„Wir werden sehr intensiv kooperieren“, sagt Dr. Michael Schineis, President of Winter Sports Equipment Amer Sports. „Wir freuen uns, dass unsere digitalen Angebote von so starken Marken wie Atomic und Salomon langfristig angenommen werden“, erklärt Klaus Dittrich, Vorsitzender der Geschäftsführung der Messe München.
Im Doppel-Interview mit ISPO.com erläutern sie die neue Zusammenarbeit, die sich auf folgende Consumer Services erstreckt:
- ISPO OPEN INNOVATION für Verbraucher-Engagement und Produktentwicklung
- ISPO JOB MARKET für Arbeitgebermarketing und zur Gewinnung von Talenten
- Die ISPO Data Management Plattform für Konsumentenforschung und Marketing
- die Website ISPO.com zur Veröffentlichung von B2B- und Konsumenten-Informationen während des gesamten Jahres
ISPO.com: Herr Dr. Schineis, Herr Dittrich, Sie sitzen hier heute zusammen, das ist ein deutliches Zeichen: dass sich Ihre Wege keineswegs trennen, nachdem Salomon und Atomic sich entschlossen haben, nicht bei der ISPO MUNICH 2018 auszustellen. Im Gegenteil: Sie reden darüber, wie Sie Ihre Zusammenarbeit ausbauen können.
Klaus Dittrich, Vorsitzender der Geschäftsführung der Messe München: Es macht uns sicherlich nicht glücklich, die beiden Unternehmen nach so langer Zeit im kommenden Jahr nicht als Aussteller zu sehen. Aber wir stellen uns ja schon seit geraumer Zeit einer Herausforderung, die sehr viel größer ist, als nur Quadratmeterfläche für vier Tage im Jahr zu vermieten: nämliche digitale Services zu entwickeln, die 365 Tage im Jahr an 24 Stunden echten Mehrwert bieten und die man auch wirklich zur Umsatz-Steigerung einsetzen kann. Und ich freue mich sehr, dass wir da jetzt gemeinsam mit Salomon und Atomic zusammenarbeiten.
Wintersport-Präsident Michael Schineis: „Wir werden die ISPO Gruppe nicht verlassen“
Michael Schineis, President of Winter Sports Equipment Amer Sports: So ist es: Wir werden die ISPO Gruppe nicht verlassen. Das Gegenteil ist der Fall: Wir arbeiten gerade aus, wie wir künftig das ganze Jahr über zusammenarbeiten.
ISPO.com: Eine Partnerschaft fürs ganze Jahr, aber keine Teilnahme an den vier Tagen ISPO MUNICH – das müssen Sie noch einmal erläutern, bitte.
Schineis: Wir haben festgestellt, dass sich der Markt in den letzten Jahren stark verändert hat. Der heutige Konsument hat ganz unterschiedliche Präferenzen. Er überlegt sich: Soll ich ein Produkt kaufen, will ich es wirklich besitzen – oder will ich es nur benutzen? Daraus haben sich unterschiedliche Konzepte unserer gemeinsamen Kunden entwickelt, des Sportfachhandels.
Es gibt Spezialisten, es gibt Einkaufs-Genossenschaften wie Intersport und Sport 2000 und es gibt Kunden, die extrem im Verleih tätig sind. Und all diese Player haben sich in ihren Geschäftsmodellen spezialisiert. Eine One-Stop-Veranstaltung kann solche Modelle aus unserer Sicht nur noch zum Teil abdecken. Wir wollen unsere Kunden das ganze Jahr über unterstützen und deswegen auch das ganze Jahr über mit ISPO Gruppe und ihren Plattformen sehr intensiv kooperieren.
Messechef Klaus Dittrich: Neue Wege gemeinsam gehen
Dittrich: Ich sehe das als große Chance – als Innovations-Partnerschaft. Atomic und Salomon gehen neue Wege. Und wir haben uns auch vorgenommen, neue Wege zu gehen – gerne gemeinsam. Wir sind sehr froh, dass die Amer Sports Group und die beiden starken Marken Atomic und Salomon gesagt haben: Wir bleiben bei der ISPO Gruppe und nutzen die digitalen Business Solutions von ISPO.
ISPO.com: Wo erkennen Sie Schnittstellen mit Zukunft-Chancen
Schineis: Die Schnittstellen sehen wir immer dort, wo wir uns um den Konsumenten kümmern. Da geht es tatsächlich um Innovationen. Nehmen Sie ISPO OPEN INNOVATION ...
ISPO.com: ... den ISPO Service, bei dem eine Community neue Sport-Produkte testet und weiterentwickelt, bevor sie in den Markt gehen.
Atomic und Salomon: Großes Interesse an Open Innovation, Job Market und ISPO.com
Schineis: Das halten wir für sehr interessant. Es geht zudem auch um den Austausch von Daten, denn nur wer gute Daten hat, kann gute Entscheidungen treffen. Es geht des Weiteren um eine gemeinsame Nutzung von Plattformen, etwa im Social Media Bereich und auf der Plattform ISPO.com. Wir haben schon ein paar konkrete Punkte besprochen. Und wir werden noch gemeinsam gute Dinge entwickeln, in dem wir uns permanent austauschen. Ich sehe das als Start einer neuen Kooperation mit der ISPO Gruppe. Es ist der Beginn einer neuen Ära der Zusammenarbeit.
ISPO.com: Wie könnte die noch aussehen?
Schineis: Wir müssen Ideen entwickeln, ein paar sind schon da: Wenn wir neue Talente und Mitarbeiter suchen, werden wir dies über den ISPO JOB MARKET machen. Oder OPEN INNOVATION, da erleben wir mit Wilson (gehört ebenfalls zu Amer Sports, die Redaktion) gerade in den USA ein interessantes Experiment: In Form einer TV-Show können Konsumenten die nächste Generation eines Golf Drivers entwickeln. So etwas können wir weitertreiben. Und wir können die Daten, die ISPO generiert, auch zum Nutzen der Konsumenten einsetzen, damit sie bessere und schnellere Informationen bekommen.
Die Messe München baut ihre digitalen Angebote aus
ISPO.com: Wie sehr hat Sie diese Entwicklung überrascht, Herr Dittrich, wie haben Sie reagiert?
Dittrich:
Die Digitalisierung ist ein Turbo-Beschleuniger. Wir sind auch als Unternehmen dabei, uns zu verändern, wir haben einen Geschäftsbereich Digital gegründet, investieren dort. Wir wollen in fünf Jahren 5 Prozent unseres Umsatzes mit digitalen Services und Produkten machen.
Dass wir in diesem Jahr Adidas zurück auf die ISPO MUNICH bekommen haben, nicht als Aussteller, aber Initiator und Mitveranstalter des ersten ISPO Adidas Symposiums, hat damit zu tun, dass sich die ISPO Gruppe schon seit Jahren digitalisiert und neue Kanäle betreibt wie das Newsportal ISPO.com mit seiner enormen Reichweite, den ISPO JOB MARKET oder eben ISPO OPEN INNOVATION. Die Welt verändert sich, und wir verändern uns mit ihr.
Aussteller- und Besucher-Rekord: ISPO MUNICH gefragter denn je
ISPO.com: Trotzdem werden Sie nun die Frage gestellt bekommen, ob die stationäre Messe, konkret die ISPO MUNICH, an Attraktivität verloren hat – und das, obwohl Sie 2017 einen Aussteller- und auch Besucher-Rekord vermelden konnten.
Dittrich: Wenn die ISPO MUNICH ihre Funktion nicht mehr erfüllen würde, dann würde sie nicht jedes Jahr wachsen. Wir haben eine sehr dynamische Wachstumsentwicklung in den vergangenen Jahren, sowohl auf der Aussteller- als auch auf der Besucherseite, dazu eine immer höhere internationale Beteiligung, bis zu 80 Prozent. Das wäre nicht der Fall, wenn sie nicht für alle Beteiligten eine wichtige Funktion hätte.
Die persönliche Begegnung, Networking, das Anschauen und Anfassen der Produkte, sich auszutauschen über Trends, all das kann man auf der Messe. Ich bin fest davon überzeugt: Das Modell Messe funktioniert nach wie vor. Ich bin mir sicher, auch Sie, Herr Dr. Schineis, werden gespannt sein, wie Ihre Kunden auf die Absage reagieren werden. Es kann ja durchaus sein, dass die sagen, uns fehlen Atomic und Salomon – und dass dann eine gewisse Erwartungshaltung an Sie formuliert wird.
ISPO.com: Ist Ihre Entscheidung denn längerfristig getroffen, Herr Dr. Schineis, gilt sie für alle Messen?
Schineis: Wir sagen niemals nie. Wir müssen uns die Dynamik des Marktes anschauen und natürlich betriebswirtschaftliche Abwägungen treffen. Unser Business ist extrem vom Wetter abhängig, und wir wollen unsere Kostenstruktur extrem flexibel halten. Wir machen jetzt erst einmal die ISPO MUNICH nicht. Wir gehen mit Atomic und Salomon weiter in die USA, weil dort der Markt ein anderer ist.
Schwestermarke Arc’teryx wird auf der ISPO MUNICH 2018 ausstellen
ISPO.com: Zur Amer Sports Gruppe, für die Sie hier sitzen, gehört ja auch noch Arc’teryx.
Schineis: Ja, und unsere Schwestermarke wird auch weiter auf der ISPO MUNICH ausstellen. Ein gutes Beispiel, das zeigt: Es ist keine generelle Entscheidung von Amer Sports gegen Messen, sondern die Entscheidung jeder Marke zu sagen, auf diesem oder jenem Kontinent sehen wir gute Chancen, über eine Messe einen Return on Investment zu erzielen. Als sehr nordamerikanisch geprägtes Unternehmen sieht Arc’teryx die ISPO MUNICH als gutes Tor, um den Wettbewerb in Europa zu gewinnen.
ISPO.com: Arc’teryx wird also weiterhin ausstellen, Atomic und Salomon sind aber nun zunächst nicht mehr mit eigenen Ständen in der ersten Reihe der ISPO MUNICH vertreten. Wie wird diese Lücke gefüllt?
Dittrich: Der Platz, der da frei wird, ist schon wieder vergeben. Da gibt es einige, die sagen, wir möchten weiter nach vorne, hinten rücken andere nach. Es wird nicht so einfach werden, wenn Sie wieder zurückkommen, da einen adäquaten Platz zu bekommen (lacht).
Schineis: Dann werden wir uns wieder hochdienen müssen (lacht).
Dittrich: Das bekommen wir dann schon partnerschaftlich gelöst.
Lange Warteliste für die ISPO MUNICH, neue Hallen werden gebaut
Sie sehen das klassische Messe-Geschäftsmodell nicht gefährdet?
Dittrich: Wir haben eine lange Warteliste für die ISPO MUNICH, wir bauen gerade zwei neuen Hallen, unter anderem auch wegen der hohen Auslastung der ISPO MUNICH, um die Nachfrage befriedigen zu können. Der ganz große Vorteil der ISPO MUNICH ist, dass sie die einzig verbliebene weltweite Multisegment Messe dieser Größe im Sport-Business ist.
Die Branche trifft sich bei uns, und wir generieren Content, den wir danach das ganze Jahr über auf ISPO.com mit enormer medialer Reichweite ausspielen können. Auch dies war ein Grund für Adidas, nach elf Jahren Abwesenheit wiederzukommen und das Digitalisierung-Symposium gemeinsam mit uns zu initiieren.
Ich war im Übrigen sehr beeindruckt, als ich bei dieser Veranstaltung mit Adidas David Schneider, einen der Gründer von Zalando, gefragt habe, warum kauft ihr eigentlich eine Messe...
ISPO.com ... die Bread and Butter....
Dittrich: ... und er mir geantwortet hat, für uns ist die Messe eine Inszenierung von Produkten: Dort generieren wir Content, den wir dann über unsere digitalen Kanäle verbreiten, und damit erzielen wir eine Vertriebsunterstützung für unsere Online-Produktkanäle. Und das kann die Plattform ISPO auch bieten: die neuen Produkte zu inszenieren, den Content dann auszuspielen, bevor die Ware in den Handel kommt.
Die ISPO Gruppe entwickelt digitale Modelle für die Zukunft
ISPO.com: Die Digitalisierung ist also auch eine Chance für klassischen Messe-Modelle?
Dittrich: Nehmen Sie das Beispiel ISPO SHANGHAI: Dort haben wir jetzt eine Kooperation mit TMall umgesetzt, die zur Alibaba-Goup gehören. Wir haben zwei Stunden Live-Streaming gemacht und in diesen zwei Stunden drei Millionen Likes bekommen. Der Aussteller, der dieses Kooperationsmodell vereinbart hat, konnte eine deutliche Steigerung seines Absatzes verbuchen. Das sind moderne Konzepte, die wir weiterentwickeln.
Unsere Anforderung ist es, Modelle für die Zukunft zu entwickeln. Wir bleiben ja nicht stehen. Die ISPO Gruppe ist da absoluter Vorreiter: Seit acht Jahren sind wir dabei, genau diese digitalen Optionen und Plattformen zu schaffen. Und wir fühlen uns natürlich auch ein Stück weit bestätigt, wenn Atomic und Salomon, also zwei starke Player, jetzt sagen, das macht für uns Sinn.
Schineis: Wir haben ja ein gemeinsames Thema: Wie können wir dem Sport weiterhelfen, dem Konsumenten weiterhelfen, wie können wir den Skisport noch attraktiver machen? Daran müssen wir das ganze Jahr über arbeiten.
„Epizentrum des Sports“: So könnte ein Konsumenten-Event zur ISPO MUNICH laufen
ISPO.com: Abgesehen von den digitalen Optionen: Wie nah kann ISPO dem Konsumenten kommen?
Dittrich: Unser gemeinsames Ansinnen ist und bleibt es, mehr Menschen für den Sport, respektive den Wintersport zu begeistern. Während der ISPO MUNICH sind alle führenden Unternehmen vor Ort. Wir haben gute Erfahrungen, auch bei anderen Messen, diese Themen dann auch in die Stadt hineinzutragen.
Wir haben eine Baumesse, die Weltleitmesse für Baumaterialen, da gibt es jedes Mal die lange Nacht der Architektur, bei der die Menschen in München die Gelegenheit haben, architektonische Highlights zu besichtigen, mit riesigem Zuspruch. Wir denken darüber nach, auch während der ISPO MUNICH ein Konsumenten-Event in der Stadt zu konzipieren, um Wintersport-Begeisterung in München öffentlich zu dokumentieren. Da bin ich mir sicher, dass wir da an einem Strang ziehen.
Schineis: Absolut, das ist sehr interessant für uns.
ISPO.com: Die lange Nacht des Sports – wäre das was für Sie, Herr Dr. Schineis?
Schineis: Wenn es München gelingen würde, zusammen mit ISPO, für eine Woche im Februar die Welthauptstadt des Wintersports zu werden, dann wäre das eine großartige Sache. Ich bin als Sprecher der Ski-Industrie im engen Kontakt mit dem Ski-Weltverband FIS, wir sprechen dauernd, wie sich der Ski-Sport weiterentwickelt und haben ja auch schon in München das ein oder andere versucht...
„60 Prozent des globalen Business läuft entlang des Alpenkamms“
ISPO.com: Sie meinen den Parallel-Slalom im Olympiapark an Neujahr – der wieder abgeschafft wurde.
Schineis: Warum muss es denn ein Weltcup sein mit seinen ganzen Anforderungen? Es gäbe andere Möglichkeiten, junge Leute in den Schnee und mit Ski in die Stadt zu bringen, die gesamte Stadt einzubinden, einschließlich der starken Händler, die es hier gibt. Da gibt es viel Phantasie. Bayern hat fast 13 Millionen Einwohner, Österreich fast neun, die Schweiz hat über acht Millionen, Südtirol noch eine halbe Million. Das ist unsere Zielgruppe: 60 Prozent unseres globalen Business läuft entlang der Alpenkamms. Dort während der ISPO MUNICH ein Epizentrum des Sports einzubauen, wo eine Woche lang der Laden brummt, ist absolut in unserem Interesse.
Content fürs ganze Jahr: So profitieren Marken von der ISPO MUNICH
ISPO.com: Heißt das, die Fachmesse ISPO MUNICH könnte sich prinzipiell den Konsumenten öffnen?
Dittrich: Diese Diskussion gibt es ja immer wieder. Ich bin fest davon überzeugt, dass es keinen Sinn macht, an einem oder zwei Tagen die ISPO MUNICH, die 80 Prozent internationale Beteiligung hat, für sportinteressierte Menschen aus der Großregion München zu öffnen.
Was wir machen – dafür sind die digitalen Kanäle wie ISPO.com ja prädestiniert – ist: den Content, den wir auf der Messe erstellen, auch zu nutzen, um Botschaften das ganze Jahr über an die Endverbraucher auszusenden. Oder eben unseren Ausstellern die Möglichkeit bieten, ihre Botschaften über unsere digitalen Kanäle zu senden. So können wir auch mit dem Fachhandel kooperieren, ohne die verschiedenen Formate zu verwässern.
Schineis: Da sind wir wieder beim Thema Plattform. Das ist ja das, was wir suchen. Ich sehe in unserer neuen Kooperation die Chance, ganz neue Dinge in Kooperation mit einem großen Unternehmen zu kreieren. In unserem Interesse ist es, unsere Position in diesem Markt ausbauen, die Intention von ISPO ist es, ihren Vorsprung als weltweit führender Anbieter in diesem Bereich auszubauen, daran können wir gemeinsam arbeiten.
Atomic, Salomon und ISPO: „Ein neuer Abschnitt, eine neue Ära“
Dittrich: Herr Dr. Schineis ist ja auch Mitglied im ISPO Advisory Board.
ISPO.com: ... einem Beratungsgremium mit Vertretern aus der Industrie, Handel und Verbänden...
Dittrich: Und da bleiben Sie hoffentlich auch dabei.
Schineis: Gerne, wenn ich eingeladen werde...
Dittrich: Das ist bereits geschehen. Sie sehen: Die Wege trennen sich nicht. Es ist ein neuer Abschnitt, eine neue Ära mit neuen Elementen. Ich bin sehr zuversichtlich.
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