Alex Megos, dem 24-Jährigen aus Erlangen, gelang 2013 als erstem Menschen überhaupt, eine Route im Schwierigkeitsgrad 9a „onsight“, also gleich beim ersten Versuch, zu durchsteigen. Im Jahr darauf kletterte er „Action Directe“, die wohl berühmteste Sportkletterroute Deutschlands. Seitdem ist seine Vita eine Aneinanderreihung der schwersten Routen weltweit – und Megos scheint noch nicht am Limit angekommen zu sein.
Rund um die Welt dank Klettern und Sponsoren
ISPO.com: Südafrika, Spanien, USA – zuletzt sind Sie mit der Kletterei ganz schön rumgekommen...
Alex Megos: Stimmt, ich war zuletzt vier Wochen zum Klettern in Südafrika, drei Wochen zum Bouldern in der Nähe von Kapstadt und eine Woche zum Seilklettern in der Nähe von Johannesburg. Das war schon mein drittes Mal Südafrika. In Australien war ich zwei Mal, vier, fünf Mal in den USA, in Japan und Kanada auch schon – und in Spanien, Frankreich, Schweiz und Österreich sowieso ständig. In Europa ist die Dichte an Kletterern ziemlich groß im Vergleich zu anderen Kontinenten.
Herumreisen macht Spaß, kostet aber Geld. Wie kam es dazu, dass Firmen Sie beim Klettern unterstützten?
Ein Kletterfreund von mir wird von Patagonia gesponsert, die auch zu meinen Sponsoren gehören. So bin ich bei ihm in Kanada gelandet, in Canmore im Banff National Park. Anfang des Jahres war ich zu Wettkämpfen in Japan und Santiago de Chile eingeladen – da habe ich dann noch zwei Wochen dran gehängt.
Klingt so, als würden Sie Ihren Traum leben...
So kann man das sagen.
Steckt Planung hinter dieser Karriere oder passiert Ihnen die einfach so?
Ich hätte das am allerwenigsten so geplant, bin da eher so zufällig rein gerutscht. Vor fünf Jahren habe ich Abi gemacht, wollte später studieren, aber erst mal ein Jahr herum reisen und klettern gehen. Wenn mir da jemand gesagt hätte „In fünf Jahren bist du Profi-Kletterer und immer noch am Rumreisen“, dem hätte ich gesagt „Du spinnst“. Jetzt hat sich das mit dem Studium vorerst mal erübrigt.
Alex Megos: „Ich werde nicht ewig Profi-Kletterer sein“
Wie erleben Sie diese traumhafte Karriere, die Sie da gerade machen?
Es ist ein großes Privileg, dass ich mein Leben so leben kann, wie ich das gerade tue. Ich weiß das auf jeden Fall sehr zu schätzen. Es gibt ja nicht viele Leute auf der Welt, die vom Klettern leben können. Ich nehme das nicht einfach so hin. Mir ist schon bewusst, dass das was Besonderes ist und dass das auch nicht ewig so weitergeht.
Ich werde nicht ewig Profi-Kletterer sein, weil es physisch gar nicht geht und ich das auch gar nicht ewig machen möchte. Aber im Moment habe ich nicht das Gefühl, dass ich als Profikletterer schon das erreicht habe, was sich erreichen möchte, und deswegen sehe ich auch noch keinen Grund aufzuhören.
Sie sind gerade erst 24 geworden, verfügen aber über ein Sponsoren-Portfolio, um das Sie viele beneiden. Zählen Sie doch mal auf!
Hauptsponsoren sind Red Bull und Patagonia, Kletterschuhe von Tenaya, Karabiner und Klettermaterial vom englischen Hersteller dmm, dazu noch einen Seilsponsor, einen für die Kletterkreide, die Kletter-App Vertical Live Climbing, und auch meine Kletterhalle unterstützt mich.
Respekt. Und die sind alle auf Sie zugekommen?
Bei den meisten war das so. Bei Red Bull hat mich dagegen Stefan Glowacz reingebracht. Der rief an und meinte, er würde mich da vorschlagen wollen.
Onsight-Route veränderte alles
War er ein Vorbild für Sie?
Er war einer der weltbesten Kletterer und wohl der bekannteste deutsche Sportkletterer überhaupt. Insofern ist er auf jeden Fall ein Vorbild. Aber als ich 1999/2000 mit dem Klettern anfing, war seine große Zeit als Sportkletterer schon vorbei. Ich habe ihn dann eher über seine Expeditionen als Extremsportler kennengelernt. Einer, der in den Dschungel geht und sich einen abrackert. Das kann ich dann ja machen, wenn ich auch alt bin, wenn ich 40 bin. Jetzt bin dafür noch zu jung.
Beschreiben Sie mal den Werdegang Ihrer Karriere!
Bis 19 war Klettern nur Hobby. Mir war schon klar, dass ich relativ gut bin, aber ich dachte, um professionell zu klettern, reicht's sowieso nicht. Mir war diese Profikletterei auch total suspekt, ich wollte das gar nicht machen. Ich bin da wirklich schrittweise rein gerutscht – und irgendwann dachte ich: 'Moment mal, jetzt bin ich schon Profikletterer und hab's nicht mal gemerkt!'
Heißt also, dass Ihr Marktwert mit jeder erfolgreich absolvierten Extrem-Route gestiegen ist?
Richtig. Das ausschlaggebende Ereignis war, dass ich 2013 in Spanien eine Route geonsightet habe, also hoch bin, ohne vorher irgendwas von der Route zu wissen. Das war der Schwierigkeitsgrad 9a – und 9a hatte vorher noch nie ein Mensch onsight geklettert.
Dadurch bin ich über Nacht von relativ unbekannt zu weltbekannt in der Kletterszene geworden. Dann fing es an mit den Anrufen von Sponsoren. Sponsoren, die ich schon hatte, haben versucht mich zu halten, und so ist mein Marktwert gestiegen. Ehe ich mich versehen habe, habe ich so viel Geld von den Sponsoren bekommen, dass ich davon leben konnte.
Langsame Gewöhnung an neuen Ruhm
Wie sind Sie mit diesem plötzlichen Ruhm umgegangen?
Schlecht. Weil ich das nicht gewöhnt war. Ich dachte mir: 'Was für'n Scheiß! Jetzt hab ich so viel Arbeit am Hals. Eigentlich wolltest du doch nur mit deinen Kumpels in Spanien klettern gehen!' Mir war gar nicht bewusst, was das für Auswirkungen hat.
Heute blicke ich darauf zurück und sage 'Das war das beste, was mir je passieren konnte', aber in dem Moment musste ich erst mal lernen, mit der Situation umzugehen, in der Öffentlichkeit zu stehen, Interviewanfragen zu beantworten. Man kann sich ja dann nicht irgendwie benehmen, sondern muss sich präsentieren, dass man nicht wie der Depp da steht.
Dass der Sponsor sich nicht schämen muss.
Richtig. Mir ist auch klar geworden, dass man da nicht ausrasten kann, sondern sich unter Kontrolle hat.
Das Leben in der Öffentlichkeit ist vom einsamen rauen Fels im Nirgendwo halt doch ziemlich weit weg.
Aber das Eine bedingt halt das Andere, vor allem, wenn man davon leben will. Insofern muss man gewillt sein, Kompromisse einzugehen. Natürlich wäre es mir am allerliebsten, wenn ich komplett meine Ruhe hätte und trotzdem vom Klettern leben könnte. Aber mir ist auch klar, dass das nicht geht.
Die Sponsoren wollen ja auch eine gewisse Gegenleistung haben. Wobei ich mir Sponsoren ausgesucht habe, die weniger Wert darauf legen, dass man die ganze Zeit in der Öffentlichkeit steht. Denen geht Qualität vor Quantität. Ich habe keine Auflagen von den Sponsoren, dass ich x-mal pro Woche posten muss.
Mein Aufwand ist minimal. Das ganze Social-Media-Zeug ist schön und gut, aber letztendlich bin ich Profi-Kletterer und nicht Profi-Social-Media-Mann. Das verstehen auch die meisten Sponsoren.
Red Bull macht die geringsten Auflagen
Nun hat aber ein Entertainment-Konzern wie zum Beispiel Red Bull gerne einen Hang zum Extravaganten. Gibt es da nicht Erwartungen an einen Extremisten wie Sie?
Der Witz ist, dass die meisten Leute ein falsches Bild vom Red-Bull-Sponsoring haben. Ich hatte früher genau den selben Eindruck, und als Stefan Glowacz mit seinem Vorschlag kam, wollte ich den zuerst gar nicht annehmen, nach dem Motto 'Eh nein, aber du kannst es dir ja mal anhören'.
Ich hatte den Eindruck, dass das Marketing von Red Bull sehr aggressiv ist und bin davon ausgegangen, dass das Sponsoring genauso aussieht. Dann war ich komplett positiv überrascht von dem, was die mir angeboten haben. Von Red Bull habe ich die allergeringsten Auflagen. Die sagen nie 'Du musst jetzt mit dem Athleten dorthin klettern oder zu diesem oder jenem Wettkampf'.
Wenn ein Veranstalter wie zum Beispiel der in Chile Red Bull als Sponsor hat und gerne Kletterer einladen würde, kriege ich von meinem Athletenmanager eine Mail: 'Hast du Bock da mitzumachen?' Wenn ich absage, heißt es 'Macht nix, kein Thema'. Und wenn ich zusage, wird die komplette Planung übernommen. Ziemlich easy alles.
Was Red Bull eigentlich möchte, ist, dass die Athleten von sich aus mit ihren eigenen Ideen kommen. Wenn ich sage, ich würde gern hier oder dort eine Route klettern, mir fehlt aber noch ein VW-Bus oder ein Fotograf, dann sind die in der Unterstützung sehr breit.
Beim Boulder-Weltcup in München waren Sie auch am Start, obwohl Sie die Halle sonst nur zum Training nutzen...
Ich bin reiner Felskletterer, mache aber ab und zu bei Wettkämpfen mit, meistens bei Spaß- oder Einladungswettkämpfen. München war ein Weltcup. Da bin ich auch eher zufällig dazu gekommen, weil der Deutsche Alpenverein gefragt hatte, oh ich wieder ins Wettkampfgeschehen einsteigen wolle. Ich sagte 'Eigentlich eher nicht', aber ich wusste ja nicht mal, wie es sich anfühlt, bei einem Weltcup zu starten. Also hab' ich in München in der Halle und in Arco beim Seilklettern mitgemacht.
Mir ist bewusst, dass ich beim Bouldern wenig Chancen gegen die Weltcup-Athleten habe, weil der Unterschied zwischen Fels- und Hallenklettern so groß ist. Da hat sich ein ganz neuer Wettkampfstyle entwickelt. Das Wettkampfbouldern ist mittlerweile sehr fern vom eigentlichen Klettern. Wenn man diesen bestimmten Style wenig trainiert, hat man wenig Chancen. Ich will einfach mal schauen, ob es mir Spaß macht, ob es Sinn macht, in der Richtung was zu machen.
Das stört Alex Megos an Olympia 2020
Schließlich wird Sportklettern 2020 ja olympische Disziplin...
Ich gehe davon aus, dass der Alpenverein mich aus diesem Grund gefragt hat. Aber das ist im Moment noch viel zu weit weg, um verlässlich Auskunft geben zu können. Im Moment bin ich eher abgeneigt, weil das Format bei Olympia völliger Mist ist.
Inwiefern?
Es gibt ja zwei Disziplinen: Bouldern und Lead-Klettern – und seit ein paar Jahren eine dritte: Speed-Klettern. 99 Prozent aller Kletterer haben mit Speed-Klettern nichts am Hut.
Bei Olympia gibt es nun aber eine Gesamtwertung aus diesen drei Disziplinen – somit hat man lauter Athleten, die mindestens eine Disziplin absolvieren müssen, mit der sie eigentlich nichts zu tun haben wollen. Der Witz ist, dass es noch keinen einzigen Wettkampf mit diesen drei Disziplinen als Gesamtwertung gab.
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