Hans Kammerlander ist inzwischen 63 Jahre alt und aus dem „alpinen Wettlauf“ ausgestiegen. Am glücklichsten macht die Bergsteiger-Legende, die zwölf der 14 Achttausender bezwungen hat, inzwischen das Skifahren und Bergsteigen in der Heimat Südtirol. Dann empfindet Kammerlander manchmal wieder das „Gipfelglück“, das ihn einst in seiner Jugend zu seiner Ausnahme-Karriere als Bergsteiger motiviert hat.
„Die Freude ist zurück. Im Profileben ging es nur noch um Gipfelerfolge“, erzählt Kammerlander auf der ISPO Munich. Der Ausnahme-Alpinist, der einst die erste komplette Skiabfahrt vom Mt. Everest versuchte, findet die heutige Massen-Besteigung des höchsten Berges der Welt wegen des Mülls und der Natur-Zerstörung schlimm: „Das ist kein Alpinismus mehr, sondern Tourismus. Man darf nicht hingehen und die Berge vergewaltigen.“
Kammerlander findet im Rückblick auf seine Erlebnisse, dass Alpinisten oft viel zu sehr Egoisten seien: „Das ist überflüssig. Und es geht auch darum, etwas zurückzugeben.“ Deshalb hilft er in der Heimat der meisten Achttausender in Nepal mit einer Gruppe von Freunden dabei, Kinder zu unterstützen.
26 Schulen sind so in dem bitterarmen Land in den letzten 25 Jahren schon gebaut worden. Kammerlander ist damit nicht allein: Die Sorge um die nächste Generation treibt auch Ski-Stars wie Lindsey Vonn, Felix Neureuther oder Aksel Lund Svindal an.
Der Egoismus in der Bergsteiger-Szene ist allerdings weiter auf dem Vormasch, findet mit Krzysztof Wielicki ein weiterer Bergsteiger-Routinier. Der Pole feierte auf der ISPO Munich nicht nur seinen 70. Geburtstag sondern auch den 40. Jahrestag seiner historischen Winter-Besteigung des Mt.Everest.
„Was mir inzwischen auffällt: Die Kletterer gehen nun alleine auf den Berg, schreiben dann aber nicht die Story des Kletterns weiter, sondern ihre eigene, persönliche Story“, so der Mann, der alle Achttausender bestiegen hat. In Zeiten der sozialen Medien wird tatsächlich nicht nur in der Bergsteiger-Szene die eigene Selbstinszenierung immer wichtiger.
Natürlich ist speziell für Profibergsteiger unerlässlich, ihre einmaligen Erlebnisse zu monetarisieren. Entscheidend ist nach Meinung von Extrembergsteiger Robert Jasper dabei aber, dass man zum Beispiel in Vorträgen vor allem die Liebe zu Natur und die Wichtigkeit der Nachhaltigkeit des Alpinismus vermittle: „Auch wir als Bergsteiger müssen schauen, dass wir unseren ökologischen Fußabdruck so klein wie möglich halten.“ Gerade in Zeiten des Klimawandels, in dem die Gletscher immer schneller schmelzen.
Von Verboten hält einer der weltbesten Extrembergsteiger trotzdem nicht viel. Aber der Schwarzwälder lebt vor, dass man statt der inzwischen fast zum Mainstream gehörenden Besteigung von Achttausendern als Bergsteiger auch heute noch echte Abenteuer erleben kann.
Nach einer Solo-Grönland-Expedition (2018) im Kanu, ist er vor ein paar Wochen von einer Tour aus Patagonien zurückgekehrt. Highlight des vierköpfigen Teams dort war die erste Nonstop-Besteigung des Cerro Largo. Zwar „nur“ 2799 Meter hoch, aber durch bislang von Menschen nahezu unberührtes Terrain.
„Auf diesen weißen Flecken auf der Landkarte kann man noch echte Abenteuer Leben, statt immer auf ausgetrampelten Pfaden wandeln“, sagte Jasper auf der ISPO Munich.
Auch Kammerlander findet, dass für Bergsteiger gar nicht die Zahl der Gipfel entscheidend sein sollte, sondern die neuen Linien und unentdeckten Wege, die man gegangen sei. Ein Spezialist darin ist Adam Ondra, der als erster Kletterer eine 9c-Route durchstiegen hat.
Der Tscheche wird aller Voraussicht nach auch bei den Olympischen Spielen 2020 antreten, wenn Klettern seine Olympia-Premiere feiert.
„Ich glaube, es wird Klettern noch populärer machen. Wir als Kletter-Community haben eine Verantwortung, den Leuten, die aus den Kletterhallen kommen, zu zeigen, wie sie sich im Freien verhalten sollen und dass sie jetzt in der Natur sind – und dass sie diese gut behandeln müssen.“
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