Im Interview mit ISPO.com erklärt der Skiservice-Experte, wann Skifahrer und Snowboarder ihre Bretter unbedingt pflegen müssen, was sie daheim machen können und wann der Weg zum Service-Spezialisten lohnt. Als Insider im Ski-Business weiß Reichmann aber auch, auf was Skifahrer immer mehr Wert legen und welche Auswirkungen schlechte Winter auf das Business haben.
ISPO.com: Was ist der Unterschied zwischen eigener Ski- und Snowboardpflege und einem professionellen Service?
Stefan Reichmann: Bei eigener Ski- oder Snowboardpflege besteht die Gefahr, dass ungeübte Wintersportler oft mehr Schaden als Nutzen am eigenen Sportgerät anrichten. Unbedenklich ist das Auftragen von Wachs per Hand, Geübte können zudem mit einer Diamantfeile über die Seitenkante fahren, um den seitlichen Grat, der sich beim Fahren ergibt, wegzunehmen. Damit kann eine möglichst lange Kantenschärfe aufrechterhalten werden.
Im Zweifelsfall sollte man die Kantenbearbeitung aber lieber einem Profi überlassen. Generell empfiehlt es sich, nach dem Skifahren oder Snowboarden einen Blick auf seine Skier oder sein Snowboard zu werfen, um zu erkennen, ob ein Service nötig ist und anschließend eine Servicewerkstatt aufzusuchen.
Wie sieht ein guter Ski-/Snowboardservice aus?
Die Qualität des Service zeigt sich bereits bei der Skiannahme. Im optimalen Fall bespricht die Servicefachkraft gemeinsam mit den Kunden, welche Arbeitsschritte am Ski oder Board notwendig sind, um dem Wintersportgerät wieder beste Fahreigenschaften zu verleihen.
Folgende Arbeitsschritte werden bei einem professionellen Skiservice je nach Notwendigkeit durchlaufen:
- Skiannahme, Beurteilung, Kundenempfehlung
- Rücksetzen Seitenwange
- Seitenwange im Bereich Tip & Tail entrosten
- Seitenkante für Endwinkel vorschleifen
- Belag reinigen (entwachsen/entfetten)
- Belag aufschmelzen
- Belag planschleifen
- Unterkante abhängen
- Belag planschleifen (Reststruktur entfernen)
- Belag glätten
- Belag strukturieren
- Seitenkanten schleifen (87–90 Grad)
- Unterkante schleifen (Tunen, 0,75–1 Grad)
- Belag wachsen
- Struktur ausbürsten
- Qualitätskontrolle/Bearbeitungserfolg (Zustand, Restgrat)
In vielen Fällen erkennen Wintersportler erst auf der Piste an den Fahreigenschaften der Ski oder Boards, ob der Service professionell durchgeführt wurde. Merkmale für optimal präparierte Ski und Boards: hohe Drehfreudigkeit bei gleichzeitig geringem Kraftaufwand, exzellente Gleiteigenschaften und bester Grip bei allen Schneebedingungen.
Wann sollte der Wintersportler die Skier oder Snowboards schleifen lassen?
- Vor der ersten Abfahrt im Winter
- Jeweils nach ca. 4-5 Pistentagen
- Eventuell am Saisonende
Neues Wachs ist nach jedem Skitag notwendig. In der Regel verlieren selbst gut gepflegte Ski ihren optimalen Zustand nach 5 Skitagen und sollten neu präpariert werden. Jedoch ist nicht immer ein Vollservice nötig. Ein guter Serviceanbieter fragt nicht „großer oder kleiner Service?“, sondern bietet dem Wintersportler genau die Serviceschritte an, die sein Ski oder Board wirklich nötig hat. Skiservice muss dabei nicht immer teuer sein, es reichen oft kleine „Auffrischungen“, um Skier oder Boards wieder sicher für die Piste zu präparieren.
Ihre Erfahrungen aus der Praxis holen Sie sich unter anderem bei den deutschen Snowboardern. Sie sind seit zehn Jahren „Offizieller Ausrüster“ von Snowboard Germany. Wie sieht die Zusammenarbeit aus?
Wir stellen dem Servicetechniker der deutschen Snowboard-Nationalmannschaft die Steinschleifmaschine PROFI S350 für professionellen Rennservice zur Verfügung.
Zur Weiterentwicklung unserer Maschinen sind wir im Austausch sowohl mit dem deutschen Snowboardverband, als auch mit weiteren nationalen und internationalen Verbänden, Partnern und Weltcup-Profis. Strukturen, die im Rennlauf erfolgreich erprobt wurden, fließen in die Standardausstattung unserer Maschinen ein.
Ihr Unternehmen feiert 2018 100-jähriges Jubiläum. Im Ski-Business sind Sie seit 1966. Wenn Sie zurückblicken und vergleichen, wie hat sich das Business im Bereich Ski-Service über die Jahrzehnte verändert?
Über die Jahre hat das Thema Sicherheit im Wintersport bedeutend an Relevanz gewonnen und ist stärker in den Fokus der Wintersportler gerückt. Skifahrer und Snowboarder haben erkannt, dass auch bei Wintersportgeräten ein regelmäßiger Service notwendig ist, um von besten Fahreigenschaften und hoher Sicherheit auf der Piste zu profitieren. Auch das professionelle Kantentuning hat durch die Entwicklung der Carvingskier sehr an Bedeutung gewonnen.
Seit einiger Zeit hat die Wintersport-Industrie zu kämpfen: Schlechtere Winter, hoher Konkurrenzdruck und für die Kundschaft oft teure Preise. Was muss sich in der Branche ändern?
Unsere Erfahrungen zeigen, dass die Umsätze im Service auch bei schlechteren Wintern relativ konstant bleiben. Fällt weniger Schnee, werden die Ski auf den Kunstschnee-Pisten stärker angegriffen und brauchen daher in kürzeren Intervallen einen Service oder benötigen aufwändige Belagreparaturen; bei guten Wintern ist die Anzahl der Skifahrer und somit der Services höher.
Somit sind wir als Hersteller als auch der Servicebereich unserer Kunden weniger von diesen Entwicklungen betroffen. Die Wintersport-Industrie muss aber einen höheren Stellenwert auf überzeugenden Service zur Kundenbindung legen.
Sie stellen Ski-Servicemaschinen maßgeschneidert für Kunden auf der ganzen Welt her. Was war in Ihrer langen Firmengeschichte Ihre größte Herausforderung?
Der im Jahr 2010 verstorbene italienische Skirennläufer Erwin Stricker war ein langjähriger Freund der Familie Reichmann. Neben seiner Karriere als professioneller Athlet war Erwin Stricker auch ideenreicher Erfinder und vorausschauender Unternehmer. Gemeinsam mit seiner Frau Linda baute er unter anderem 20 Verleihbetriebe und Sportgeschäfte in Italien mit hoher Servicequalität auf.
Für seine Shops hatte er die Vision, die Arbeitszeit seiner Mitarbeiter durch einen Serviceautomaten mit besonders hohem Durchsatz zu verkürzen und die Servicequalität für seine Kunden auf Topniveau zu steigern. Deshalb ist Erwin Stricker mehrfach mit seiner Vision an uns herangetreten. Nach intensiver Entwicklungsarbeit entstand bei Reichmann im Jahr 2010 der Serviceautomat SF-1. Dieser verfügt über einen innovativen "One-Way"-Transport des Skis durch den Automaten, der eine deutliche Zeitersparnis mit sich bringt. Das patentierte Umlaufvorschubsystem im SF-1 garantiert einen höchstmöglichen Durchsatz bei gleichzeitig schonender Bearbeitung der Ski. Auch sieben Jahre nach der Erstvorstellung des SF-1 ist das Konzept des Automaten noch führend und wird erfolgreich bei Kunden wie Migros in der Schweiz eingesetzt.
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