Das aktuelle Weihnachtsgeschäft hat es gerade bewiesen: Online Shopping hat derzeit viele Vorteile: mehr Auswahl, Schnäppchenpreise, viele Produktinformationen, Zeitersparnis, 24-Stunden-Einkaufsmöglichkeit. All das sind schwergewichtige Argumente, die dem stationären Handel das Leben schwer machen. Was ist zu tun? „Hier muss dringend etwas passieren“, sagt Professor Holger Moths von Prof. Moths Architekten. Der Architekt hat schon vor Jahren die preisgekrönten Globetrotter-Häuser entwickelt und 2018 mit dem L&T Sporthaus in Osnabrück einen weiteren Meilenstein gesetzt.
Der Einkauf muss zum Erlebnis werden und so das Onlineangebot auf unschlagbare Weise ergänzen. Darin sind sich die Experten einig. Der Sportfachhandel hat hierfür die besten Voraussetzungen. Maik Drewitz vom Ladenbauspezialist Umdasch The Store Makers: „Gerade der Sporthandel kann hierfür sein junges, dynamisches Image nutzen, besonders durch das Schaffen von Erlebnisflächen. Kaum ein anderes Produkt eignet sich dafür so gut, wie Sportartikel, die man am besten vor Ort ausprobiert.“ Wie das gehen kann, zeigen diese Beispiele.
Unbestritten gehört das Sporthaus L&T in Osnabrück zu den absoluten Vorzeigeprojekten des Sportfachhandels in 2018. Was dort realisiert wurde, sucht seinesgleichen. Vom ersten Kaufhaus der Welt mit stehender Welle bis hin zum hauseigenen Fitnessclub mit integriertem Höhentraining inszeniert sich L&T als echtes Erlebniszentrum für Sport. „Hier werden Einkaufen und das Ausprobieren des Sortiments zum Erlebnisshopping vereint und auch jüngere Kunden aus der online-Generation wieder in ein Ladengeschäft gezogen“, erklärt Holger Moths.
Nach gut zwei Jahren Umbau wurde im Oktober das Sporthaus Schuster in München wieder eröffnet. Auf sieben Stockwerken und über 5.000 Quadratmetern - das sind etwa 1.000 mehr als zuvor - gibt es jetzt ein noch umfangreicheres Sortiment an Sportartikeln, das sich an neuen Zielgruppen ausrichtet. Neu ist eine Urban Outdoor Abteilung, eine Sportetage für Frauen, eine Bar und ein Boulderbereich. Blocher Partners hat das Projekt realisiert. Jutta Blochers Fazit: „Schuster verwebt viele kleine Events kompetent zu seiner Story. Beispiele sind die Sportetage für Frauen im ersten Obergeschoss oder die multifunktionale Fläche im Dachgeschoss, die Raum für Yogakurse, aber auch für andere Veranstaltungen bietet, und die Gastronomie.“
Die stationäre Ladenwelt darf nicht länger von der Onlinewelt separiert werden. Beides gehört zusammen und erschafft Raum für neue Ideen. Wolfgang Gruschwitz hat sich mit seinem Unternehmen auf digitale In-Store-Lösungen spezialisiert und bietet dafür im Münchener Showroom ein „Digital Transformation Lab“ an, wo man die Technik hautnah erleben und ausprobieren kann. Gruschwitz: „Die digitale Unterstützung wird immer wichtiger werden: Eine Verbindung zwischen analogen, haptischen Erlebnissen - clever kombiniert mit der datensammelnden, informierenden, verfügbarmachenden und logistisch unterstützenden Digitalisierung.“
Das neue Intersport Konzept macht in vielen Bereichen einen Schritt nach vorne: Mehr Kundenansprache, mehr Emotionalität, mehr digitale Elemente. Digitale Technik kann Prozesse verkürzen, zusätzliche Informationen liefern und letztlich helfen, den Kunden besser zu verstehen. Tina Jokisch von Schwitzke & Partner, die das neue Konzept von Intersport entwickelt haben: „Zusätzlich kann sie den Berater im Laden stärken, damit er sich uneingeschränkt um den Kunden kümmern kann. Denn dessen Bedürfnisse stehen in Zukunft zu 100 Prozent im Mittelpunkt.“
„Der Laden wird zur Werkstatt und zum Experimentierfeld mutieren, die Produkte werden erlebbarer und individueller gestaltet“, so die Prognose von Wolfgang Gruschwitz. Aktuelles Beispiel hierfür ist Nike. Gleich zwei spektakuläre Neueröffnungen hatte Nike diesen Herbst zu bieten: Die Eröffnung des neuen Nike Flagship Stores in New York, das sogenannte House of Innovation 000 an der Fifth Avenue, und das ebenso ehrgeizige House of Innovation 001 in Shanghai. Dort gibt es im fünften Stock das Nike Expert Studio, wo Kunden ihre Produkte customizen können. Der Bereich wirkt so, als sei der Kunde direkt in der Design-Etage von Nike gelandet mit vielen Materialproben und Computern.
Zwischen Shopping und Kaufen muss unterschieden werden. Ziel der neuen Storekonzepte ist weniger der Verkauf – der kann auch später noch online erfolgen, als die Schaffung einer engen Verbindung zum Kunden. Gastfreundschaft bzw. „Hospitality“ sind daher ein wichtiges Keyword für Ladendesigner. Hierfür werden gerne Gastronomie-Konzepte in Läden integriert. Im neuen Burton Flagshipstore in Innsbruck wurde beispielsweise eine Bar eingebaut, die ganz unaufgeregt zum Verweilen einlädt. Gruschwitz: „Wichtig ist, dass der Kunde zurückkommt, dass er sich mit dem Ort verbindet und diesen als Lösungsstätte und Beratungsplatz, kurzum als „Place To Be“ für Sport oder Mode empfindet.“ Auch z.B. Tommy Hilfiger verbindet im Londoner Flagshipstore digitale Elemente mit dem Thema Hospitality. „Im Café des Stores, dem People's Place, haben die Besucher über interaktive Screen-Tables Zugang zum Online-Store des Labels, die Möglichkeit für Click & Collect-Bestellungen sowie ein eigenes City-Magazin mit den angesagtesten London-Tipps“, so Tina Jokisch von Schwitzke & Partner, die den Store realisiert haben.
Welche Rolle spielt das Verkaufspersonal in diesen ausgeklügelten Designtempeln? Mit dem Fokus auf den Erlebnischarakter von Geschäften rückt der Mensch mehr denn je in den Vordergrund. Tina Jokisch: „Der menschliche Faktor in Form kompetenter, serviceorientierter Mitarbeiter wird von vielen Händlern unterschätzt! Ohne gutes Personal, das den Besucher inspiriert und ein gutes Gefühl hinterlässt, ist der schönste Laden nur halb so viel wert.“
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