Fitness/08.03.2020

Muskelkater: Das hilft wirklich und so lässt er sich vermeiden

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Muskelkater kennt jeder Sportler – doch kaum einer weiß wirklich etwas darüber. Wodurch entsteht er? Welche Prozesse spielen sich im Körper ab? Und was hilft dagegen? Der Orthopäde Dr. Markus Klingenberg steht ISPO.com Rede und Antwort.

Sport in combination with sore muscles can prolong the regeneration time and even lead to larger muscle injuries.
Sport in combination with sore muscles can prolong the regeneration time and even lead to larger muscle injuries.

Jeder Sportler hat seinen Körper schon einmal an die Grenzen gebracht, und manchmal ist er danach mit einem sogenannten Muskelkater aufgewacht. Der Muskelkater ist ein Allerweltsbegriff, jeder weiß, wie sich das anfühlt. Doch die wenigsten wissen, was dabei beim Trainieren passiert ist.

Um das zu ergründen, hat ISPO.com mit dem Experten Dr. med. Markus Klingenberg gesprochen. Klingenberg ist Facharzt für Orthopädie und Sportmedizin in einer Gemeinschaftspraxis an der Beta Klinik in Bonn.

Als kooperierender Arzt des Olympiastützpunktes Rheinland betreut er viele Breiten- und Spitzensportler. Zudem ist er Autor des Buch Return to Sport – Funktionelles Training nach Sportverletzungen (Pflaum Verlag) und hält regelmäßig Vorträge zu sportmedizinischen Themen.

Was ist Muskelkater und wie entsteht er?

ISPO.com: Herr Dr. Klingenberg, was genau ist „Muskelkater“?
Dr. med. Markus Klingenberg: Beim Muskelkater handelt es sich um eine Mikroverletzung der Muskulatur. Die Muskulatur besteht aus mehreren verschiedenen kontrahierenden Elementen, also aus Elementen, die sich zusammenziehen. Das sind vornehmlich Eiweißstrukturen. Und die können durch Über- oder Fehlbelastung einreißen. Das passiert auf der kleinsten Ebene, also innerhalb der Muskelfasern.

Was löst letztlich den Muskelkater aus?
Unter anderem eine ungewohnte Belastung. Mit anderen Worten: Wenn die Muskulatur oder eine Kombination von Muskeln in einer ungewohnten Weise belastet werden. Zum Beispiel, bei der Ausübung einer neuen Sportart oder bei neuen Bewegungsmustern.

Ein anderer Grund kann eine mechanische Überbelastung sein. Gerade wenn wir an Krafttraining denken, möchten wir ja einen überschwelligen Reiz setzen, damit der Körper kräftiger wird oder Muskulatur aufbaut. Und wenn dieser Reiz zu heftig ist, kommt es zu diesen Verletzungen. Besonders intensive oder abbremsende, abfedernde, abstoppende Bewegungen können zu diesen Schädigungen führen.

Portrait von Dr. med. Markus Klingenberg
Dr. med. Markus Klingenberg ist Facharzt für Orthopädie und Sportmedizin in einer Gemeinschaftspraxis an der Beta Klinik in Bonn.
Bildcredit:
Dr. med. Markus Klingenberg

Wie lange dauert Muskelkater?

Was genau führt bei Muskelkater zu dem spürbaren Schmerz?
Der spürbare Schmerz tritt in der Regel zeitverzögert auf. Unmittelbar im Anschluss an eine Bewegung, die vielleicht auch wehgetan hat, gibt es erst mal ein schmerzfreies Intervall.

Der Muskelkater als solcher tritt erst am Folgetag oder manchmal auch erst am zweiten Tag nach der Belastung auf, und zwar verbunden mit einer Entzündung in der Muskulatur, die im Rahmen der Um- und Abbauvorgänge abläuft. Deswegen helfen auch Schmerz- und Entzündungsmittel, wenn man sie denn nimmt.

Wie lange kann so ein Muskelkater anhalten?
In der Regel sagt man: 48 bis 72 Stunden. Wenn es deutlich länger dauert, liegt der Verdacht nahe, dass es nicht nur ein einfacher Muskelkater ist, sondern schon eine größere Verletzung, und dass vielleicht einige Muskelfasern gerissen sind.

Sport trotz Muskelkater?

Und was blüht einem Sportler, wenn er trotz Muskelkater weitermacht?
Weitere Muskelverletzungen wie Faserrisse, Muskelbündelrisse oder sogar ein Riss des kompletten Muskels. Das ist selten, aber möglich.

Ist es sinnvoll, nach dem Sport locker auszulaufen?
Ja. Ebenso warm zu duschen oder in die Sauna zu gehen. Das sind regenerative Maßnahmen, weil sich die dadurch die Durchblutung verbessert. Und je besser die Durchblutung unmittelbar nach dem Training ist – das kann auch durch eine Massage gefördert werden –, desto besser ist auch der Stofftransport.

Ernährung und Muskelkater

Und wie sieht es mit Ernährung aus?
Ausreichend trinken, aber das ist sowieso ein genereller Tipp. Eine vermehrte Zufuhr von Vitaminen und sekundären Pflanzenstoffen ist auch sinnvoll. Ob jetzt über Obst und Gemüse oder Nahrungsergänzungsmittel, überlasse ich mal jedem selbst. Viel Flüssigkeit. Omega-3-Fettsäuren, zum Beispiel Nüsse oder Fischsorten wie Lachs und Forelle.

Und wenn ich an Nahrungsergänzungsmittel denke: BCAA. Das sind die vier essenziellen Aminosäuren, aus denen sich die Muskulatur vor allem zusammensetzt. Das wären ernährungstechnisch die wichtigsten Faktoren.

Vom Lachen Muskelkater bekommen ist auch möglich

Gibt es Stellen, an denen der Muskelkater länger anhält oder auch schneller hervorgerufen wird als in anderen Muskelgruppen?
Länger anhalten tut er häufig in den großen Muskelgruppen wie Rücken, Oberschenkeln und Brustmuskulatur. Schneller hervorgerufen? Das ist schwierig zu sagen, weil es darauf ankommt, was man trainiert. Sie haben vermutlich Muskeln, da hatten Sie noch nie Muskelkater, weil Sie die noch nie trainiert haben.

Grundsätzlich: Jeder Muskel hat eine Leistungsfähigkeit, innerhalb der er keinen Muskelkater bekommt. Das nennt man Ihren Soll-Bereich. Wenn Sie diesen Bereich überschreiten, bekommen Sie Muskelkater. Sie können auch vom Lachen Muskelkater im Zwerchfell bekommen. Er gibt also nicht den einen Muskel, der anfälliger ist als der andere. Es ist eher die Frage, ob Sie je in die Situation kommen, den Muskel entsprechend zu beanspruchen.

Auch Profi-Sportler können Muskelkater bekommen

Ist es ein Mythos, dass Profi-Sportler keinen Muskelkater bekommen?
Ein Profi-Sportler kann auch Muskelkater bekommen. Er dafür nur weitaus höhere Reize setzen.

Gibt es einen Tipp für den Fall, dass ich am Folgetag noch mal die gleichen Übungen machen möchte?
Wenn ich am nächsten Tag noch mal das gleiche Trainingsprogramm machen will, dann nur mit der Hälfte der Belastung. Wenn ich auf der Bank sonst 100 Kilogramm drücke, dann nehme ich in der Regeneration 50 Kilogramm. Den Stoffwechsel im Muskel anzuregen ist der Schlüssel zum Erfolg. Ich habe ja eben gesagt, dass vor allem abbremsende Bewegungen den Muskelkater hervorrufen.

Im Umkehrschluss heißt das – als Tipp –, dass vor allem exzentrisches Training, mit gutem Aufwärmen die beste Prophylaxe ist. Wenn Abbremsen zum Muskelkater führt, ist das Trainieren des Abbremsens, also exzentrisches Training, natürlich die beste Prophylaxe, die Sie machen können. Aufwärmen macht Sinn, auch wenn manche Studien immer wieder sagen, man brauche sich nicht aufzuwärmen. Je intensiver die kommende Belastung, desto mehr muss ich mich aufwärmen, um einem Muskelkater entgegenzuwirken.

Muskelkater und Training

Nimmt das Dehnen dabei eine besondere Rolle ein?
Es gibt passives und aktives Dehnen, und vor einer intensiven Belastung muss es ein aktives Dehnen sein. Wenn Sie zum Beispiel vor dem Bankdrücken mit den Armen nach hinten wippen, ist das ein dynamisches Dehnen. Das erhöht die Spannung in der Muskulatur, und das wollen Sie ja beim intensiven Krafttraining.

Nach dem Training sollte die gleiche Muskulatur eher passiv gedehnt werden, also haltend. Dadurch wird die Regeneration gefördert. Dehnen kann also auf die Belastung vorbereiten. Da wirkt es protektiv, also schützend. Und im Anschluss an eine Belastung ist eher das passive Dehnen von Vorteil, weil es die Mobilität verbessert.

Ist Training nur gut, wenn ich davon Muskelkater bekomme?
Nein, ist es nicht. Ich muss mir überlegen, was mein Trainingsziel ist. Wenn ich meinen Körper wieder und wieder zerstöre, muss ich mehr regenerieren und habe dadurch weniger Trainingszeit. Es ist Quatsch zu sagen: Wenn es nicht wehtut, dann hat es nichts gebracht.