Wo gehobelt wird, da fallen Späne – oder anders gesagt: Wer entscheidet, der macht auch Fehler. Manager müssen täglich Entscheidungen treffen, oft sieben Tage in der Woche. Und dabei kommt es vor, dass er und andere im Rückblick nicht zufrieden sind. Das ist bedauerlich, doch wichtig ist es nicht. Entscheidend ist, dass der Manager auch das nächste Mal eine klare Wahl trifft, idealerweise eine bessere.
Der Marathonläufer hat am Start gut 42 Kilometer vor sich. Das ist eine lange Strecke, zumindest wenn sie zu Fuß bewältigt werden soll. Die Ansprüche der Starter sind dabei sehr unterschiedlich. Der eine will nur ankommen, der andere unter 2-Stunden-30 bleiben. Dennoch sind die Herausforderungen für beide Sportler so ziemlich gleich: Beide dürfen keine Fehler machen, um ihr persönliches Ziel zu erreichen. Beide müssen ihr mögliches Leistungsvermögen abrufen.
Running: Manager in eigener Sache
Die Gleichsetzung von unternehmerischem Erfolg und der Bewältigung eines Marathons ist sprichwörtlich. Wie oft haben wir gehört: "Das wird kein Spaziergang" oder klarer noch "Wir haben keinen Sprint vor uns, das wird ein Marathon". Ganz richtig ist dieser Vergleich deshalb noch lange nicht. Denn der Marathonläufer rennt zunächst einmal für sich. Es sind seine Ziele, nicht die einer Organisation. Und die persönliche Motivation für Höchstleistungen aus einem "Überbau", also den Unternehmenszielen, zu beziehen ist alles andere als trivial, denn dafür müsste die Identifikation mit dem jeweiligen Unternehmen extrem hoch sein. Wer firmenübergreifend von Chefsessel zu Chefsessel springt – am besten immer einen Stock höher – identifiziert sich mit dem Sessel selbst. Die proklamierte Liebe zum Unternehmen gehört da eher ins Marketing.
Vielleicht ist der Wechsel-Chef trotzdem ein genialer Läufer – aber er läuft immer zuerst für sich selbst. Das kann im Unternehmenssinn sein, muss es aber nicht. Meist ist es zuerst so, dann wieder anders. Schließlich steht der Absprung zu einer neuen Liebe bevor. Eigner-geführte Unternehmen stehen da übrigens auf einem anderen Blatt, das sich weit optimistischer liest.
Zäh, durchsetzungsstark und lernfähig
Ungeachtet dieser Problematik gibt es eine Vielzahl an Eigenschaften, die ein guter Manager braucht, und die auch ein guter Marathonläufer mitbringen muss: Ausdauer, Zähigkeit und eine kluge Zeiteinteilung, den gesunden Lebenswandel noch dazu. Wer ans Ziel kommen will, darf nicht umfallen. Er muss sich durchsetzen, schmerzhafte Krisen überstehen und unerwartete Hindernisse umlaufen.
Wenn ein Marathonläufer am Ende seines Rennens extrem an Zeit verliert, und bei den allermeisten Läufern ist das gemessen am eigenen Plan der Fall, dann hat er einen Fehler gemacht. Vielleicht ist er das Rennen zu schnell angegangen und hat zu viel Kraft verbraucht. Vielleicht hat er zu hart trainiert und konnte nicht regenerieren. Vielleicht hat er zu wenig trainiert und es fehlte die Puste. Manchmal genügt ein falsches Frühstück, um wochenlanges Training zunichte zu machen – denn Leistung braucht es nicht generell und zu jeder Zeit, es braucht sie zum richtigen Zeitpunkt. Reine "Trainings-Weltmeister" sind bedauerliche Kreaturen, denn niemand erkennt das falsche Timing und eigene Versagen besser als sie.
Der Einbruch am Ende des Rennens ist fast ein Naturgesetz, das man aber überwinden kann. Doch dazu braucht es Erfahrung und die Fähigkeit zur Analyse. Vor allem aber braucht es die Willenskraft, das Analysierte in die Tat umzusetzen. Wer den Konkurrenten auf der Strecke überholen sieht, soll keinen Sprint beginnen. Er darf es nicht, auch wenn er die Kraft in sich spürt. Er muss im Rhythmus bleiben, den der wohlerstellte Plan vorsieht – um vor dem Ziel doch noch vorbeizuziehen. Wer diese Disziplin besitzt, ist ein exzellenter Marathonläufer und wird auch ein exzellenter Manager sein.
Willkommen im Unternehmen
Genau in diesem Sinne ist es auch berechtigt, dass die Personalabteilungen sich über Ausdauerläufer freuen und der Eintrag " Platz 4.643 beim New York Marathon 2014" im Lebenslauf ein Pluspunkt ist. Er sagt etwas über den Bewerber aus und setzt zugleich das Häkchen "bestätigt" hinter eine standardisierte Behauptung. "Er war allseits, stets ein sehr guter…" – 42,195 Kilometer sind mehr als Bla-Bla-Bla. Wohl dem, der einen Haile Gebreselassie oder Dennis Kimetto in der Chefetage hat.
Höher, schneller, weiter
Aus den 130 Startern beim New York-Marathon 1970 sind bis 2015 mehr als 60.000 geworden. Eine gigantische Zahl. Würde man die Läufer im Abstand von nur zehn Sekunden starten lassen, bräuchte es fast eine Woche, um alle auf die Strecke zu bringen. Die großen Marathon-Veranstaltungen – Chicago, Boston, London, Berlin, Tokio und so weiter – sind Mega-Events, trotz weiter Anreise und teils dreistelliger Startergebühr.
Zu behaupten, diese Menschen würden für ihren Lebenslauf starten, ist mehr als vermessen. Genau andersherum wird ein Laufschuh daraus: Der Trend zur Besinnung auf den eigenen Körper, auf Fitness und einen gesunden Lebenswandel bringt die Menschen dazu, dienstags, donnerstags und vielleicht noch einmal am Samstag im benachbarten Park zum Laufen zu gehen. Es macht ihnen Spaß, schafft ein positives Gefühl und wird für viele zu einer kleinen Sucht. Und nun kommt der Zeitgeist hinzu, mit Macht, denn wir springen schließlich nicht mehr "nur" über die Hochsprung-Latte oder vom Millennium Tower, wir springen aus der Stratosphäre. Und so ist ein Selfie vom New York Marathon doch etwas anderes als die Aufnahme von der Hundewiese im Stadtpark.
Marathonläufer sind die besseren Manager? Sichere Kandidaten für die Damen der Personalabteilung (http://jobs.ispo.com) sind sie allemal. Und besser als der Ringer, Tischtennisspieler oder Ruderer? Nein, natürlich nicht. Aber was spielt das für eine Rolle? Gehen Sie etwa im Petticoat auf die Straße, wenn Slim Fit Jeans in Mode sind?
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