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Max Schumann
INTERVIEW/23.06.2022

Profisport & Mutterglück? Radprofi Ines Thoma verrät wie's geht

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Junge Mutter, erfolgreiche Profibikerin, neugierige Weltenbummlerin – wie geht das zusammen? Ines Thoma spricht im Interview mit ISPO.com über Freud und Leid, Zweifel und Bestätigung, Mut und Zuversicht.

Gleich nach dem Studium hat Ines Thoma ihre Lehrerinnen-Laufbahn beendet und sich stattdessen aufs Enduro-Racebike geworfen. Zehn Jahre lang bereiste sie als Deutschlands beste Fahrerin die Welt. Und vor über einem Jahr sprang dann Tochter Romy in den Fahrradanhänger. Seitdem versucht die Allgäuerin den Spagat zwischen Mutterfreuden und Wettkampfherausforderungen zu meistern. Erfolgreich. Kürzlich belegte die 32-Jährige bei der Enduro World Series (EWS) in Petzen den siebten Platz. Bereits hochschwanger erfüllte sich zudem einen Traum: Gemeinsam mit Max Schumann realisierte sie das Buchprojekt „Toskana Trails: Mountainbiken & Dolce Vita im Herzen Italiens“. Sie erzählt uns, wie die Mountainbike-Szene in Italien tickt, warum italienische Trailbauer anders sind, und wie sich die Rückkehr in den internationalen Profisport mit Kind anfühlt.

2020 in Alpe d’Huez zum letzten Mal auf dem Siegertreppchen – jetzt Platz 7 in Petzen: Ines Thoma ist zurück!
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Max Schumann

ISPO.com: Gratulation, Ines, du bist zurück im Profisport. Nachdem deine Tochter Romy gerade mal etwas über ein Jahr alt ist. Wie fühlst du dich?

Ines Thoma: Das war wirklich ein cooles Wochenende in Petzen. Ich bin auf der Pro Stage unter die besten Zehn gerutscht. Das übertrifft alle meine Erwartungen. In diesem Zusammenhang: Dankeschön an meine Mama und Max (Schumann, Anm. d. Red.), die mir – nicht nur dieses Wochenende – auf so viele Arten geholfen haben.

Wie war es denn zu anfangs, in der internationalen Profi-Mountainbike-Szene mit Kind aufzutauchen?

Der Wettkampfsport ist schon sehr männerdominiert. Ich habe das auch an meinem Team gemerkt, dass es einfach auch Männer gibt, die automatisch der Meinung sind, ist halt jetzt eine Frau mit Kind. Die wird sicher keine Wettkämpfe mehr bestreiten. Das ist von denen auch gar nicht böse gemeint. Unsere Gesellschaft ist da noch nicht so weit, dass es zu 100 Prozent ausgeglichen läuft. Und das kann es ja auch nicht. Es braucht halt immer jemanden, der beim Kind ist, und automatisch ist es oft die Mama – auch wegen des Stillens. Aber die meisten finden es wirklich cool. Und ich glaube, da ist es den Leuten auch fast wurscht, was für ein Ergebnis ich einfahre. Am Anfang habe ich gedacht, ich muss jetzt jedem beweisen, dass ich immer noch vorne mitfahren kann – vor allem mir selbst. Und jetzt habe ich gemerkt: Ich kann es nicht mehr.

Freizeit-Ausfahrt im Allgäu: Ines Thoma mit Tochter Romy
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Und vor drei Wochen hast du ja auch noch gezweifelt, ob du es schaffst, alle Strecken zu fahren, und den Wettkampf in Petzen zu beenden. Wie viel hast du in den vergangenen Wochen und Monaten trainiert?

Ich habe oft nur Zeitfenster von zwei, drei Stunden, wenn meine Mama beispielsweise auf Romy aufpasst. Und bis dato bin ich noch nicht viele Wettkämpfe gefahren. Aber das wäre ja auch der Wahnsinn, wenn ich das könnte. Meine Jahre davor, ohne Kind, habe ich acht Stunden am Tag mit Training verbracht. Das war ein Vollzeitjob – mit Regeneration, Dehnen, Yoga, Physiotherapie, Massage, und, und, und. Ich musste auch mal mit dem Auto zu einem Bike-Park oder zu gewissen Downhill-Strecken fahren, oder mein Rad herrichten. Und schwupp ist so ein Tag rum. Den Anspruch habe ich jetzt nicht mehr. Wenn ich realistisch bin, geht es auch nicht. Aber trotzdem finde ich es cool, dass ich sagen kann: Ich mache trotzdem noch diesen Beruf. Und ich bleibe vielleicht trotzdem in der Radszene. Irgendwie werde ich schon meine Sachen finden – mit Kind.

Wie beispielsweise das Buchprojekt „Toskana Trails“, welches du – hochschwanger – gemeinsam mit deinem Lebensgefährten Max Schumann realisiert hast. Tickt die Mountainbike-Szene in Italien eigentlich anders?

Absolut nicht. Da bist du irgendwo in der Pampa, dann kommt ein Mountainbiker und zack unterhält man sich! ‚Wo kommst du her? Welcher Trail ist cool? Und übrigens: Heute Abend macht meine Nonna in Florenz einen Grillabend. Kommst du auch vorbei?‘ Und zack, hat man da irgendwie Freunde gefunden. Das finde ich einfach ganz toll. Wenn man für das Gleiche brennt und dadurch gleich gesinnt ist.

Woran liegt das?

Weil so eine Community die Menschen einfach verbindet. Also ich glaube gar nicht, dass das radspezifisch ist. Das gibt es so in vielen anderen Bereichen. Deswegen ordnen sich die Leute auch Vereinen zu. Die einen sind Briefmarkensammler und die anderen sind Vespa-Liebhaber. Weil du dann einfach Menschen triffst, die dir erstmal gleich gesinnt sind. Du hast sofort Gesprächsthemen und das finde ich wunderbar.

Internationale Mountainbike-Szene: tolle Community
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Trotzdem glaube ich, dass die Mountainbike-Szene da schon anders tickt. Vom Wandern kenne ich das beispielsweise nicht.

Das stimmt, aber vielleicht auch noch beim Skifahren. Und mein Bruder ist Gleitschirmflieger – die haben auch eine gute Community. Aber bei den Bikern ist es schon anders. Das sind alles Naturliebhaber. Die Mountainbiker sind ja nicht die, die Müll in den Wald schmeißen, wir wollen ja die Natur genießen. Deshalb müssen die Trails vernünftig gebaut werden, dass sie sich nicht immer weiter auswaschen oder sich tiefe Rinnen bilden, sondern wirklich ein schön verlaufender Weg sind. Die Trails bieten einfach so vielen Leuten ein faszinierendes Naturerlebnis. Ich finde, wenn eine Skipiste gebaut wird, ist das ein viel krasserer Eingriff in die Natur. 

Reisen wir gen Süden – euer Buch hat ja den Untertitel „Mountainbiken & Dolce Vita im Herzen Italiens“ – was macht das Land für dich zu einem guten Bike-Ziel?

Wir Deutschen lieben Italien einfach – gell? Das geht ja nicht nur uns so, sondern vielen. Fast jeder liebt italienisches Essen, das Dolce Vita, den Lifestyle. Und als Mountainbiker ist es dort einfach toll, weil die Italiener einen Schritt weiter sind als wir. Natürlich haben sie dort ein bisschen mehr und weniger dicht besiedelte Landschaft zur Verfügung und ein bisschen mehr Berge. Damit haben sie bessere Voraussetzungen, aber die machen auch was draus

Traum-Trails in der Toskana – Meerblick inklusive  
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Max Schumann

Was meinst du damit?

In Deutschland ist vieles sehr bürokratisch: Beispielsweise wer übernimmt jetzt die Haftung für diesen oder jenen Singletrail? Es ist oft wahnsinnig viel Heckmeck. Und in Italien habe ich oft das Gefühl, die haben halt diese gewisse Art von Entspanntheit, dass sie einfach mal machen. Im Endeffekt ist es genauso kompliziert. Also, die italienische Bürokratie ist furchtbar. Wir haben uns ja mit einigen Singletrail-Bauern unterhalten. Bis dann wirklich Gelder gesammelt oder Sachen legalisiert sind, ist es auch nicht einfacher als bei uns. Aber die machen es halt. Die legen einfach los. Viele erkennen auch die Wichtigkeit des Tourismus, gerade für Regionen, die sonst nicht so viel zu bieten haben wie in der Garfagnana. Da ist nicht so viel los, da ist Platz und dann ist es ja geil, wenn die Mountainbiker kommen. Und bei uns heißt es oft: ‚Wie machen wir dies, wie regeln wir das?‘ Das ist einfach in Italien schon einen Tick besser.

Wie wichtig ist dir das Dolce Vita beim Mountainbiken?

Mir ist total wichtig, dieses Lebensgefühl zu transportieren, also nicht nur die Touren und den Sport, sondern auch das Entspannen. Und wir wollten eine Balance im Buch haben – so wie wir gerne Urlaub machen. Wenn jemand auch nicht so viel recherchieren, und nicht zu viel denken will im Urlaub. Man will ja nicht ständig am Handy hängen. Und dann hat man hoffentlich noch einen ähnlichen Geschmack wie wir, schaut in unser Buch, und sieht: Hier ist ein schöner Strand, ein Café und hier kann ich jetzt radeln gehen. 

Mountainbiken und Dolce Vita – der etwas andere Bike-Führer
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Delius Klasing Verlag

Ihr lasst aber auch Singletrail-Bauer zu Wort kommen – wieso?

Das war der andere Punkt: Wir wollten einfach die Leute hinter den Kulissen vorstellen, sie in den Fokus rücken, weil die sehr gerne vergessen werden. Gerade von Urlaubern. Sie kommen an einen Ort und da liegen dann drei Bäume im Weg, und zack beschwert sich schon wieder jemand: ‚Da ist ja gar nicht aufräumt‘.

Deshalb stellt ihr acht Trail-Bauer in verschiedenen Regionen vor? 

Ja, denn die Wenigsten machen sich Gedanken, wer räumt denn da überhaupt auf? Wie viele Stunden Arbeit stecken in so einem Trail, dass der so viel Spaß macht? Und kriegt der Trail-Bauer eigentlich Geld dafür? Oder macht er das ehrenamtlich? Das ist wirklich eine Gefahr, das erlebe ich oft. Und deshalb finde ich es total wichtig, die Helden hinter den Kulissen zu Wort kommen zu lassen. Denn jeder, der noch nie einen Trail gebaut hat, weiß gar nicht, wie viel Arbeit das macht.

Aus diesem Grund wollt ihr in eurem nächsten Buch wieder mit einigen Trail-Bauern sprechen?

Ja, wir haben gerade angefangen, unser zweites Buch zu recherchieren. Das Format wird ähnlich wie von „Toskana Trails“. Nur über eine andere Region, die wir ebenfalls sehr lieben. Mehr möchte ich dazu aber noch nicht verraten…

Dann verrate uns doch dein nächstes Sport-Projekt?

Dieses Wochenende gehe ich in Canazei wieder bei der EWS an den Start. Zum einen, weil es in Petzen so viel Spaß gemacht und es so schön war, alle Freunde zu treffen. Zum anderen auch deswegen, weil die Dolomiten einfach der Wahnsinn sind. Und ich hoffe, dass ich wieder einigermaßen vorne mitfahre. Aber ich schaue mir das dieses Jahr einfach mal an, wie es läuft, und vielleicht sage ich dann, dass das Rennen-Fahren nichts mehr für mich ist. Wir werden sehen.

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