Seit Jahren ist die Französin Marion Haerty eine der stärksten Snowboarderinnen der Welt. 2019 gewann sie zum zweiten Mal in ihrer Karriere die Freeride World Tour. Mit vier Saisonsiegen – darunter auch am legendären Bec des Rosses – gewann Haerty souverän vor Anna Orlova und Manuela Mandl. Es war nach 2017 bereits der zweite WM-Titel für Haerty, 2018 wurde sie Zweite. Unter der Saison hat sie den Film Pulp vorgestellt. Worum es dabei geht, erklärt sie im Interview mit ISPO.com.
Frau Haerty, bevor es mit dem Freeriden ernst wird, haben Sie Ihren Film Pulp vorgestellt. Worum geht's?
Marion Haerty: Um die einfachen, unbeschwerten Zeiten auf dem Board. Es ist eine Hommage an das Snowboarden mit Freunden, Parties, Fun und fetten Lines, mit meinen Freunden Austin Smith, Blake Paul, Spencer Schubert und vielen mehr.
Gedreht haben wir auf Hokkaido in Japan: der perfekte Spot für Powder-Boarding! Es geht aber gar nicht so sehr um Performance, sondern darum, wie wir Spaß haben, im Schnee, auf dem Board – und darum, wie wir diese guten Momente miteinander teilen. Eigentlich geht es ums Glücklichsein.
Ihr erstes Video?
Das erste mit The North Face, meinem Sponsor seit dem vergangenen Winter. Auch für diesen und den kommenden Winter haben wir schon entsprechende Projekte im Auge. Für mich ist das alles super spannend. Wenn wir als Athletinnen eine Idee haben, dann hören die Marketing-Leute uns zu und versuchen das auch umzusetzen – das kannte ich bisher gar nicht so! Man kann die „good vibes“ regelrecht spüren.
Ist das Ihr erster großer Sponsor?
Ich war davor knapp sechs Jahre bei Ripcurl. Aber mit meiner neuen Vision von den „Big Mountains“ war es Zeit, zu einem anderen Brand zu wechseln – und da passt North Face natürlich perfekt.
Mit dem hübschen Nebeneffekt, dass Sie nun Ihren Lebensunterhalt mit Snowboarden bestreiten können.
Momentan kann ich mich wirklich nicht beschweren. Der Weltmeistertitel im Frühjahr 2017 hat mein Leben schon verändert.
Kam der Anruf von North Face nach dem Gewinn der Freeride World Tour?
Nein, kurz davor.
Konnten Sie davor auch schon vom Snowboarden leben?
Überhaupt nicht! Das ist schon ein gewaltiger Unterschied. Ich hätte nie gedacht, dass es ein so großer Unterschied ist. Jetzt kann ich mich voll und ganz auf meine Schnee-Projekte konzentrieren. Auch auf der Freeride World Tour will ich mein Level verbessern. Ich habe zwar schon Weltmeister-Titel, aber ich glaube da ist immer noch Luft nach oben. Ich fühle noch sehr viel Energie in mir.
Wie haben Sie sich in der Zeit vor North Face finanziert? Ihr Job ist ja doch recht aufwändig: Wettkämpfe an den entlegensten Orten, Training, Material, Unterkunft…
In der Zeit vor dem Weltmeister-Titel ging es immer darum, einen guten Job für den Sommer zu finden. Ich habe Artikel für die französische Sport-Zeitung „L'Equipe“ geschrieben und als Wakeboard-Lehrer in Lacanau an der französischen Atlantikküste gearbeitet – ein sehr entspannter Ort, der perfekte Mix aus Surfen, Arbeiten und Lifestyle.
2016 haben Sie es vom Qualifier-Event direkt ins Hauptfeld der Freeride World Tour geschafft...
Innerhalb einer Woche habe ich drei Qualifier gewonnen – und stand dann im Hauptfeld. Davor war ich im Slopestyle-Weltcup unterwegs gewesen – das war schon eine große Umstellung.
Das Finale der Freeride World Tour findet traditionell in Verbier statt. Die Männer fahren vom Gipfel des mächtigen Bec des Rosses, die Frauen sozusagen eine Etage tiefer von der Schulter des Bec...
… aber auch von da ist es ganz schön scary ...
Zu Beginn der Freeride World Tour sollten die Frauen nicht mal beim selben Event wie die Männer starten. Ex-Weltmeisterin Aline Bock und Anne-Flore Marxer setzten sich schließlich erfolgreich dafür ein, dass man zumindest am selben Berg fährt. Wie wichtig ist es, dass Frauen und Männer gemeinsam starten?
Ich würde total gern vom selben Punkt starten wie die Männer!
Vom Bec des Rosses?
Das wünsche ich mir schon mein ganzes Leben lang. Andererseits verstehe ich schon, dass es für uns gefährlich sein kann. Aber vielleicht starten wir eines Tages doch vom selben Punkt – wenn wir Frauen unser Level verbessert haben. Aber im Moment möchte ich in dieser Diskussion gar nicht so viel Energie verschwenden, sondern mich lieber auf meine Wettkämpfe konzentrieren.
Verstehe. Eine Frage noch: Sind Sie mal privat vom Bec des Rosses runter?
Zwei Mal schon.
Und? Beängstigend?
Oh ja, und wie! Aber es ist verrückt: Ich mag Strecken, auf denen man richtig schnell fahren und hohe Cliffs springen kann. Deshalb ist Verbier auch mein Lieblings-Event. Ein bisschen wie bei mir zuhause in Chamonix, wo ich im Winter immer trainiere.
Der Schnellste auf der Freeride World Tour war früher meist Ihr Landsmann Jeremie Heitz. Gibt es Vorbilder, denen Sie nacheifern?
Victor de Le Rue und Sammy Luebke schaue ich gerne zu, und ich hoffe, dass ich irgendwann auch mal so irre Tricks und Backflips springen kann.
Sie arbeiten am Backflip?
Ja, schon eine Weile. Ich arbeite auch viel an meinem Kopf – das Mentale ist einfach so wichtig. Vielleicht bin ich da noch zu emotional. Oft stehe ich am Start und denke: „Verdammt, ich glaube nicht an mich!“ Dabei weiß ich doch, dass ich es kann. Ich versuche nun, den Druck beiseite zu schieben und einfach Spaß zu haben, im Moment zu sein.
Haben Sie einen Mental-Trainer?
Ja, den rufe ich an, wenn ich glaube, ihn zu brauchen, wenn mein Herz zu schwer ist und ich zu sehr im Stress bin. Da helfen mir die Gespräche mit ihm schon sehr. Es geht auch um Hypnose. Dank ihm kann ich mich ganz gut selbst entspannen. Wenn du auf den Big Mountains unterwegs bist, musst du sehr fokussiert und präsent sein. Wenn du einen Fehler machst, kann das sehr gefährlich werden. Deshalb versuche ich, meine Emotionen zu organisieren.
Haben Sie irgendein Ritual, zum Beispiel beim Start?
Ich höre gerne Musik. Zwei Tage vor dem Wettkampf suche ich mir ein super cooles Stück aus, mit dem ich mich dann in den Hang werfe. Es ist wie ein Tanz für mich. Und bevor es losgeht, klatsche ich noch zweimal in die Hände, keine Ahnung warum. Irgendwie macht mich das wach, setzt die gesamte Energie im Körper frei.
Wie wichtig sind die sozialen Netzwerke für Ihren Job?
Wir müssen eine gute Mischung sein: nicht nur Athleten, sondern auch Kommunikatoren. Das kann schon ziemlich anstrengend sein. Ich versuche mich darauf zu konzentrieren, wie ich auf dem Board besser werden kann – aber zugleich muss ich auch besser kommunizieren, mit der GoPro arbeiten, Bilder auf Instagram stellen. Man muss multifunktional sein.
Manchmal brauche ich da Hilfe. Und am Tag vor dem Wettkampf bin ich komplett offline. Sobald du Instagram öffnest, entwickelst du Gefühle: Du bist traurig, wütend oder hungrig – und diese Gefühle stören einfach bei der Wettkampfvorbereitung. Ich versuche auch, meine Sponsoren zu ermuntern, uns bei dieser Instagram-Arbeit zu helfen. Wir brauchen Werkzeuge dazu, entsprechenden Unterricht und jemanden, der uns zeigt, wie wir da besser werden können.
Wie viele Follower haben Sie auf Instagram?
31.000.
Wie schaut‘s mit Facebook aus?
Darauf konzentriere ich mich überhaupt nicht mehr. Die Zukunft meiner Generation ist Instagram.
Und Youtube?
Es wäre schon interessant, einen eigenen Channel zu haben. Noch habe ich keinen, aber das könnte demnächst schon passieren. Schließlich bin ich die ganze Zeit mit der GoPro unterwegs. Aber ich versuche da schon originell zu sein und nicht nur den Standard-Kram zu machen. Wir arbeiten schon an einem ganz speziellen Projekt, aber mehr kann ich jetzt noch nicht verraten...
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