Eine Ikone und Pionierin des Skibergsports ist tot. Am 26. September ist die weltberühmte Skibergsteigerin Hilaree Nelson im Alter von 49 Jahren im Himalaya tödlich verunglückt.
Auf der Abfahrt vom Manaslu stürzte Nelson vor den Augen ihres Ehemannes und Expeditionsbegleiters Jim Morrison in eine Gletscherspalte. Zwei Tage nach dem Unglück wurde ihr Leichnam entdeckt, geborgen und ins Basislager gebracht.
Nur wenige Tage vor ihrem tödlichen Unglück schrieb Nelson auf Instagram, wie schwierig die Bedingungen rund um die Manaslu-Expedition seien: „Ich habe mich auf dem Manaslu nicht so trittsicher gefühlt wie bei früheren Abenteuern in der dünnen Atmosphäre des hohen Himalaya. Die letzten Wochen haben meine Widerstandsfähigkeit auf eine neue Weise getestet. Der ständige Monsun mit seinem unaufhörlichen Regen und seiner Feuchtigkeit hat mich mit hoffnungslosem Heimweh erfüllt.“
Weltberühmt wurde die am 13. Dezember 1972 im US-amerikanischen Seattle geborene Nelson am 25. Mai 2012, als sie als erste Frau mit dem Mount Everest und dem Lhotse zwei 8000er binnen 24 Stunden bestieg.
2018 gelangen Nelson und ihrem Ehemann eine weitere Weltpremiere, als es ihnen gelang, den Lhotse vom 8516 Meter hohen Gipfel bis zum Fuß mit einer Skiabfahrt auf der berüchtigten „Dream Line“-Route zu bewältigen.
Insgesamt ging Nelson auf über 40 Expeditionen in 16 Ländern. Zudem war sie Bergführerin auf Expeditionen und als ein Gesicht der „She Moves Mountains“-Kampagne von The North Face Inspiration für junge Mädchen und Frauen im Extrembergsport.
Hilaree Nelson hinterlässt ihren Ehemann und zwei Kinder im Teenager-Alter.
ISPO.com hat Anfang 2019 auf der ISPO Munich mit Nelson und ihrem Mann Jim Morrison über das Leben als Extrem-Skibergsteiger gesprochen. Das Interview gibt es hier zum Nachlesen.
Hilaree und Jim, alle Superhelden haben ihre Story. Batmans Eltern wurden ermordet, also wurde er zum Verbrecherjäger, Spider-Man wurde von einer radioaktiven Spinne gebissen. Wie wurden Sie zu Superhelden des Skibergsteigens?
Hilaree Nelson: Ich bin totale Spätstarterin. Ich habe lange auf einer Insel in der Karibik gelebt und wollte Marinebiologin werden – also das exakte Gegenteil einer Skibergsteigerin. Eines Tages kletterte ich dort auf einen Hügel, keine 15 Meter hoch. Da oben aber stellte ich mir die Wolken als Gebirge vor. Da wusste ich: Ich muss in die Berge. Das war mit Anfang 20.
Jim Morrison: Ich hingegen wuchs in der Nähe der Sierra Nevada in Kalifornien auf. Schon als kleiner Junge machte mir kaum etwas mehr Spaß als irgendwo hinaufzuklettern. Nur Herunterspringen fand ich noch toller. Ich sprang von Felsen, ich sprang von Dächern, ich sprang von Bäumen.
Was ist Ihre spezielle Superkraft?
Jim: Logistik. Ich bin ein guter Planer und kann genau antizipieren, was nötig sein wird, um einen Gipfel zu erreichen. Vielleicht sogar wichtiger: was man weglassen kann. Stichwort Gewicht.
Hilaree: Durchhaltevermögen. Mein Trick ist, dass ich gut essen kann, auch auf 6000, 7000, 8000 Meter. Das schaffen nicht alle und dann knicken sie ein. Für Superkraft braucht man logischerweise viel Energie.
Jeder Superheld braucht einen Bösewicht. Hilaree, ist Ihr Gegenspieler der Papsura? Mehrfach scheiterten Sie an dessen Gipfel.
Hilaree: Ja, das ist er. Eine Persönlichkeit von Berg. Und er kann gemein sein. Ich sah ihn das erste Mal mit 25 auf einem Foto und war seitdem besessen, ihn zu bezwingen und mit Skiern abzufahren. Aber mehrfach musste ich aufgeben. Der Papsura ließ mich jedoch nie los.
Der Berg heißt passenderweise „Peak of Evil“ – Gipfel des Bösen.
Jim: Besonders interessant finde ich, dass der Papsura Teil einer Zwillingsformation ist. Der andere Gipfel heißt Dharamsura, übersetzt „Peak of Good“.
Gut gegen Böse - der ewige Kampf.
Jim: Ja, die Berge sind im Laufe der Jahrmillionen offenbar auch unterschiedlich hoch gewesen, je nach Bewegung der Erdkruste. Mal war der gute Gipfel höher mal der böse.
Hilaree: Zur Zeit ist es der böse Teil. Nachdem ich auf dem Everest war und Jim kennengelernt hatte, war es Zeit, den Papsura endlich zu niederzuringen.
Sie sprechen es an: Sie sind nicht immer gemeinsam unterwegs gewesen, wann haben Sie sich zusammengetan, sozusagen als die Avengers des Skibergsteigens?
Jim: Das war 2015. Wir merkten schnell, dass wir gut zusammen passen.
Hilaree: In jeglicher Hinsicht.
Waren Ihre vereinten Superkräfte Logistik und Durchhaltevermögen entscheidend dafür, den Papsura endlich zu bezwingen?
Hilaree: Ganz sicher. Wir sind das perfekte Team. Es war ein unbeschreibliches Gefühl, endlich oben zu stehen. Surreal. Nun muss man aber dazu sagen, dass ich extreme Höhenluft liebe. Ich bin dann in einer anderen Welt, die ich Neverworld nenne.
Jim: Für Hilaree ist Luft auf einem Achttausender wie ein Lebenselixier. Auch ich liebe das. Auf dem Weg zum Gipfel des Everest beispielsweise war ich eine ganze Weile alleine unterwegs, ohne Sauerstoff. Ich schwöre aber, dass ich nicht allein war. Es waren viele Menschen bei mir. Menschen, die ich verloren habe.
Vergangenes Jahr bezwangen Sie ebenfalls gemeinsam den Lhotse, einen Nebengipfel des Everest, und fuhren als erste mit Skiern ab.
Jim: Auch der Lhotse wehrte sich standhaft. Wir waren nur 300 Meter entfernt vom Gipfel, als wir bis zu den Hüften im Schnee versanken. Da helfen auch keine Superkräfte.
Hilaree: Wir standen vor der Entscheidung, ob wir den Gipfel ohne Sauerstoff erreichen wollten oder mit Skiern abfahren wollen. Beides ging nicht. Wir entschieden uns für den Sauerstoff und die Abfahrt.
Welcher böse Berg wartet als nächstes?
Hilaree: Das Drehbuch ist noch nicht fertig.
Jim: Wir Skibergsteiger haben ja einen Riesenvorteil gegenüber reinen Alpinisten: Es mögen nicht mehr viele Gipfel übrig sein, aber Abfahrten – da gibt es noch genug.
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