll funktionsfähig ist.
Gibt es weitere Unterschiede zu einem herkömmlichen Airbag-Rucksack, der mit Gaskartuschen arbeitet?
Neben dem Selbsttest ist das mehrfache Auslösen zu Übungszwecken ein großer Vorteil. So kann sich der Benutzer mit dem System wirklich vertraut machen. Mit einem vollen Akku sind bis zu vier Auslösungen möglich. Das ist beim Freeriden eine zusätzliche Sicherheitsreserve. Selbst wenn der Airbag schon ein Mal ausgelöst wurde, bleibt das System funktionsfähig.
Zudem leert das System den Airbag nach drei Minuten eigenständig. Dies sorgt bei einer möglichen Vollverschüttung für eine überlebenswichtige Atemhöhle. Auch die Mitnahme des Airbag-Rucksacks beim Reisen mit dem Flugzeug ist durch die fehlende Gaskartusche kein Problem. Und das Aufladen des Akkus ist an jeder Steckdose möglich, während ich eine leere Gaskartusche beim Händler austauschen muss.
Hat die Auszeichnung der ISPO Award Jury Ihnen in Sachen Produktakzeptanz geholfen?
Es ist immer etwas Besonderes, wenn man von Fachleuten, die die Funktionsweise des Produkts und sein Potential erkennen, eine Auszeichnung erhält. Die ISPO Munich ist weltweit die größte Fachmesse für Wintersport, an der wir jedes Jahr teilnehmen. Die besondere Aufmerksamkeit, die Black Diamond und Pieps durch den ISPO Award erhalten haben, war in jedem Fall sehr hilfreich.
An welchen Details und Verbesserungen arbeiten Sie für die Zukunft?
Als Produktentwickler ist man nie zufrieden und sucht permanent nach Möglichkeiten, das Produkt zu verbessern. Ich würde den Rucksack in Zukunft gerne leichter und günstiger machen. Wie Sie sich denken können, ist das keine leichte Aufgabe.
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