25 Jahre. So lange ist es her, dass Peter Schlitt seine erste Innovation vorstellte: Ein Bremskraftverstärker gefertigt aus Carbon – ursprünglich ausgetüftelt für das eigene Fahrrad. Die Resonanz war enorm. Es war der Startschuss der ADP Engineering GmbH, dem heute 34-köpfigen Innovationsbüro des Ingenieurs. Kurz darauf folgte die Gründung der dazugehörigen Herstellermarke Rotwild.
Seither räumt Schlitt mit seinem Unternehmen regelmäßig Innovationspreise ab - wie den IF Product Design Award, den Ret Dot Award Productdesign oder jüngst und zum zweiten Mal in Folge den TOP-100 Innovationspreis. Er zeichnet die innovativsten Unternehmen des deutschen Mittelstands aus.
Wie motiviert Schlitt sein Team zu stetig innovativem Denken? Und wie entsteht aus einem Innovationsgedanken das erfolgreiche Produkt? Der Dieburger Unternehmer gibt Einblicke und verrät, welche Neuerung er mit Rotwild am E-MTB-Markt platzieren will. Und er teilt Visionen: über die Zukunft des Fahrradmarkt – mit Chancen und Risiken.
ISPO.com: Herr Schlitt, was steckt hinter ADP Engineering und wie versteht sich die Marke Rotwild?
Peter Schlitt: Die ADP ist in erster Linie ein Ingenieursbüro im Bereich Mobilität. Für Otto Bock, Weltmarktführer in der Prothetik, haben wir zum Beispiel ein Handbike entwickelt, für Audi den Junior Runner und neben verschiedenen Fahrradmarken auch Fahrräder für Porsche und Mercedes. Eine intensive Zusammenarbeit bestand damals auch mit Brose bei der Entwicklung deren ersten E-Bike Motors. Durch diese Kooperation konnten wir gemeinsam das erste wirklich vollintegrierte E-MTB herstellen.
Rotwild ist unsere eigene Marke, die wir 1996 gegründet haben und unter der wir Fahrräder und Zubehör anbieten. Ursprünglich sollte sie als Marketingmaßnahme das Ingenieurbüro vorantreiben. Schnell hatte sich die Marke Rotwild jedoch als eigenständiges Geschäftsfeld etabliert. Mit weniger als 10.000 Einheiten pro Jahr sprechen wir mit ihr vor allem Kunden an, die aus der Masse herausstechen möchten, die technikgetrieben und designaffin sind. Aufgrund unseres technischen Know-hows haben wir einen hohen Anspruch an unsere Produkte. Hier möchten wir Standards setzen, wie z.B. bei der Integration von Elektroantrieben. Ein Rotwild soll Herzklopfen erzeugen und die Kunden zum Radfahren motivieren.
ADP Engineering ist zum zweiten Mal in Folge mit dem TOP 100 Innovationspreis ausgezeichnet worden. Die Auszeichnung kürt Innovationstreiber des deutschen Mittelstandes. Die Jury überzeugte vor allem das innovationsfördernde Top-Management, die Innovationsprozesse und Organisation sowie der Innovationserfolg. Aus Ihrer Sicht: Was macht für Sie ein innovatives mittelständisches Unternehmen aus?
Ein innovatives Unternehmen braucht aus meiner Sicht:
- Freiheit
- Mut
- Zielstrebigkeit
Nur wenn man Raum zum Querdenken lässt, entstehen neue Ideen. Bei der Umsetzung dieser Ideen darf man dann das Ziel nie aus den Augen verlieren und bei Rückschlägen vor allem nicht aufgeben. Denn eines ist sicher, Herausforderungen auf dem Weg zum finalen Produkt gibt es immer wieder und nur allzu gerne weicht die Praxis von der Theorie, also die Realität vom virtuellen Zeichenbrett ab. Dann braucht es pragmatische Lösungen und die findet man am besten gemeinsam, ein interdisziplinärer Austausch ist hier also von Vorteil.
Wie organisieren sie ihr Unternehmen im Sinne der Innovationsfähigkeit?
Letztlich gilt bei uns eine Politik der offenen Tür: Jede Idee, die uns voranbringt, ist grundsätzlich willkommen. Hier kommt uns unsere Unternehmensgröße definitiv entgegen. Mit gut 30 Mitarbeiter sind wir eher schlank aufgestellt. Wir haben sehr flache Hierarchien und fordern unsere Mitarbeiter auch jederzeit zu einer offenen Kommunikation auf. So werden bei der ADP neue Modellideen zunächst oft im Team diskutiert. Wir binden unsere Mitarbeiter abteilungsübergreifend in die Produktentwicklung ein, wie zum Beispiel bei unserem neuen R.E375. Vom Lastenheft bis zu den Testfahrten waren unsere Enduro Racer aus dem Vertrieb, Marketing, Produkt Management und Service immer wieder eine wichtige Feedback-Instanz. Sie müssen sich in dem Produkt wiederfinden, denn am Ende fungieren sie unserer Philosophie „wir bauen Räder, die wir selber fahren möchten“ entsprechend als Pate für dieses Modell.
Für einen Perspektivwechsel nutzen wir gerne unser Designbüro in Garmisch-Partenkirchen. Dieser Rückzugsort bietet weiteren Raum für Innovationsentwicklungen. Raus aus dem Alltag und mit Blick auf die Berge lassen sich Strategien und Konzepte hier bestens diskutieren.
Wie muss das Team aussehen, das hinter den Innovationen steht?
Die richtige Mischung ist entscheidend. Nur kreative Geister mit einer Vielzahl von Ideen machen noch keine Innovation, es braucht auch tatkräftige Umsetzer, damit aus dem Ganzen ein fertiges Produkt wird.
Natürlich ist eine offene, leidenschaftliche Denkweise zwingend erforderlich, um alte Pfade zu verlassen und neue Wege auszuprobieren. Der aktuelle Status muss immer hinterfragt werden, um die Optimierung voranzutreiben. Die eigene Komfortzone darf niemals der Begrenzer sein. Meine Aufgabe ist es, meinen Mitarbeitern Vertrauen zu schenken, sie zu fördern und zu fordern.
Stichwort Innovationserfolg: Was ist wichtig auf dem Weg vom Innovations-Gedanken zum realen, wirtschaftlich erfolgreichen Produkt? Was entscheidet über Erfolg oder Misserfolg neuer Produkte?
Das richtige Gefühl! Für Trends, die Zielgruppe, den Markt und selbstverständlich die Marke. Um einen nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg zu schaffen, müssen viele Faktoren ineinandergreifen. Das Produkt muss eben nicht nur die Kundenbedürfnisse befriedigen, es muss ebenso zur Marke selbst passen. Zusätzlich braucht es Partner, die bei der Entwicklung unterstützen und die Umsetzung ermöglichen. Erst wenn all dies erfüllt ist, dann wird das Produkt auch erfolgreich im Markt platziert werden können.
Mit Blick auf die kommende Saison: Wie sehen Sie die Marktentwicklung? Und: Was sind Ihre Neuerungen für Modelljahr 2021 am E-MTB Markt?
Grundsätzlich: die Radbranche wächst: vom letzten auf dieses Jahr und über alle Segmente betrachtet deutschlandweit um mehr als 25%. Dieser Trend setzt sich fort und ist auf einige unserer europäischen Nachbarn übertragbar.
Das Rad wird wieder neu entdeckt: auch als Mobilitätsalternative zum öffentlichen Nahverkehr. Teils infolge der Corona-Krise, ebenso rücken Themen wie allgemeine Gesundheit, Bewegung und Work-Life-Balance weiter massiv in den Vordergrund einer großen Bevölkerungsmasse.
Es herrscht große Offenheit für neue Produkte und der Endverbraucher möchte investieren. Wir hören vom Endkunden, dass die eingesparten Urlaubsausgaben Spielraum für Neuanschaffungen lassen – oder man möchte sich belohnen: für den Verzicht der letzten Monate.
So laufen die Lagerbestände der Hersteller und Fachhändler gegen Null. Neubeschaffung bzw. Materialisierung brauchen aktuell jedoch massiven Vorlauf. Denn: wir befinden uns noch immer in der Corona-Pandemie.
Rotwild verbucht für 2021 einen Zuwachs von 45% gegenüber dem Modelljahr 2020, die Umsatzsteigerung liegt bei über 50%. Innerhalb der letzten drei Jahre konnten wir unseren Umsatz mehr als verdoppeln. Das liegt für mich zum einen an unserer klaren, exklusiven Positionierung, zudem ist der Premiumbereich generell weniger wirtschaftlichen Schwankungen ausgesetzt.
Für das Modelljahr 2021 kommen wir mit einer neuen, zweiten Plattform der IPU375. Neben dem neuen Antriebskonzept mit Shimano EP8 Motor und 375 Wh Batterie ist auch die Geometrie deutlich progressiver als bei unserer R.750er Serie. Mit der neuen „Aggressive Series“ sprechen wir klassische Mountainbiker an, die einen Performance Boost im richtigen Moment jedoch zu schätzen und einzusetzen wissen. Sie wollen vor allem Effizienz, Fahrdynamik und -performance, kurzum Fahrspaß. Die Akkukapazität hat hier nur eine untergeordnete Rolle. Im Gegensatz zu unserem R.750er Kunden, der sich gerne ambitionierte Ziele setzt und immer auf Nummer sicher gehen möchte, dass die Akkukapazität bei keiner noch so großen Herausforderung ins Leere läuft.
Der E-Bike-Markt wächst rasant und wird stetig facettenreicher. Was muss als konsequenter nächster Schritt folgen, damit der Markt sich weiter so erfolgreich entwickeln kann?
Die Branche muss sich insgesamt weiter professionalisieren. Das betrifft die gesamte Lieferkette - ob Zulieferer, Hersteller oder Fachhändler. Zuverlässige Kommunikation, schnelle Reaktionszeiten, kurzum erstklassiger Service sind heute ein Muss.
Zudem muss die Konnektivität der Produkte dem Digitalisierungsstandard entsprechen. Der Kunde erwartet inzwischen durch seinen Alltag getrieben einfach mehr – er kauft nicht nur ein Fahrrad.
Welche neuen Möglichkeiten ergeben sich daraus? Was sind Gefahren?
Die Digitalisierung macht nahezu alles möglich. Vielen Kunden ist jedoch nicht bewusst, dass E-Bikes einer klaren gesetzlichen Regelung unterliegen und keine Fahrräder im herkömmlichen Sinn sind. Dies gilt für die Geschwindigkeitslimitierung ebenso wie für Anbauteile. Ebenso muss Kunden, die ihre Räder tunen oder einfach nur Teile tauschen, klar sein, dass sie Gefahr laufen alle Ansprüche auf Gewährleistung und Versicherungsschutz zu verlieren.
Mal ganz visionär: Wo sehen sie den Fahrradmarkt in zehn Jahren hinsichtlich Marktteilnehmer, Fahrradentwicklungen, Käuferschicht und Zielgruppenbedürfnisse – Was geht, was bleibt, was kommt neu dazu?
Aus heutiger Sicht würde ich sagen, wird sich der E-Bike-Markt weiter diversifizieren. Analog zu früheren Entwicklungen im Fahrradbereich wird das Angebot immer individueller auf die Kundenbedürfnisse zugeschnitten –Batterien und Motoren entsprechend mehr oder weniger Leistung bieten. Dadurch werden weitere, neue Zielgruppen angesprochen. Das klassische Fahrrad wird infolgedessen weiter an Bedeutung verlieren.
Auch das Thema urbane Mobilität wird uns weiter beschäftigen. Hier gibt es noch einige Hausaufgaben zu erledigen. Dass die Menschen bereit sind, auf das Fahrrad als alternatives Verkehrsmittel umzusteigen, erleben wir gerade täglich. Die derzeitig angebotenen Produkte lassen jedoch noch viel Raum für Verbesserung. Hier stehen wir erst am Anfang.
Vielen Dank für das Gespräch.
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