Ultra beschreibt die Größenordnung des Wettkampfs und meint eine weitere Distanz als normalerweise. Bei vielen Ausdauersportarten gibt es Wettkämpfe über Ultradistanzen, nicht nur beim Laufen. Bei Laufveranstaltungen zählen alle Rennen als Ultra, die über der Marathondistanz (42,195 Kilometer) liegen. Beim Berglauf kommen dann noch die Höhenmeter hinzu. Die Internationale Trail Running Association (ITRA) bemisst demzufolge Ultras auch nach sogenannten Effort Points, die je für jeden Kilometer und jeweils für 100 Höhenmeter im Aufstieg vergeben werden. Folgt man der ITRA-Logik, beginnen Ultratrails ab 115 Points und dauern mehr als acht Stunden. Für manche besonders hartgesottenen Läufer*innen gehen Ultradistanzen allerdings erst ab 80 Kilometern los.
Als weltweit bekannteste Ultratrails und gleichzeitig auch bekannteste Rennen überhaupt werden meist der Ultra-Trail du Mont-Blanc (UTMB) in Frankreich und der Western States 100 sowie der Hard Rock 100 in den USA genannt. In den Alpen zählt der Großglockner Ultra-Trail zu den bekanntesten und beliebtesten Events.
In diesem Jahr mussten sich die Sportler*innen auf den technischen Strecken rund um Österreichs höchstes Massiv auch noch mit Regen und Wind herumschlagen. Der Sieger über die 85-Kilometer-Distanz, Brooks-Athlet Jordi Gamito Baus, hat uns aber gerne seine Tipps für das Überstehen langer Distanzen verraten. Und Dynafit-Athletin Eli Anne Dvergsdal, die am Großglockner krankheitsbedingt absagen musste, nennt uns diverse Erfolgsfaktoren, unter anderem die Gesundheit.
Für Ultrarennen muss man lernen, die körperliche und mentale Belastungen optimal zu managen. Dabei hilft vor allem Training. Nicht nur körperlich, genauso wichtig ist es, mentale Stärke aufzubauen und sich eine gute Strategie zurechtzulegen. Zugleich sollte man flexibel bleiben: Auf den vielen Kilometern kann alles passieren und meistens sind es Dinge, mit denen man nicht gerechnet hat und für die man eine Lösung finden muss.
Online gibt es zahlreiche Trainingspläne, die sich an die eigenen Ziele und Lebensumstände anpassen lassen. Dabei sollten die Distanzen kontinuierlich gesteigert werden. Das Gleiche trifft natürlich auch für die gewählte Distanz im Wettkampf zu. „Fang nicht bei 100 Kilometer an, sondern vielleicht bei 15“, bringt Eli Anne Dvergsdal es auf den Punkt. Insgesamt gehört einiges an zeitlichem Commitment dazu, es sollten also viele Trainingsstunden zum Laufen eingeplant werden. Genauso empfiehlt die Trailrunnerin, sich früh ein Ziel zu setzen und darauf hinzutrainieren sowie unterschiedliche Einheiten abzuwechseln, was außerdem mehr Spaß ins Training bringe.
Jordi Gamito setzt auf viel Ruhe und ausreichend Schlaf in der Woche vor dem Rennen. Ein weiterer Tipp: Vorschlafen und möglichst ausgeschlafen an den Start gehen. Denn in den meisten Fällen ist die Nacht vor dem Rennen kurz und unruhig. Denn viele Ultras starten abends oder gehen in und durch die Nacht, weshalb man von nur wenigen Stunden Schlaf ausgehen kann. „Vorschlafen ist aber leider nicht immer möglich, wenn man zum Beispiel Kinder oder auch eine lange Anreise hat.“ Ein Nickerchen unter tags, nachdem man am Ort des Geschehens angekommen ist, kann aber auch schon helfen, um gut ins Rennen zu starten. Und wichtig ist natürlich vor allem eins: „Gesund bleiben und nicht krank werden“, konstatiert Eli selbstironisch, die am Großglockner krankheitsbedingt nicht an den Start gehen konnte.
Schon vorab hilft es, die Strecke im geplanten Rennen zu kennen und sich speziell auf die spezifischen Gegebenheiten vorzubereiten. Eli macht das, indem sie sich in der Vorbereitung ähnliche Strecken sucht. Bei kürzeren Rennen, die vom Charakter und den technischen Anforderungen, also der Beschaffenheit des Untergrunds, der Steigung oder auch des Höhenprofils allgemein Ähnlichkeiten mit der angestrebten Strecke aufweisen, kann man vorweg schon einmal üben. Oder auch, wenn möglich, Streckenteile probeweise zu laufen.
„Ich versuche, mir wichtige Punkte einzuprägen, um die lange Strecke in Teilstücke aufzuteilen, die man abhaken kann“, erklärt Eli Anne Dvergsdal ihre Strategie. An welcher Stelle im Rennen wartet die größte Schwierigkeit? Wo liegt der größte Anstieg? An welcher Stelle wird der Downhill technisch? Vor allem beim Laufen im Dunkeln sei es ein großer Vorteil, so viele Informationen wie möglich über die Strecke zu haben. Und vor allem zu feiern, wenn man schwierige Passagen oder bestimmte Meilensteine des Rennens überwunden und hinter sich gebracht hat. Auch Gamito geht ähnlich vor: „Ich überlege vorher, wie lange ich wahrscheinlich bis zu bestimmten Wegpunkten brauche und denke Schritt für Schritt. Meistens versuche ich mir die Strecke in 20 Kilometer Stücken einzuprägen.“
Ohne Mampf kein Dampf – ein Motto, das jeder kennt, der sich schon mal mit dem Thema Energiezufuhr über längere Strecken beschäftigt hat. Klar ist, dass der Körper gut versorgt sein muss, wenn er über Stunden unzählige Kalorien verbrennt. Genug Nährstoffe aufzunehmen – ohne Magenprobleme bekommen oder sich zu übergeben –, dies ist einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren bei Ultras. „Im Rennen sollte man nichts Neues ausprobieren, denn man weiß nicht, wie der Magen darauf reagiert.“ Lieber also bei den langen Trainingsläufen testen. Für Jordi haben sich Gels und auch Instant-Babybrei mit Getreide bewährt. Diesen bereitet seine Frau für ihn zu, und sie unterstützt ihn auch während des Rennens.
Die persönliche Crew auf der Strecke, bestehend aus Freund*innen oder Familie, spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Zuspruch und Motivation von Supportern sorgen für ungeahnten Antrieb. „Ich sage ihnen das auch, denn dann kommen sie hoffentlich immer wieder zum Zuschauen und Anfeuern“, so Eli.
Auch können die Unterstützer auf der Strecke frische Wechselkleidung, Socken und Schuhe bereithalten, die vor allem gegen Laufende einen großen Unterschied machen können. Und auch Ersatzausrüstung ist nicht verkehrt, zum Beispiel, wenn ein Stock bricht.
Selbst wenn es richtig hart wird, haben die Befragten alle kein Problem mit Motivation. „Magst du die Berge? Ja? Okay, dann lauf und genieße sie“, bringt Jordi Gamito es auf den Punkt.
„Viel essen, viel laufen, viel schlafen – das ist alles“, fasst Jordi Gamito seine Tipps zusammen. „Aber schreib das nicht so“, fügt er lachend hinzu. Denn es kommt natürlich auf die richtige Ernährung sowie die richtige Mischung aus Training und Regeneration an. Was für die einen funktioniert, muss für die anderen allerdings nicht zwangsweise zum Erfolg führen. Denn jeder Körper ist individuell und das betrifft auch Magen, Muskeln oder Regeneration.
Deshalb gilt vor dem Ultratrail wie vor jedem längeren Lauf: Sich selbst besser kennenlernen, Nahrungsmittel sowie Trainingsmethoden ausprobieren und Erfahrungen sammeln. Und noch einen wichtigen Tipp gibt der 40-Jährige für angehende Ultra-Läufer*innen mit auf den Weg: „Nicht zu viel nachdenken! Lieber im Moment bleiben und Spaß haben. Das bringt mehr als zu viel Druck.“
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