Vor 2500 Jahren stecken die Athener in Schwierigkeiten: 490 vor Christus gewinnen die Perser immer mehr an Raum und Einfluss, Athen steht mit dem Rücken zur Wand. Als das persische Heer mit seiner Flotte an der Bucht von Marathon landet, wird man im kaum 40 Kilometer entfernten Athen zu Recht unruhig.
Ein Bote wird entsandt, um in Sparta militärischen Beistand zu erbitten. Für den erprobten Läufer Pheidippides ist das ein hartes Stück Arbeit. 245 Kilometer liegen vor ihm und die Zeit drängt. Als Pheidippides nach knapp zwei Tagen – so ist es von Herodot überliefert – bei den Spartanern ankommt, feiern diese gerade ausgelassen.
Es geht um die Ehrung ihres Fruchtbarkeitsgotts Karneios – was soll da wichtiger sein? Zumindest vor dem nächsten Vollmond, so macht man dem Boten klar, sei an Schlachtenhilfe nicht zu denken. So kehrt Pheidippides unverrichteter Dinge wieder heim, mit fast 500 Kilometern in den Knochen.
Um Athen hat sich mittlerweile allerdings Großes ereignet. Den kampferprobten Persern mangelt es offenbar an der notwendigen Ortskenntnis, so nützt ihnen auch die zahlenmäßige Überlegenheit nur wenig. Sie werden in einem Tal gestellt und mit Pfeilen und Speeren zum Rückzug gezwungen.
Ein Gemetzel, wie Geschichtsschreiber Herodot überliefert, bei dem mehr als 6.000 Krieger ihr Leben verlieren. Athens Herrscher Miltiades weiß von dem Triumph zu diesem Zeitpunkt noch nichts, soll aber schnell Kenntnis erhalten. Erneut macht sich ein Bote auf den Weg, erneut soll es Pheidippides sein. Er hetzt nach Athen und verkündet stolz: „Wir haben gesiegt“. Danach bricht der erschöpfte Mann tot zusammen, das letzte Opfer der Schlacht von Marathon - und die Geburtsstunde des Marathon-Laufs.
Heute ist die Legende umstritten: Ob es ein Läufer tatsächlich in zwei Tagen zu den Spartanern schaffen konnte?
Auch am Schlachtverlauf bei Marathon gibt es Zweifel. Immerhin verfügten die Perser über eine starke Reiterei, die bei Herodot aber gar nicht zum Einsatz kommt. Auch den zweiten Botenlauf erwähnt der Geschichtsschreiber mit keinem Wort, er wird erst 500 Jahre später in die Erzählungen eingeführt.
Hat Herodot ihn vergessen? Gab es ihn etwa nicht – diesen tragischen Sieger, der die rund 40 Kilometer rennt, und damit den Grundstein zum heutigen Marathon legt?
Wir wissen es nicht. Klar ist nur, dass es Läufer wie ihn gab, die Geschichte also wahr sein könnte. Ob sie es tatsächlich ist, ist letztlich auch völlig egal – denn der Marathon der Neuzeit gründet gar nicht darauf. Eine Pointe der Geschichte, denn die Wiederbelebung des Marathons verdanken wir den wettbegeisterten Engländern.
Diese schickten gegen Ende des 18. Jahrhunderts mutige Läufer gegen die Uhr auf die Strecke, die meist 20 oder 30 Meilen betrug, also umgerechnet zwischen 32 und gut 48 Kilometern. Wer der Schnellste war, gewann. Vor allem aber gewannen jene, die ihr Geld auf ihn gesetzt hatten.
Bis man sich auf die Geschichte von Marathon besinnt, vergeht fast ein weiteres Jahrhundert. Damals ist man in der Region mit Ausgrabungen beschäftigt und kommt auf die Idee, die historischen Überlieferungen – oder auch Legenden – für die nahenden Olympischen Spiele zu nutzen. Sie finden 1896 in Athen statt, Marathon-Lauf inklusive. Distanz: 40 Kilometer.
Offen an der Erfolgsgeschichte des Marathons ist nun also noch, wieso heute just 42,195 Kilometer gelaufen werden. Es erklärt sich weder aus dem Botenlauf nach der Schlacht noch aus den Wettläufen der Engländer.
Dafür aber an einem anderen Umstand in Großbritannien: Bei den Sommerspielen 1908 in London soll der Lauf am traditionsreichen Schloss Windsor starten, das Ziel ist die königliche Loge im Stadion. Dummerweise ist der Weg ein Stückchen zu weit. Aber soll man deshalb die königlichen Pläne ändern? Fürwahr, das wäre absurd.
So packt man die fehlende Meile einfach obendrauf – 26 Meilen und 385 Yards heißt die neue Distanz, umgerechnet 42,195 Kilometer. Es dauerte allerdings noch bis ins Jahr 1921, ehe diese Strecke offiziell vom internationalen Verband für Leichtathletik als Marathon-Distanz festgelegt wurde. Mit der griechischen Legende hat dies also nur noch wenig zu tun.
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