Sammlung, Konzentration, Einswerden mit dem Bewusstsein, Streben nach Selbsterkenntnis oder gar Erleuchtung – und das alles mitten im lebhaften Trubel der ISPO, im vor Vitalität brummenden Epizentrum der Sportindustrie? Für Patrick Broome ist das kein Problem.
Der 46-Jährige ist so tiefenentspannt, dass er wahrscheinlich auch in Tokios überfüllter U-Bahn Ruhe und Gelassenheit ausstrahlen würde. Und das macht den Diplom-Psychologen zum richtigen Mann für einen diffizilen Job: „Bundesyogatrainer“ der deutschen Fußballnationalmannschaft.
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„Fußball und Yoga passen ganz wunderbar zusammen“, sagt Broome, der bei der EM in Frankreich wieder zum DFB-Betreuerstab gehört. „Es ist eine sehr gute Ergänzung für die Sportler sich in anderen Bewegungen zu erleben und ihren Körper in einem Nicht-Wettbewerb einzusetzen.“
Yoga-Stunde bei der ISPO
Yoga ist in aller Munde, ein Massenphänomen. Immer mehr Menschen rollen die Matte aus und suchen nach innerer Ruhe. Kein Wunder also, dass in der Münchner Messehalle alle Plätze belegt waren, als Patrick Broome bei der ISPO im Januar zur Probestunde einlud. Einfach mal mitmachen? Warum eigentlich nicht?
Barfuß und in Schlabber-Jogginghose und Longsleeve steht Broome auf der kleinen Bühne und beginnt zu sprechen. Langsam, bedächtig, aber bestimmt.
- „Erst mal entspannt sitzen. Aber richtig!“ Das geht ja gut los. Sitze ich denn etwa nicht entspannt?
- „Kopf locker, Gesicht ganz weich.“ Wie jetzt: weich?
- „Atemzüge richtig in den Boden reinschrauben.“ Hä?
- „Mit der rechten Hand über den Kopf, wo auch immer rechts heute für dich ist.“ Man kann sich vorstellen, wie die DFB-Kicker bei der ersten Yoga-Session mit Patrick Broome innerlich die Augen verdreht haben.
2006 war das, kurz vor dem Sommermärchen, im Münchner Hotel Park Hilton. Oliver Bierhoff war in Kalifornien mit Yoga in Kontakt gekommen und zurück in München bei Broome gelandet. „Er meinte, hätte er das früher entdeckt, hätte er ein paar Jahre länger spielen können“, erzählt Broome, „diese Erfahrung wollte er den DFB-Spielern früher an die Hand geben.“
Bei Jürgen Klinsmann, noch so einem überzeugten Kalifornier, rannte er damit natürlich offene Türen ein – und bei den Spielern eigentlich auch. „Für mich war das schon ein kleiner Kulturschock, für einige Spieler auch", sagt Broome, „ich hatte je eine halbe Stunde mit der Hälfte der Mannschaft. Zwei Drittel fanden's okay. Wir haben uns nicht hingesetzt und ,Ommm' gesungen. Ich habe ihnen vermittelt, wie Bewegung und Atem miteinander verbunden werden können und wie dadurch Konzentration entsteht. Dann ich hab' ich sie ein bisschen durchbewegt, gedehnt, und dann haben sie eine längere Entspannung samt Nackenmassage bekommen – gerade die tat vielen gut. Das kannten die gar nicht.“
Mit Yoga die Fußball-Karriere verlängern
Zehn Jahre später gehört der promovierte Psychologe immer noch zum DFB-Team, sprang beim WM-Jubelbild auf dem Rasen von Rio am höchsten. „Das war Wahnsinn“, erinnert sich Broome. Er erzählt auch vom ersten Tag im DFB-Camp Campo Bahia, als „die Spieler von morgens bis abends am Pool Rundlauf gespielt haben – am nächsten Tag musste fast das Training abgesagt werden, weil alle Brandblasen an den Füßen hatten.“
Der Sohn einer Deutschen und eines Amerikaners hat vor fünf Jahren den Krebs besiegt, in München zwei Yoga-Studios eröffnet, zuletzt mit den Profis des FC Augsburg den „nach unten schauenden Hund“ und andere Positionen geübt. Im DFB-Team gehört unter anderem Mario Götze zu den Yoga-Enthusiasten.
Zuvor waren schon Mark van Bommel, Daniel van Buyten, Per Mertesacker und Jens Lehmann richtige Yoga-Fans geworden, erzählt Broome: „Gerade die großen Kerle mit den langen Hebeln merken ganz schnell, dass es ihnen hilft, ein neues Körpergefühl, eine neue Beweglichkeit aufzubauen, so in ihren Körper reinzukommen, wie sie das noch nie geschafft haben. Mertesacker hat bei Arsenal zweimal die Woche Yoga-Unterricht.“
Überhaupt England: Jeder Premier-League-Klub beschäftige einen Yoga-Trainer, sagt Broome: „Ryan Giggs hat mal gesagt: Die letzten zehn Jahre seiner Karriere verdankt er der Tatsache, dass er Yoga entdeckt hat.“
Nationalspieler necken „Fußballtalent“ Broome
Die Bundesliga hinkt in dieser Hinsicht mal wieder hinterher. Warum eigentlich? „Es ist schwer, den passenden Yoga-Lehrer zu finden. Der sich in diesen Strukturen bewegen kann und trotzdem genug Abstand hat und nicht zu sehr Fan ist", meint Broome. „Hinzu kommt: Die wirklich guten Yoga-Lehrer sind oft Frauen, aber wenn man eine attraktive Frau allein vor die Männer lässt, dann lenkt das zu sehr ab.“
Bei der EM in Frankreich muss er wieder aufpassen, dass der Fan in ihm nicht zu sehr durchbricht: „In der D-Jugend war ich mal Torwart, das war's dann auch. Wenn die DFB-Jungs lachen wollen, kommt ein Ball in meine Richtung, und ich trete ihn zurück. Mit meinem Sohn kicke ich ein bisschen, dafür reicht's. Zwei, drei Sechsjährige kann ich aussteigen lassen, aber wenn die Achtjährigen dazukommen, wird’s schon schwer.“
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