Bundeskanzlerin Angela Merkel hat ihr persönliches DFB-Trikot natürlich schon bekommen. Knapp zwei Monate vor Beginn der Fußball-WM (14. Juni bis 15. Juli) überreichten Bundestrainer Jogi Löw und Teammanager Oliver Bierhoff der weltweit wohl bekanntesten Anhängerin des deutschen Teams ein Leibchen mit ihrem Namen und der Rückennummer 4.
Die Bundeskanzlerin bekam das begehrte Jersey als Geschenk, für „normale“ Kunden werden für das Replica-Trikot laut unverbindlicher Preisempfehlung von Adidas exakt 89,95 Euro fällig. Für das erstmals erhältliche Authentic-Trikot mit Hightech-Materialien, das auch die Stars auf dem Feld tragen, werden sogar 129,95 Euro aufgerufen.
Doch dann kam dass frühe Vorrunden-Aus der deutschen Nationalmannschaft – und damit die ersten Rabattaktionen im Einzelhandel. Mittlerweile verkaufen die Online-Shops die Trikots weit unter dem Ursprungswert. Ausrüster Adidas kann der erfolglose Auftritt des DFB-Teams in Russland nicht schmecken. Das ließ auch Vorstand Roland-Auschel bei seiner Keynote auf dem ISPO-Digitize-Summit durchblicken. Laut „Handelsblatt“ entgehen Adidas damit 40 Millionen Euro.
Das Design des weiß-schwarz-grauen Heim-Trikots mit einem Ring aus Rauten soll an die WM 1990 in Italien erinnern, als Deutschland mit Lothar Matthäus als Kapitän Weltmeister wurde. Beim Auswärts-Trikot spielt die Hoffnungsfarbe grün wie damals die Hauptrolle.
Bei der vergangenen Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien verkaufte Adidas über drei Millionen Deutschland-Trikots. Insgesamt setzte der Sportartikel-Gigant im Jahr des deutschen WM-Triumphs Trikots, Fußballschuhe, Bälle und Fanartikel für die Rekordsumme von etwa 2,1 Milliarden Euro um.
„Im Fußball sind wir klarer Marktführer weltweit und sponsern bei der WM im kommenden Jahr elf Mannschaften. Insgesamt rechne ich 2018 mit einem deutlichen Anstieg der Adidas-Trikotverkäufe wegen der WM. Dabei hoffen wir, dass unsere Teams möglichst weit kommen: Mit Deutschland, Spanien und Argentinien rüsten wir ja drei der Favoriten aus“, hatte Adidas-Vorstandschef Kasper Rorsted im Vorfeld der WM mit der „Rheinischen Post“ gesagt. Dadurch sei man auch nicht abhängig vom Erfolg einer Mannschaft, wie Rorsted im Gespräch mit dem „Handelsblatt“ betont. Nach dem Achtelfinale sind alle drei Favoriten ausgeschieden.
Seit seinem Amtsantritt am 1. Oktober 2016 hat der neue CEO die Marke mit den drei Streifen zu immer neuen Bestmarken geführt. Unter CEO Kasper Rorsted hat sich der Aktienkurs verdoppelt, 2017 sprang der Jahresumsatz erstmals über die Marke von 20 Milliarden Euro und der Gewinn stieg auf über zwei Milliarden Euro.
Das Trikot der Weltmeister Manuel Neuer, Mesut Özil und Co soll in diesem Jahr zu neuen Rekorden beitragen – schließlich ist es auch so teuer wie nie zuvor. Seit der Heim-WM 2006 ist der Preis um satte 25 Euro pro Replica-Leibchen gestiegen. Das bringt mehr Geld in die Kassen, allerdings muss Adidas auch deutlich mehr Geld dafür ausgeben, Weltmeister Deutschland ausrüsten zu dürfen.
Dass sich diese Partnerschaft am Ende lohnen muss, weiß auch Rorsted. Im Gespräch mit dem „Handelsblatt“ lässt er anklingen, dass die Zusammenarbeit mit dem DFB längst nicht in Stein gemeißelt ist. Man sei aufgrund der bestehenden Ausrüsterverträge mit den anderen Nationen nicht von der deutschen Nationalmannschaft abhängig. Nichtsdestotrotz ist die Partnerschaft zwischen dem größten deutschen Sportunternehmen und dem DFB eine logische und wichtige.
Statt bislang etwa 25 Millionen Euro jährlich müssen nach der Vertragsverlängerung bis 2022 nun mindestens 50 Millionen Euro per annum gezahlt werden, mit Prämien kann die Summe noch einmal um bis zu 20 Millionen Euro steigen. Das sind aber zweifellos lohnende Investitionen, schließlich verbessern sie neben den Einnahmen über den Verkauf von Trikots auch das Image der Marke.
Laut einer Interbrand-Studie gehört Adidas zu den Marken, die 2017 am stärksten zulegten. In der weltweiten Marken-Rangliste ist das Unternehmen aus Herzogenaurach von Platz 60 auf 55 aufgestiegen. Und CEO Kasper Rorsted will die weltweite Nummer 2 der Sportartikel-Industrie nach Branchenprimus Nike auch mit Hilfe des Deutschland-Trikots noch bekannter und profitabler machen.
„Ein wichtiger Treiber ist unser Online-Geschäft, das wir stark ausbauen. 2016 stieg unser Internetumsatz um 60 Prozent auf eine Milliarde Euro. Bis 2020 soll er sich vervierfachen. Das steigert die Rendite überdurchschnittlich, weil wir im Online-Geschäft deutlich profitabler aufgestellt sind“, sagt Rorsted. „Wir sind ein digitales Unternehmen geworden“, erklärte Kasper Rorsted bei der Bilanz-Pressekonferenz im März 2018.
Deshalb ließ Adidas das Deutschland-Trikot nach der Präsentation im November 2017 erstmal anfangs nur über die eigenen Online-Shops, Adidas-Stores und den DFB verkaufen. Das irritierte natürlich die Einzelhändler, insbesondere der großen Verbundhändler, die bislang den Löwenanteil der Millionen Deutschland-Trikots an den Kunden gebracht haben.
„Natürlich hat diese Maßnahme bei einem so wichtigen Artikel wie dem Trikot des DFB-Teams Einfluss auf die Umsatzchancen unserer Händler", sagte Intersport CEO Kim Roether zu ISPO.com. Anders als bei früheren WM-Turnieren hat Intersport dieses Mal die Order seiner Händler nicht über das zentrale Lager in Heilbronn abgewickelt – jeder Händler musste einzeln bestellen.
Hinter den Kulissen brodelte es – auch weil der Großhandel schon im Herbst 2017 seine komplette Order bis einschließlich Sommer 2018 für das deutsche WM-Trikot abgeben musste.
Adidas verteidigt sich gegen die Kritik. „Der Fachhandel ist nach wie vor ein wichtiger Partner für uns", sagte eine Sprecherin der SZ. „Aber die digitalen Vertriebskanäle werden eben auch immer wichtiger. Wir gehen dahin wo unsere Konsumenten sind. Die kaufen immer häufiger im Netz ein, also wollen wir ihnen dort ein besonderes Einkaufserlebnis bieten.“
Im Interview mit ISPO.com ließ Vertriebsvorstand Roland Auschel allerdings durchblicken, dass die Online-First-Aktivierung des deutschen WM-Trikots im Handel und auch intern durchaus umstritten aufgenommen wurde: „Darüber haben wir mit unseren Kunden lange im Vorfeld diskutiert. Wir sagen auch nicht, dass wir das beim nächsten Mal wieder machen müssen. Aber wir sind überzeugt, dass wir neue Dinge ausprobieren müssen, um zu sehen, was der Konsument haben möchte“, sagte Auschel zu ISPO.com.
Zudem ist die Marke mit den Streifen neben der zunehmenden Konkurrenz durch Eigenmarken bei den Händlern auch verärgert, dass das Deutschland-Trikot vielerorts deutlich unter den unverbindlichen Preisempfehlung verkauft wird. In einigen Shops gibt es das DFB-Trikot schon ab 60 Euro.
Was viele nicht wissen: Den Löwenanteil vom empfohlenen Verkaufspreis von 89,95 Euro für ein Trikot – nämlich knapp 40 Euro – bekommen die Händler. Ihre Gewinnspanne ist damit auch am größten.
Adidas bleiben pro verkauftem Shirt laut der Marketinggesellschaft PR Marketing etwa 17 Euro, für Produktion und Transport sind nur 8,60 Euro eingeplant. Der DFB kassiert 5,50 Euro Lizenzgebühr pro Hemd, der Staat freut sich über 14,36 Euro Umsatzsteuer. Beim eigentlichen Hersteller und dem Transporteur landen nur noch 8,60 Euro pro Hemd, der Rest sind Marketing- und Vertriebskosten.
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