Wenn ein Mensch prädestiniert war, als erster überhaupt die Zwei-Stunden-Marke zu knacken, dann Eliud Kipchoge. Der 34-Jährige holte bei den Olympischen Spielen 2016 Gold im Marathon und hält derzeit sowohl den offiziellen als auch inoffiziellen Weltrekord.
Schon 2017 versuchte Kipchoge, die Marke unter laborähnlichen Bedingungen zu knacken: Beim Nike-Event „Breaking2“ im italienischen Monza verpasste er sie mit 2:00:25 Stunden nur haarscharf. Sein offizieller Weltrekord liegt bei 2:01:39 Stunden, gelaufen beim Berlin-Marathon 2018.
Anvisierter Lauftag war der 12. Oktober. Bei widrigen Bedingungen hätte auch der Zeitraum vom 13. bis 20. Oktober zur Verfügung gestanden.
Folgende Bedingungen mussten für den Start erfüllt sein:
- Die Temperatur sollte zwischen 9 und 11 Grad liegen. Ineos-Meteorologe Walter Zwieflhofer dazu: „Sollte sie innerhalb der zwei Stunden konstant zwischen 7 und 14 Grad liegen, wäre das aber auch okay“
- Für eine anerkannte Wertung musste die Windgeschwindigkeit weniger als 1,2 Meter/Sekunde betragen.
- Es musste trocken sein: Regen wäre wegen aufspritzendem Wasser und der erhöhten Gefahr von Krämpfen ein No-Go. Die Luftfeuchtigkeit sollte 80 Prozent nicht überschreiten.
Da bereits am Samstag, den 12. Oktober die Rahmenbedingungen passten, konnte Kipchoge um Punkt 8:15 Uhr morgens loslaufen, begleitet von einem Tross ständig wechselnder Tempomacher. Fast alle vier Kilometer wurden diese insgesamt 41 Topläufer, die insgesamt 50 Medaillen bei Olympia, WM und EM gewonnen haben, ausgetauscht.
Das Ziel: Kipchoge musste durchgehend ein Tempo von etwas mehr als 21 km/h laufen. Ein Kilometerschnitt von 2:50 Minuten war das Ziel, und Kipchoge und seine Helfer legten ihn hin. Über das ganze Rennen hinweg. Wie ein Uhrwerk. Ein Begleitfahrzeug vor dem Läufertross half, indem es via Lasertechnik eine Orientierungslinie für die berechnete Zeit auf den eigens verlegten, speziellen Asphalt warf.
Kipchoge lief - geschützt im Wind - inmitten sener Tempomacher. Erst auf die letzten rund 300 Meter ließem sie ihn den Vortritt. Mit der inoffiziellen Einlaufzeit von 1:59:40 Stunden unterbot er die Zielmarke um unglaubliche 20 Sekunden. Allein auf den letzten 2 Kilometern war Kipchoge noch einmal zehn Sekunden schneller als von seinem Team zuvor berechnet. Ein unglaublicher Kraftakt!
Für Fran Millar, CEO des Ineos-Teams, war Wien die perfekte Wahl. Zum einen, weil im herbstlichen Mitteleuropa die Umweltbedingungen für einen möglichst schnellen Lauf gegeben sind, aber auch, weil die Stadt mit ihrem jährlichen Marathon-Lauf fest in der Szene verankert ist: „Wir wollten Zuverlässigkeit, Authentizität und einen Ort mit einer gewissen Vertrautheit für Marathon-Fans, die regelmäßig Rennen verfolgen. Und das ist in Wien gegeben.“
Zudem war die Strecke perfekt für den Ineos-Versuch präpariert: Die Prater Hauptallee, die Kipchoge insgesamt 4,4 Mal auf und ab lief, wurde neu asphaltiert. Eine eigens errichtete überhöhte Kurve am Lusthaus sollte zudem eine Zeitersparnis von insgesamt 13 Sekunden bringen. Mit einer Steigung von gerade einmal 2,40 Metern war der Streckenverlauf zudem optimal für die Hatz nach Bestzeiten. Die Bäume am Streckenrand schützten vor Windböen.
Nein. Die Rahmenbedingungen für Kipchoge waren andere als bei offiziell ausgerichteten Marathons des Leichtathletikverbandes IAAF. Daher gilt die neue Fabelzeit lediglich als inoffizieller Weltrekord. So musste er sich nicht auf feste Verpflegungsstationen beschränken, sondern hatte jederzeit Zugriff auf Verstärkung.
Ein noch größerer Vorteil waren allerdings seine Tempomacher: Während diese bei üblichen Rennen vom Start weg bis etwa Kilometer 30 das Tempo hochhalten können, um dann abreißen zu lassen, bekam Kipchoge immer wieder frische Pacemaker, und das bis kurz vor dem Zieleinlauf. Das heißt auch: Viel mehr Windschatten über eine viel längere Distanz als bei üblichen Läufen.
Lange hatte der britische Chemie-Konzern herzlich wenig mit Sport zu tun. Das änderte sich ab 2017 mit dem Kauf des Schweizer Fußballklubs Lausanne-Sport. Ein Jahr später stieg das Unternehmen in den Segelsport ein und wurde Hauptsponsor des "Ineos Team UK", das mit Sege-Ikone Sir Ben Ainslie 2021 den America's Cup gewinnen will.
2019 ist nun das bislang sportlichste Jahr der Firmengeschichte: Im Mai übernahm Ineos das erfolgsverwöhnte Radsportteam Sky. Auch unter dem neuen Namen „Team Ineos“ waren die Seriensieger bei der Tour de France erfolgreich: Der Kolumbianer Egan Bernal gewann die renommierte Rundfahrt und damit den ersten Titel für Ineos.
Im Sommer folgte der nächste Schritt, als Ineos den französischen Fußball-Erstligisten OGC Nizza kaufte. Laut Medienberichten ließ sich das Unternehmen den Traditionsverein 100 Millionen Euro kosten.
Billig dürfte auch die Ineos 1:59 Challenge für Ineos nicht gewesen sein: Nike kostete der erste, gescheiterte Versuch vor zwei Jahren insgesamt 30 Millionen Euro. Nun galt es, noch mehr hochkarätige Pacemaker und ein Event mitten in der Wiener Innenstadt zu organisieren und bezahlen.
Der deutsche Marathon-Läufer Philipp Pflieger ist sich sicher, dass der Erfolg für den Konzern dennoch ein Coup ist. Er sagte dem Spiegel vor dem Lauf: „Er nutzt den Sport für seine Zwecke; karrt viele Tempoläufer und Experten nach Wien, die Kipchoge unterstützen sollen, das kostet viel Geld. Aber klar: Wenn es klappt, dann ist es ein geiler Marketingstunt.“
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