Gerade hat Ortovox mit dem Protact2024 seine Nachhaltigkeitsstrategie für die kommenden fünf Jahre vorgelegt. Nach der Entwicklung eines eigenen Woll-Standards will das Unternehmen jetzt weitere Projekte angehen - von der PFC-Freiheit bis hin zu reparaturfähigen Produkten und einer verstärkt europäischen Produktion. Um nachhaltigere Prozesse anzustoßen, ist viel Kommunikation nötig, erklärt Stefanie Rieder-Haas, CSR-Managerin von Ortovox.
Obwohl der Woll-Experte mit seinen langjährigen Zulieferern ein gutes – sogar freundschaftliches Verhältnis pflegt, sind Veränderungen nicht leicht umzusetzen. Stefanie Rieder-Haas spricht über die gut gemeinten Ideen der Brands, das Misstrauen der Zulieferer und wie Organisationen wie die Fair Wear Foundation (FWF) helfen, zu besseren Lösungen zu kommen.
ISPO.com: Worum genau kümmern Sie sich als CSR-Managerin bei Ortovox?
Stefanie Rieder-Haas: Das ist sehr komplex und umfasst strategische und operative Aufgaben gleichermaßen. Wir haben zum Beispiel gerade unsere offizielle Fünf-Jahresstrategie formuliert, was uns mehrere Jahre beschäftigt hat. Es geht immer darum, gemeinsam, also mit jeder Abteilung bei Ortovox, neue Ziele und Maßnahmen zu erarbeiten.
Genauso kümmern wir uns aber auch um konkrete Ziele, beispielsweise um die Kommunikation mit unseren Schaffarmen in Tasmanien, mit Tierschutzorganisationen und anderen NGOs, und wir schaffen die Info-Brücken in die Abteilungen. Wir sind sozusagen die Netzwerker im Unternehmen und betrachten die unterschiedlichsten Themen analytisch in Bezug auf Nachhaltigkeit.
Was bedeutet CSR für Ortovox in Bezug auf die Lieferkette?
Wir haben für Ortovox zentrale Werte definiert, und einer davon lautet Freundschaft. Das heißt, Freundschaft spielt für uns auch innerhalb der Supply Chain eine wichtige Rolle – wir arbeiten mit vielen unserer Produzenten schon sehr lange zusammen und legen großen Wert auf gute Geschäftsbeziehungen. Erfreulicherweise sehen wir, dass sich auch unsere Produzenten in diese Richtung weiterentwickeln, wie beispielsweise einer unserer Rucksackproduzenten aus Vietnam. Er hat 2017 die Fünf-Tage-Woche im Unternehmen eingeführt, obwohl in Vietnam die Sechs-Tage-Woche üblich ist.
Wie kam es dazu?
Die Fabrik wurde 2015 gegründet von einem ehemaligen Mitarbeiter einer Firma, bei der wir zuvor Rucksäcke herstellen ließen. Da er aus Korea stammt, wo nur fünf Tage gearbeitet wird, wollte er das Gleiche in Vietnam umsetzen – natürlich ohne dass die Arbeiter auf Lohn verzichten mussten.
Wie gefiel den Arbeiterinnen und Arbeitern das Angebot?
Überraschenderweise gab es zunächst großen Widerstand, bis hin zum Streik! Die Menschen hatten Angst, sie würden dadurch weniger verdienen. Es war viel Kommunikation nötig bis alle Ängste ausgeräumt waren. Aber es hat sich gelohnt: Die Fluktuation in der Belegschaft ist heute wesentlich geringer als in Vietnam üblich, und die Fabrik hat keine Probleme, neue Arbeiter zu finden. Denn ähnlich wie in Europa und China gilt inzwischen auch die Arbeit in der Textilindustrie in Vietnam als nicht besonders attraktiv. Obwohl diese Auswirkungen so gar nicht geplant waren, hat sich der Schritt auch wirtschaftlich positiv ausgewirkt.
Für die Fabrik bedeutet dieser Schritt höhere Kosten. Wie hat Ortovox darauf reagiert?
In der Tat sind die Kosten nur theoretisch gestiegen, denn die Produktion ist effizienter geworden und die Fluktuation geringer, was die höheren Kosten kompensieren konnte. Diese Erkenntnis setzt sich allmählich auch in Europa durch: Eine Investition ins Mitarbeiterwohl erhöht die Leistungsfähigkeit. Wir sind sehr stolz mit einer Fabrik zusammenarbeiten zu können, die so denkt wie wir.
Wie konnte Ortovox diesen Prozess unterstützen?
Indem wir genau diese Fabrik fördern und einen Großteil unserer Rucksack-Produktion dorthin verlegt haben, obwohl in der Anfangsphase noch einiges im Aufbau war. Durch unser Vertrauen und unsere Investition konnte die Fabrik wachsen. Uns ist es wichtig zu zeigen, dass solche nachhaltigen und revolutionären Prozesse eben auch durch die Fabriken selbst initiiert werden.
Warum ist es so schwierig, solche Veränderungen in Gang zu setzen? Wie viel Einfluss hat man überhaupt als Marke?
Die Einflussmöglichkeit steht in einem direkten Abhängigkeitsverhältnis zur Größe des Produktionsanteils. Je wichtiger man als Kunde für die Fabrik ist, desto mehr kann man bewegen. Deshalb ist es sinnvoll, nicht zu viele kleine Produzenten zu haben, weil dann der Einfluss natürlich schwindet. Wir arbeiten im Bereich Rucksäcke nur mit zwei Partnern zusammen, da lässt sich was bewegen.
Aber natürlich erfordert es immer viel Kommunikationsarbeit, wenn man Verständnis zwischen unterschiedlichen Kulturkreisen erreichen will. Das betrifft nicht nur Vietnam, wir sehen das auch im Bereich Wolle, wo wir unseren tasmanischen Schafzüchtern lange erklären mussten, dass der europäische Markt Mulesing-freie Wolle fordert.
Auf welche Maßnahmen im Bereich CSR sind Sie besonders stolz?
Auf unseren selbstentwickelten Woll-Standard „Ortovox Wool Promise“. Wir bekommen hier viel positives Feedback, und auch die Tierschutzorganisation Vier Pfoten nennt uns im Bereich Wolle als Best-Practice-Beispiel. Das empfinden wir als eine Auszeichnung.
Warum haben Sie einen eigenen Standard entwickelt – es gibt ja bereits Standards für nachhaltige Wolle?
Ortovox steht seit Jahrzehnten für Wolle, und für den Endverbraucher wird es immer wichtiger zu wissen, woher das Produkt stammt. Gleichzeitig ist die Lieferkette der Wolle extrem schwer zu kontrollieren und zu tracken. Also haben wir unsere eigenen Standards entwickelt. Als dann der Responsible-Wool-Standard (RWS) etabliert wurde, haben wir gemerkt, dass unser Standard – der Audits anhand von 60 Indikatoren inklusive Tierschutz und persönlichem Besuch vor Ort beinhaltet – schon weiter ist.
Wir hatten unsere Farmer bereits anhand unserer Kriterien ausgesucht und stehen bis heute in engem Kontakt mit ihnen. Nach dem FWF-Prinzip organisieren wir Roundtables um den Austausch zwischen den Farmern zu stärken und Innovationen voranzubringen. So lernen alle Seite voneinander. Wir haben uns letztlich gegen den RWS entschieden, weil es auch ohne das Zertifikat klappt, und weil wir unseren Farmern die zusätzlichen Kosten nicht zumuten wollten. Wir können alle Fragen sicher beantworten - auch ohne international gültiges Zertifikat.
Sie arbeiten mit der Fair Wear Foundation zusammen – was ist der Vorteil?
Die FWF treibt einen fortwährenden Verbesserungsprozess an. Sie vergibt eben kein Zertifikat, sondern man muss kontinuierlich an den Prozessen arbeiten. Sie fördert den Dialog zwischen den Marken und den Produzenten, aber auch unter den Brands. Diese „Kooperenz“, also diese Beziehung zwischen Kooperation und Konkurrenz unter den Brands, ist übrigens eine ganz neue Situation. Dass so viele Marken im Bereich der Nachhaltigkeit zusammenarbeiten, halte ich für einen wichtigen Vorteil der FWF.
Welche Ziele haben Sie im Bereich Living Wages – auch das ist eine zentrale Forderung der FWF?
Wir sind gerade dabei, bei einem langjährigen Bekleidungsproduzenten in der Ukraine Living Wages im Rahmen eines Workplace-Satisfaction-Programs umzusetzen. Auch da geht es im weiteren Sinne wieder um Mitarbeiterzufriedenheit, was die Living Wages einschließt. Ziel ist es dabei auch, ein System zu etablieren, das wir auch in anderen Fabriken anwenden können. Wir erwarten Ende des Jahres die ersten Ergebnisse.
Welche Hürden gibt es da?
Zuerst einmal die Frage, was genau ist denn eine Living Wage? Wie hoch muss sie sein? Und dann die Frage, was tun wir, wenn wir die einzige Brand sind, die Living Wages möchte, die anderen Brands der Fabrik nicht? Schließlich geht es auch um Vertrauen: Wir müssen das Vertrauen des Produzenten gewinnen, damit er überhaupt bereit ist seine Kalkulation offenzulegen. Natürlich haben Produzenten Angst davor – das Risiko ist groß, dass Brands an der Kostenschraube drehen, sobald sie die Marge der Produzenten kennen.
Welche Ziele hat Ortovox im Bereich CSR in Zukunft?
Im Wesentlichen sind das sechs Punkte: Ziel ist es bis 2024, dass 100 Prozent unserer Wolle anhand des Ortovox Wool Promise auditiert wurde und die Supply Chain transparent ist, wir wollen außerdem den Leader-Status der FWF beibehalten – 2018 haben wir ihn zum ersten Mal erreicht. Derzeit werden knapp 60 Prozent unserer Produkte in Europa hergestellt, im Zuge des weiteren Wachstums sollen es mindestens 60 Prozent bleiben – ein ambitioniertes Ziel. Wir streben außerdem Klimaneutralität bis 2024 an und PFC-freie Produkte in allen Kategorien. Als sechsten Punkt haben wir das Ziel vereinbart, die Reparaturfähigkeit unserer Produkte noch stärker in den Fokus zu rücken.
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