Die Türkei kann ein attraktiver Standort für die Herstellung von Bekleidung und Textilien sein. Sie liegt strategisch günstig zwischen Europa und Asien, am Knotenpunkt von politischen, wirtschaftlichen und geographischen Grenzen. Mit einer Entfernung von gerade einmal 2.200 Kilometern zwischen Istanbul und Berlin zählen die Nähe der Türkei zur Europäischen Union (EU) und die Mitgliedschaft in der EU-Zollunion zu den attraktivsten Vorteilen.
Der Körperschaftsteuersatz liegt derzeit bei 22 % und ist somit drei Prozent niedriger als der der beiden wichtigsten Konkurrenten für Bekleidungsexporte, China und Bangladesch. Um Geschäfte und Investitionen in der Türkei so attraktiv wie möglich zu gestalten, wurde der Genehmigungsprozess optimiert, sodass man dort im Schnitt innerhalb von gerade einmal sieben Tagen ein Unternehmen gründen kann. Mehr noch, die Regierung hat eine Reihe von Anreizen und Fördermöglichkeiten zur Stärkung und Expansion der verarbeitenden Industrie geschaffen.
Mit etwa einer Million offizieller Arbeitskräfte werden in fast 53.000 Fabriken jährlich Bekleidung und Textilien im Wert von zweistelligen Milliardenbeträgen hergestellt. 2017 hat die Türkei Bekleidung im Wert von 14,8 Milliarden US-Dollar exportiert, Sportbekleidung eingeschlossen. Der Löwenanteil dieser Waren – 73 % – wurde in die EU exportiert.
Trotz dieser mächtigen Zahlen gibt es jedoch auch Herausforderungen, die die Türkei meistern muss. Angesichts dieser Herausforderungen lautet für Unternehmen die Frage: Lohnt sich die Türkei noch?
Obwohl die Türkei über eine große und gut ausgebildete Arbeiterschaft verfügt, liegen die Lohnkosten im Vergleich zu anderen Produktions-Hotspots bei relativ hohen 550 US-Dollar pro Monat. Daher ist es schwierig für die Türkei, mit Niedriglohnländern wie Bangladesch (65 US-Dollar), China (150–275 US-Dollar), Pakistan (100 US-Dollar) und Vietnam (114–166 US-Dollar) zu konkurrieren. In einem solch arbeitskraftintensiven Sektor, in der Kalkulationen zufolge die Lohnkosten bis zu 30 % der Gesamtkosten ausmachen, stellt dies einen entscheidenden Faktor dar.
Obwohl die Lohnkostenunterschiede zwischen der Türkei und ihren Wettbewerbsländern aller Voraussicht nach gleich bleiben werden, könnten sie allerdings auch sinken. Sowohl in Bangladesch als auch in Vietnam gibt es derzeit Initiativen, die auf eine Anhebung des Mindestlohnes um 192 % bzw. 8 % abzielen. Und auch in China sind die Monatslöhne im letzten Jahrzehnt um 188 % angestiegen.
Die verarbeitende Industrie agiert in der Türkei in einem fragilen politischen Umfeld. Obwohl das Land seit 15 Jahren an seinem EU-Beitritt arbeitet, ist sein Beitrittsantrag seit ein paar Jahren aufgrund einer mangelnden Erfüllung der Kriterien ins Stocken geraten. Unternehmen müssen bei der Ausweitung oder Weiterführung ihrer Einkaufsprozesse in der Türkei die politische Entwicklung genau im Auge behalten.
Politische Probleme können sich manchmal in unvorhersehbarer Weise auswirken. Beispiele muss man nicht lange suchen: Denken wir nur einmal an die Folgen des Treffens zwischen dem deutschen Fußball-Nationalspieler Mesut Özil und Präsident Erdogan. Die Anfeindungen gegenüber Özil und der Vorwurf, sich mit einem kontroversen Machthaber getroffen zu haben, dienten als Ventil für die Enttäuschung über die schlechte WM-Leistung der deutschen Nationalmannschaft.
Selbst die Modebranche ist nicht gefeit vor den Einflüssen der aktuellen politischen Lage in der Türkei. In der Zeit nach dem misslungenen Staatsstreich im Jahr 2016 wurden Menschen, die ein T-Shirt der türkischen Marke DeFacto trugen, von den türkischen Behörden festgenommen, nachdem ein an dem Umsturzversuch Beteiligter das T-Shirt während seines Gerichtverfahrens getragen hatte. Die Kontroverse um das T-Shirt nahm ein solches Ausmaß an, dass das Unternehmen den Verkauf schließlich einstellte.
Trotz der Probleme, denen sich die Türkei gegenübersieht, versucht sie, ihren Wettbewerbsvorteil durch Entwicklung und Investitionen zu halten und auszubauen. Ganz oben auf der Liste steht die Erreichung des Exportziels von 500 Milliarden US-Dollar und eines BIP von 2 Billionen US-Dollar bis 2023. Im Rahmen dieses Plans strebt die Türkei eine Reihe wachstumsfördernder Investitionen und Verbesserungen an.
Hierbei stellt die Infrastruktur einen zentralen Schwerpunkt dar. Die Türkei plant zusätzliche 13.000 km neue Straßen und 12.000 km neue Schienen, um den Transport zu erleichtern. Außerdem gibt es Pläne, die Zahl der Logistikzentren im selben Zeitraum von acht auf 21 zu erhöhen. Dadurch sollen – als Ausgleich für die höheren Lohnkosten – mehr Waren in kürzerer Zeit in die EU exportiert werden können.
Auch in anderer Weise versucht die Türkei, ihren Exportwert zu steigern, so zum Beispiel durch eine erhöhte Zahl an Spezialmaterialien, die das Land produzieren kann, oder die Verbesserung der allgemeinen Qualität der Textilwaren insgesamt. Die türkische Regierung hat eine Reihe von Wirtschaftsanreizen geplant, um Forschung und Entwicklung mittels Darlehen und Subventionen in einem geplanten Wert von 1,8 % des BIP bis 2018 und 3 % bis 2023 voranzutreiben.
Die Regierung versucht zudem, die Zahl der inoffiziell Beschäftigten in der Wirtschaft zu verringern. Dies soll unter anderem durch die Förderung weiblicher Arbeitskräfte in der Bekleidungsindustrie erreicht werden, die zum Großteil als Unterauftragnehmer oder von zu Hause aus arbeiten. Außerdem wurde ein Programm aufgesetzt, um die Zahl der Teilzeit- und Traineestellen sowie der Kindertagestätten zu erhöhen, um eine größere Flexibilität zu erreichen.
Als wichtiger Handelspartner und Textilproduzent kann und darf die Türkei nicht ignoriert werden. Unternehmen müssen bei Geschäften in der Türkei clever vorgehen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Land sein Wirtschaftswachstum beschleunigen möchte. Auch wenn die geographische Nähe sowie die Zahl und die Fähigkeiten der Arbeitskräfte ein attraktiver Anreiz sind, bleiben Risikofaktoren, die sowohl aus wirtschaftlichen als auch aus ethischen Gründen berücksichtigt werden müssen.
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