Klar: Nicht jede junge Unternehmerin und nicht jeder junge Unternehmer baut einen Konzern auf, der zehn Jahre nach seiner Gründung über vier Milliarden Dollar Jahresumsatz macht. Und auch bei Fitness-Spezialist Peloton läuft nicht alles rund. Die jüngsten Verluste nach dem Ende der meisten Corona-Einschränkungen und der Rückgang der Neukundenzahlen der vergangenen Monate machen Peloton zu schaffen. Das Börsenunternehmen reagiert prompt: Mitgründer John Foley übergibt die Leitung des Unternehmens an Ex-Spotify- und Netflix-Manager Barry McCarthy. Er soll das Unternehmen aus der Krise führen. Die schlechte Nachricht: Peloton baut trotzdem Stellen ab, jeder fünfte Mitarbeiter soll gehen müssen. Nur so lässt sich das Unternehmen sichern, wie Peloton zugab.
Keine schönen News vom Fitness-Apple. Und trotzdem können Gründer*innen vom Siegeszug der Firma aus New York, die in den letzten Jahren als eine Art „Fitness-Apple“ viel richtig gemacht hat, einige Learnings mitnehmen – findet unser Autor Jörg Heinrich, der in den letzten Monaten zum begeisterten Peloton-Nutzer wurde.
Learning 1: Mach es deinen Kund*innen so einfach wie möglich!
Wer sich früher ein Fitness-Bike zugelegt hat, bekam eine riesige Kiste nach Hause geliefert, mit den Einzelteilen des Fahrrads und einer Montageanleitung. Das Aufbauen war bereits die erste Fitnessübung. Und wenn endlich alles zusammengeschraubt war, lagen Kartons, Folien und Styropor im ganzen Zimmer verstreut, die mühsam entsorgt werden mussten. Bei Peloton bringen zwei Monteure (in meinem Fall waren es Dani und Premi) das über 60 Kilo schwere Bike nach Hause, stellen es am gewünschten Ort auf, nehmen es in Betrieb, erklären alles und hinterlassen kein Fitzelchen Karton. Das ist im (stolzen) Preis inbegriffen. Was sie hinterlassen, ist eine Visitenkarte mit Telefonnummer und ein Abschiedsgruß: „Ruf uns an, wenn es irgendwelche Probleme gibt.“ Wer trotz allem mit seinem Bike oder seinem Laufband nicht zufrieden ist, kann es 30 Tage lang kostenfrei zurückgeben. Dann kommen Dani, Premi oder zwei andere Kollegen nochmal vorbei – und schleifen das schwere Ding wieder nach unten. Wunderbar!
Learning 2: Zeig deinen Kund*innen von Anfang an, dass sie sich auf dich verlassen können!
Klingt simpel, ist aber alles andere als selbstverständlich. Wer ein Peloton-Gerät bestellt, kann nicht nur aussuchen, an welchem Tag es geliefert wird – sondern sogar, in welchem Zwei-Stunden-Fenster die Monteure anrücken. Und das klappt tatsächlich, zumindest in meinem Fall. Zwischen 10 und 12 Uhr war vereinbart, bei einer Bestelldauer von nur zwölf Tagen für ein Peloton Bike+. Und kurz nach halb elf meldete sich Dani telefonisch, dass er in zehn Minuten mit Premi und meinem neuen Fahrrad da ist. Wer jemals den ganzen Tag zuhause auf den Heizungsableser gewartet hat, der dann doch nicht kommt, weiß das sehr zu schätzen.
Learning 3: Mach deinen Kund*innen das Geldausgeben so angenehm wie möglich!
Peloton ist teuer, keine Frage. Das Bike gibt es ab 1.495 Euro, und das Bike+ genau wie das Tread-Laufband ab 2.495 Euro. Hinzu kommen 39 Euro Abo-Gebühr pro Monat für die Trainer*innen und Kurse. Wenn man schon so viel Geld ausgibt, dann soll es doch so einfach und bequem wie möglich sein?! Auch das bekommt Peloton hin. Wer sein Gerät nicht sofort bezahlen will, finanziert es ab 59 Euro im Monat bei null Prozent Zinsen. Das geht schnell und komfortabel. Und der Restbetrag lässt sich auf Wunsch während der Laufzeit jederzeit komplett bezahlen.
Learning 4: Verwirre deine Kund*innen nicht mit dubiosen Tarifen, die außer dir eh keiner kapiert!
So kostspielig Peloton auch ist – es gibt wenigstens keinen Tarif-Wirrwarr mit ein, zwei oder vier Nutzern und diversen Optionen, mit und ohne HD, oder mit 4K. Das 39-Euro-Abo gilt immer für den gesamten Haushalt, also für den/die Käufer*innen, den/die Partner*in oder die Kinder. Und es umfasst immer das komplette Trainingsangebot.
Doch auch für Peloton gilt: Wachstum ist kein Selbstläufer. Der Anfang 2022 bekanntgewordene Einbruch der Neukundenzahlen ist ein Warnsignal. Auch die in den USA seit Ende Januar 2022 zusätzlichen 250 bis 350 Dollar Liefer- und Einrichtungsgebühren für Kunden dürften ein Dämpfer bei der Neukundengewinnung sein.
Learning 5: Gib deiner Firma ein Gesicht – und zeig deinen Kund*innen, dass du sympathisch bist, und dass es Spaß macht, bei dir zu kaufen und deine Angebote zu nutzen!
Das Beste an Peloton sind die rund 50 Trainer*innen und Instruktor*innen, die die Kurse auf dem Bildschirm leiten. Die beinharte Robin Arzón, die super sympathische Ally Love oder Peloton-Beau Cody Rigsby, der 2021 bei der US-Version von „Let’s Dance“ mitgetanzt hat, sind mittlerweile regelrechte Popstars mit Fans in aller Welt. Sie sind auf Instagram omnipräsent. Und auch das norddeutsche Surfergirl Mayla Wedekind, die aus dem Peloton-Studio in London deutschsprachige Kurse abhält, wird immer populärer. Sie alle sorgen dafür, dass jeder Peloton-Abonnent zuletzt pro Monat 16,6 Kurse absolvierte. Für Heimfitness-Geräte, die gerne mal im Keller verstauben, ist das eine exzellente Quote – auch wenn die Zahl während der Corona-Lockdowns mit 26 Trainings pro Monat noch deutlich höher lag.
Learning 6: Überleg dir, welche cleveren sozialen Funktionen, Kooperationen oder Wettbewerbe deinen Nutzer*innen Spaß machen und dein Business fördern könnten!
Virtuelle Radrennen wie bei Konkurrent Zwift können Peloton-Kunden nicht gegeneinander fahren – ein solches Update wünschen sich viele Nutzer*innen. Aber was enorm motiviert, ist das Leaderboard auf der rechten Seite des Bildschirms. Dieses zeigt exakt, an welcher Stelle eine Sportlerin beziehungsweise ein Sportler mit seinem Energieverbrauch während des Kurses im Vergleich zur „Konkurrenz“ liegt. Es gibt die Möglichkeit, sich mit High-Fives gegenseitig zu pushen und zu belohnen. Und Pelotonies, die sich gegenseitig „folgen“ (auch das gibt es hier), können sich sogar mit der Kamera am Bildschirm gegenseitig beim Trainieren zuschauen – wobei das angeblich die Wenigsten nutzen. Wesentlich beliebter: Wer sich folgt und die gleichen Kurse absolviert, bekommt dafür spezielle Partner-Medaillen.
Learning 7: Denk genau darüber nach, was bei deinem Produkt oder deinem Angebot wichtig ist – und was du eventuell weglassen kannst, um Kosten zu sparen!
Man merkt einem Peloton-Bike an, wo die Prioritäten bei der Entwicklung lagen – und wo nicht. Die Konstruktion aus Stahl und Kohlefaser ist stocksolide und dürfte Jahre oder gar Jahrzehnte halten. Und die Lautsprecher vor allem beim Bike+, die mit jeweils zwei Hochtönern und Tieftönern nach vorne und nach hinten abstrahlen, sind exzellent. Willkommen in der Heimdisco! Klar: Musik ist eines der wichtigsten Elemente bei jedem Peloton-Kurs – und die muss gut und laut klingen. Die bis zu 23,8 Zoll großen Bildschirme fallen dagegen mit nur 1080p HD-Auflösung eher enttäuschend aus und können mit einem aktuellen iPad nicht mithalten. Denn ein Display in dieser Größe mit Apples Retina-Auflösung wäre viel zu teuer. Außerdem achtet beim Trainieren ohnehin niemand auf einzelne Pixel auf dem Bildschirm. Clever gemacht.
Learning 8: Auch wenn es urheberrechtlich nicht immer einfach ist – lass dir was einfallen, wie du Musik in dein Angebot integrieren kannst, damit deine Kund*innen noch bessere Laune haben!
Ohne die zwei Millionen Songs, die Peloton für seine Trainings lizenziert hat, wären die Kurse gar nicht denkbar. Mit Musik machen Schinden und Schwitzen viel mehr Spaß. Und die „Artist Series“ von ABBA über Beyoncé bis zu Metallica, bei denen nur Songs der jeweiligen Künstler*innen laufen, sind eine der ganz großen Attraktionen. Wie Peloton die persönliche Musikbibliothek des Nutzers integriert, ist exzellent: Während der Kurse lässt sich jedes Musikstück mit einem Herzchen liken. Diese Songs landen dann als Peloton-Playlist im eigenen Konto bei Spotify oder Apple Music. So entdeckt man immer wieder neue oder lang nicht gehörte Musik.
Learning 9: Plane genau, welche Updates und Änderungen der Nutzerin oder dem Nutzer (oder auch dir) wirklich einen Mehrwert bieten, und ändere nicht ständig dein Angebot und deine Produkte!
Obwohl Peloton schon seit 2012 besteht, hat die Firma bisher im Grunde nur vier Produkte angeboten – zwei Versionen seines Fahrrads und zwei Varianten seines Laufbands Tread. Updates kommen nur, wenn Neuerungen wirklich Sinn haben und Mehrwert für die Nutzer bringen. So bietet das Bike+ gegenüber dem normalen Bike einen größeren Bildschirm, stärkere Lautsprecher und vor allem „Auto Follow“ – die praktische Funktion, bei der sich während aufgezeichneter Kurse der Widerstand beim Treten von selbst an die Vorgaben des Trainers anpasst. Außerdem lässt sich die Apple Watch zur Pulsmessung und zum Aufzeichnen des Trainings drahtlos mit dem Bike+ verbinden, was erstklassig funktioniert. Diese Neuheiten sind für viele Kunden so nützlich, dass sie deshalb 1.000 Euro mehr für ihr Plus-Bike ausgeben.
Learning 10: Überleg dir, wie du deine Kunden dazu bringen kannst, regelmäßig bei dir Geld auszugeben – und nicht nur einmalig!
So hoch die Preise für die Peloton-Geräte auch sind – das große Potenzial des Unternehmens liegt beim 39-Euro-Abo, das die Nutzer*innen Monat für Monat bezahlen. Die Einnahmen aus diesen Verträgen sind zwischen 2019 und 2021 während der Pandemie von jährlich 181 Millionen Dollar auf 872 Millionen Dollar nach oben geschnellt. „Die haben eine absolut irre Software-Bruttomarge. Und nur darum geht es bei Peloton“, erklärt Analyst Andrew Mitchell.
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