Outdoor/15.06.2021

Mehr als Lichterketten und Tagträumerei: Ein Vanlife-Experte packt aus

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Ein VW-Bus, ein Bike, fertig ist das Zuhause. Unser Autor lebt und arbeitet in einem alten T4. Im Interview erzählt er, wie das Vanlife wirklich ist. Und warum er für mehr Sportgeräte im Van gerne auf ein breites Bett verzichtet.

Merlin Gröber über das Leben im Van.

ISPO.com: Du lebst und arbeitest in einem Bus, warum?
Merlin Gröber: Für mich als freier Journalist bietet sich diese Art des Lebens an: Für viele Aufträge wie Telefoninterviews und Recherchen brauche ich kein Büro. Und bei Reportagen bin ich ohnehin draußen unterwegs.

Mit was für einen Bus bist du unterwegs?
Ich fahre einen alten T4, Baujahr ‘96, langer Radstand, ausgestattet nur mit dem Nötigsten: Bett, fünf Kisten für Kleider, Outdoorequipment, Essen, Kochgeschirr und Elektronik. Keine Kochzeile, keine Couch, keine Lichterketten. Fürs Zubereiten von Essen benutze ich einen Campingkocher, das Bett ist 70 Zentimeter breit.

Warum so minimalistisch?
Durch die minimalistische Ausstattung ist der Bus maximal flexibel einsetzbar. Freunde ziehen um? Kein Problem. Vier Schrauben lösen und das Bett ist draußen, dann bietet der Bus eine knapp drei Meter lange Ladefläche. Außerdem kann ich durch die minimalistische Ausstattung viele Sportgeräte mitnehmen. Im Winter Schneeschuhe, Langlauf- und Tourenski, im Sommer Faltkajak, Mountainbike und Rennrad. Die Sportgeräte sind wichtig, vor allem wenn man alleine unterwegs ist.

Wie meinst du das?
Wer alleine im Bus reist, muss diszipliniert sein, vor allem beim Sport. Unterwegs gibt es kein Fitnessstudio zum Trainieren oder Freunde, die einen beim Joggen begleiten. Jeder Tag ist anders, da fehlt die Routine. Je mehr Sportgeräte ich dabei habe, desto mehr Sport treibe ich.

Dank der minimalistischen Einrichtung ist genug Platz für alle wichtigen Gebrauchsgegenstände, die man so auf Reisen braucht
Bildcredit:
Merlin Gröber

Wie arbeitest du im Bus?
Häufig arbeite ich nicht im Bus, sondern suche mir ein ruhiges Plätzchen im Grünen. Dann setzte ich mich auf einem Wanderparkplatz an einen Tisch mit Bank oder chille unter einen Baum. Im Auto habe ich einen kleinen Campingtisch und Pilotsitze, die sich drehen lassen. So kann ich mit zwei Handgriffen mein eigenes, kleines Büro im Bus bauen. Eine Powerbank und ein Wechselrichter versorgen die elektronischen Geräte mit Strom. Mittelfristig lege ich mir noch Solarpanelen und eine zweite Batterie zu.  

Wird das Leben im Bus nicht irgendwann langweilig?
Nein, nicht wenn du mit einem bestimmten Ziel unterwegs bist. Das können Hobbys sein, ein bestimmter Ort, den du ansteuerst oder Freunde, die du lange nicht gesehen hat. Vergangenen Herbst war ich wochenlang im Osten der Republik unterwegs, um Kraniche zu beobachten, aktuell bin ich im Schwarzwald und bike jeden Tag nach der Arbeit. Später im Sommer möchte ich nach Skandinavien zum Paddeln mit dem Faltkajak. Nur im Bus unterwegs sein, um sagen zu können man macht Vanlife, das wird auf Dauer öde.

Sogar sein eigenes kleines Büro hat Merlin in seinem VW-Bus eingerichtet.
Bildcredit:
Merlin Gröber

Wie sieht ein Tag im Bus aus?
Das kommt stark auf das Wetter an. Scheint die Sonne, stehe ich sehr früh auf, gehe im Morgengrauen spazieren und fange an zu arbeiten. Mittags suche ich mir meistens einen See oder Fluss zum Abkühlen und waschen, mache eine lange Mittagspause und arbeite dann weiter. Nach der Arbeit packe ich mein Mountainbike oder Rennrad aus und drehe eine Feierabendrunde oder erkunde die Gegend zu Fuß. 

Wo übernachtest du in deinem Bus?
Das kommt ganz darauf an, wo ich bin. In Nordeuropa kann man sich im Prinzip fast überall hinstellen für eine Nacht. In den Niederlanden ist das Übernachten im Auto eigentlich verboten. Meistens klopfe ich an Häusern und frage, ob ich mich in der Nähe hinstellen darf. Bisher wurde ich noch nie abgewiesen. Ganz im Gegenteil: Neulich habe ich einem Landwirt im Allgäu bei der Stallarbeit geholfen, durfte Laptop und Handy laden und danach auf der Wiese hinter dem Hof übernachten.

In Nordeuropa kann man fast überall mit einem Van übernachten, manchmal macht man beim Abstellen sogar nette Bekanntschaften und wird freundlich empfangen.
Bildcredit:
Merlin Gröber

Was darf für dich im perfekten Vanlife-Auto auf keinen Fall fehlen?
Ein Fahrrad. Das ist mehr als ein Sportgerät. Gerade in größeren Städten parke ich meistens außerhalb und radle die letzten Kilometer ins Zentrum. Keine Parkplatzsuche, keine Probleme wegen der Umweltplakette und Bewegung. Bin ich auf dem Land unterwegs kann ich mit dem Rad die Gegend erkunden oder in die nächste Stadt düsen, einkaufen. 

Welchen Tipp hast du für Anfänger?
Fangt klein an, überlegt genau, was ihr braucht. Viele Busse, vor allem auf Bildern in den sozialen Medien, sind schick ausgebaut, aber wenig funktional für jemanden, der lieber flexibel unterwegs ist. Und kündigt nicht gleich eure Wohnungen und Jobs. Vielleicht gefällt euch das Vanlife nicht, dann habt ihr ein Problem. Und lasst die Lichterketten zuhause, die braucht kein Mensch.