Running/30.11.2015

„Ein wenig bescheuert reicht schon“

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Sie nennen ihn Pferdelunge - und er selbst hält sich für "ein wenig bescheuert". Charles Franzke ist Extrem-Hindernisläufer und einer der besten seiner Disziplin.

Charles Franzke testet seine Medaille auf Bissfestigkeit
Siegerpose: Charles Franzke mit seiner Medaille vom OCR World Championship in Cincinnati.

Charles Franzke alias die Pferdelunge gewann bereits zahlreiche Rennen, darunter das Tough Guy Race in Wolverhampton und das Bieg Katorznika im polnischen Lublinec. 

In diesem Jahr qualifizierte sich der erfolgreichste Hindernisläufer Deutschlands für die Spartan-Race-Weltmeisterschaften in den USA. ISPO.com hat mit einem knallharten Mann über Grenzerfahrungen in der vielleicht härtesten Sportart der Welt gesprochen – und warum sie mittlerweile zum echten Trend geworden ist.

Herr Franzke, der Trend Obstacle-Run, zu deutsch Hindernislauf, gewinnt immer mehr Anhänger. Warum sollten Mann und Frau diesen Sport ausüben?

Wer gerne bis an seine Grenzen gehen will, findet alles, was er braucht. Genauso wie jemand, der einfach nur an tollen Events teilnehmen will. Mich fasziniert am meisten die Community. Alles ist sehr aufgeschlossen und offen. Wer bei einem Hindernis Hilfe braucht, der muss nicht lange darauf warten. Das ist einfach eine wunderbare Atmosphäre, die nicht viele Sportarten bieten können.

Sie laufen über 25 Kilometer, wühlen in Schlamm, klettern über Wände, schlängeln sich an Stacheldrahtzaun entlang. Wie bescheuert muss man eigentlich sein, so etwas freiwillig zu machen?

Ein wenig bescheuert reicht schon. Ich habe gelernt, wie wichtig es ist, mental stark zu sein, meinen Willen zu trainieren und ständig über meine Grenzen hinaus zu gehen. Wir Menschen sind immer auf der Suche nach dem außergewöhnlichen und wollen etwas Neues erleben. Obstacle Course Racing ist genau das Richtige, um auf der Suche nach neuen Herausforderungen fündig zu werden.


Sie waren in der Jugend erfolgreicher Biathlet. Sie haben an deutschen Meisterschaften und waren auf dem "Glück Auf" Gymnasium in Altenberg, einer der Biathlon-Kaderschmieden Deutschlands. Warum haben Sie die Sportart gewechselt?

Mit dem Abitur habe ich meine Karriere als Biathlet beendet. Danach bin ich erstmal zur Bundeswehr gegangen und bin während meiner Dienstzeit durch Zufall auf "Getting Tough - The Race" in Rudolstadt gestoßen. Ich und mein Vater wollten einfach mal probieren, was das für ein Rennen ist – und schon war es um mich geschehen.

Wie kommen Sie zu Ihrem Spitznamen?

Den Spitznamen „Pferdelunge“ habe ich vom Getting Tough Team erhalten. Dort ist es üblich, dass jeder einen Spitznamen hat.

Wie sieht Ihr Training aus?

Ich versuche jede Woche auf ca. 10 Trainingseinheiten zu kommen. Dabei ist es wichtig, den Mix zwischen Kraft- und Lauftraining gut einzustellen. Ist man zu schwer, wird man langsam. Hat man zu wenig Kraft, dann kann man die Hindernisse nicht bewältigen.

Inwieweit spielt die Ernährung während der Vorbereitung eine Rolle?

Die Ernährung ist wie bei jedem Leistungssportler eine Grundlage. Wenn die nicht stimmt, entwickelt sich auch die Leistung dementsprechend schlecht. Ich versuche sehr auf meine Ernährung zu achten und wende dabei Komponenten aus der Dr. Feil Strategie an. Das bedeutet weniger Kohlenhydrate und deutlich mehr Fett und Eiweiß während des Trainings. Hin zur Wettkampfphase erhöht man den Anteil der Kohlenhydrate dann wieder; allerdings kein Zucker, sondern nur Reichhaltiges.

Der größte Verschleiß: T-Shirts

Ihre Ausrüstung ist dabei großen Belastungen ausgesetzt. Halten Ihre Schuhe überhaupt länger als ein Rennen?

Mit dem richtigen Schuhwerk ist das gar kein Problem. Ich laufe bei sehr vielen Rennen den ASICS GEL-Fuji Runnegade. Der Schuh hat schon mehrere Spartan-Races überstanden, unter anderem auch die Weltmeisterschaft am Lake Tahoe. Den größten Verschleiß habe ich bei den T-Shirts. Es kommt nicht selten vor, dass ein neues Shirt schon nach dem ersten Rennen einige Löcher hat. Meistens ist der Stacheldraht daran schuld.

Müssen Sie nebenher arbeiten, um Ihre Sportlerkarriere zu finanzieren?

Aktuell bin ich noch Student. Die Finanzierung läuft zum Teil über Sponsoren. Meine WM-Reise in die USA dieses Jahr musste ich durch Crowdfunding finanzieren. Die Spender sind oft selber leidenschaftliche Sportler, andere finden den Obstacle-Running an sich gut. Es sind aber Freunde und Bekannte dabei, die mich unterstützen. Außerdem arbeite ich als Personaltrainer und gebe meine Erfahrung an Athleten weiter. Für die Zukunft plane ich, Vorträge zu halten.

Welches ist das schwerste Rennen, an dem Sie je teilgenommen haben?

Mit Sicherheit die Spartan-Race-Weltmeisterschaft am Lake Tahoe. Die gesamte Strecke befindet sich auf einer Höhe von über 2000 Metern, dazu extreme Anstiege und viele wirklich schwere Gewichte zum Tragen. Die 200-Meter-Schwimmstrecke war eisig kalt und hat viele Teilnehmer in die Knie gezwungen.


Was unterscheidet ein Biathlon- von einem Hindernisrennen?

Beim Biathlon kennt jeder zu 100% den Ablauf des Rennens. Man weiß einfach, was einen ungefähr erwarten wird. Beim Hindernislauf hingegen brechen die Hindernisse immer wieder den Laufrhythmus und zwingen die Athleten an ihre Grenzen zu gehen. Man braucht einen großen Erfahrungsschatz an verschiedenen Bewegungsabläufen, wenn man die verschiedenen Aufgaben effektiv und schnell lösen will.

Wie lange müssen Sie nach einem Rennen in der Eistonne baden?

Nach dem Tough Guy Race in England gar nicht. Dort ist die gesamte Strecke eine Eistonne. Ansonsten habe ich je nach Belastungsdauer eine Regenerationszeit von zwei Tagen bis hin zu einer ganzen Woche.

Zwei-Meter-Wände sind kein Hindernis

Wie unterscheidet sich die deutsche von der internationalen Obstacle-Run-Szene?

Das Motto in den USA lautet „bigger is better“. Die Hindernisse sind teilweise ausgereifter. Dazu kommen enorme Gewichte, die man als Athlet erstmal bewegen muss: 25 Kilo schwere Sandsäcke, 30 Kilo schwere Holzstämme und genauso schwere Steinkugeln. Außerdem gibt es da noch den Hercules Hoist. Einen 70-Kilogramm-Steinbrocken, den man an einem Seil hochziehen muss. Entscheidend ist auch, viel Kraft im Oberkörper zu haben, damit man sich an den unzähligen Rigs (Kletterleiter, oft auch Ringe; Anm. d. Red.) halten kann. In den USA zählen einfache Eskaladierwände (ca. zwei Meter hohe Holzwand; Anm. d. Red.) nicht mehr als Hindernis. Diese sind mehr ein Teil der Strecke.

Wie realistisch ist es, dass Sie einmal Weltmeister werden?

Mit 22 bin ich noch ein junges Reh. Meine besten Jahre kommen erst noch. Deshalb bin ich sehr optimistisch, dass ich es schaffen kann, einmal Weltmeister zu werden. Auf lange Sicht steht auch eine Teilnahme bei Olympia aus. Die OCR-Gemeinde kämpft dafür, dass unser Sport bis 2024 eine olympische Disziplin wird. Das Spartan Race hat inzwischen ein Beauftragten dafür. Der arbeitet beispielsweise daran, dass man international des Regelwerk auf einen Standard anpasst. Ich glaube, dass die Chancen für Olympia gut stehen. Der Sport im weltweit im Kommen.

Neugierig geworden? Noch mehr über Charles Franzke und zum Thema Obstacle Racing erfahren Sie auf der Homepage des Athleten: www.pferdelunge.com




Florian Pertsch Autor: Florian Pertsch