Eltern haben allen Grund, den Sportlehrern ihrer Kinder zu danken. Denn die Pädagogen sind oft die einzigen, denen es gelingt, dem Nachwuchs wenigstens einmal pro Woche Beine zu machen. Während die “lieben Kleinen” den Alltag zwischen Schulbank, Spielkonsole und Essenstisch verbringen, müssen sie zumindest im Sportunterricht einmal richtig schwitzen. Und das ist auch bitter nötig, wie die KiGGS-Studie des Robert Koch Instituts aus dem Jahr 2007 zeigt. Demnach sind immerhin 15 Prozent der deutschen Kinder und Jugendlichen übergewichtig. Bei sechs Prozent ist sogar von Adipositas, also Fettleibigkeit die Rede.
Doch nicht nur die über-, auch die normalgewichtigen Schüler machen Probleme. In einer bereits 2003 veröffentlichten Studie der AOK und des Deutschen Sportbundes wird festgestellt, dass seit dem Jahr 1995 bei den 10 bis 14-Jährigen ein Rückgang der Fitness um 20 Prozent zu verzeichnen war. Oftmals scheitern Schüler schon an den vermeintlich einfachsten Aufgaben, zum Beispiel dem Laufen in der Rückwärtsbewegung oder Trampolin springen.
Das Zahlenmaterial ist schon relativ alt, positive Veränderungen wurden seitdem aber nicht verkündet. Manche Sportwissenschaftler, so zum Beispiel Dr. Lutz Müller von der Uni Bremen in der ARD, betonen, dass es eine allgemeine Verschlechterung wohl nicht gibt. Zu beobachten sei allerdings, dass vielen top-fitten Jugendlichen eine wachsende Zahl an Jungen und Mädchen gegenübersteht, die gar nichts für ihren Körper und ihre Gesundheit tun. Aber ist es nicht genau das, was der Sportunterricht verhindern soll? Und mit welchen Mitteln kann er wirklich leisten, was während der restlichen Woche versäumt wurde?
Lebenslanges lernen
Das lebenslange Lernen wird immer wichtiger, auch im Sportunterricht. So forderten die Präsidentin der Kultuskonferenz, der Präsident des Deutschen Sportbundes und der Vorsitzende der Sportministerkonferenz 2005 in einer gemeinsamen Erklärung: “So wie die Schule insgesamt die Aufgabe hat, die Bereitschaft und Fähigkeit zum lebenslangen Lernen zu fördern, so hat der Schulsport die Aufgabe, Kinder und Jugendliche anzuregen und zu befähigen, bis ins hohe Alter ihre körperliche und geistige Leistungsfähigkeit und ihre Gesundheit durch regelmäßiges Sporttreiben zu erhalten.”
Auch wie ein erfolgreicher Sportunterricht auszusehen hat, wird in der Erklärung klar definiert: “Er muss inhaltlich, methodisch und vom Umfang her so aufgebaut sein, dass er grundsätzlich alle Schülerinnen und Schüler erreicht und motiviert und zugleich berücksichtigt, dass nicht alle Schülerinnen und Schüler gleichermaßen für den Sport talentiert sind." Gleichzeitig wird gefordert, sportliche Kinder zu fördern und anzuspornen. Wie der Lehrer diese Quadratur des Kreises bewerkstelligen soll, bleibt dagegen weitgehend offen. Einige Ansätze sind:
Misserfolge vermeiden
Freude am Sport zu vermitteln, gehört zur wichtigsten Aufgabe der Lehrkraft. Nichts ist für ein übergewichtiges oder einfach unsportliches Kind frustrierender, als stets weit hinter der Klasse um Luft zu ringen. Der Sportunterricht sollte sich also an diesen schwächeren Kindern orientieren, ohne der übrigen Klasse die Freude am Unterricht zu nehmen.
Das ist allerdings leichter gesagt als getan. Zum Beispiel Koordinationsspiele wie Korbwerfen kann auch ein unsportlicher Schüler bewältigen, ohne sich schämen zu müssen. Gymnastische Übungen schonen die Gelenke und überlasten den Körper nicht. Sind die ersten Erfolge in diesen "leichten" Sportarten da, ist der Ehrgeiz für neue Aufgaben vielleicht schon geweckt.
Nicht über- oder unterfordern
Ein übergewichtiges Kind wird zunächst Schwierigkeiten haben, eine ganze Stunde aktiv zu bestreiten. Aufgabe des Lehrers ist es hier, Auswege zu bieten, die zugleich eine Teilnahme am Unterrichtsgeschehen sichern. Ein Schiedsrichter, der am Spielfeldrand gewissenhaft die Punkte zählt, wird zum Beispiel gebraucht. Solche Aufgaben können zunächst besonders gewichtigen Schülern übertragen werden. Sinnvoll kann es auch sein, zwei unterschiedliche Programme anzubieten. So könnte sich der sportliche Teil der Klasse beim Sprint messen, während es die anderen beim Völkerball etwas ruhiger angehen lassen.
Genauso fatal wie Überforderung ist es aber auch, Kinder im Unterricht zu unterfordern. Gerade unsportliche Kinder, die vielleicht in der Vergangenheit schon gehänselt wurden, entwickeln ein feines Gespür für die Zurücksetzungen. Sie sollten also zumindest temporär ebenso gefordert werden, wie ihre sportlichen Mitschüler.
Dabei ist Augenmaß gefragt. Ein Hürdenlauf ist vielleicht ungeeignet, ein Volleyball-Matsch dagegen ein sportlicher Gewinn, der mit der Mannschaftsaufstellung des Lehrers beginnt. Wer die Klasse selber wählen lässt, setzt die Schwächeren, die erst am Ende "weggehen" bewusst einer Demütigung aus.
Zusatzstunden für die Ambitionierten
Fast alle Schulen bieten Arbeitsgemeinschaften an, in denen etwa die Schülerzeitung erstellt wird oder das Kochen erlernt werden kann. Sport-AGs sind da schon rarer, weil man auch die Kraft der Vereine vor Ort vertraut. Meist klappt das auch, immer jedoch nicht. Fehlt den Eltern die Zeit, das Geld oder schlicht der Elan, ihre Kinder bei den Vereinen anzumelden und zu begleiten, erfährt die Schule nichts davon. Sport neben der Schule gibt es dann leider ebenfalls nicht.
Voraussetzung für die Fußball- oder Leichtathletik-AG ist ein zusätzliches Engagement der Lehrer und der Schulleitung. Aber gibt es das? Wie der Deutsche Olympischen Sportbund schon vor zehn Jahren konstatiert hat, fangen die Probleme weit früher an.
In der Studie heißt es: “Besorgniserregend ist der Befund, dass die Empfehlung von drei Wochenstunden Sport zwar vielfach in den Lehrplänen der Länder verankert ist, sich im Stundenplan der Schüler jedoch nicht durchgehend wiederfindet. Im Durchschnitt findet jede dritte bis vierte Sportstunde nicht statt.” Über zusätzliche Arbeitsgemeinschaften zu reden, muss für betroffene Schüler leider wie Hohn klingen.
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