Wintersport/08.01.2018

Nachhaltige Skitouren: Ein Widerspruch? Die Ski-Industrie debattiert über Öko-Strategien

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Nachhaltigkeit bedeutet nicht nur, auf einen schonende Umgang mit Ressourcen zu setzen, sondern hat auch eine gesellschaftliche, ökologische und ethische Dimension. Gerade im Wintersport und speziell beim Skitouren ist die Natur ein wesentlicher Bestandteil des Erlebnisses. Damit geht eine große Verantwortung der Skiindustrie aber auch eines jeden einzelnen Tourengehers einher. Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit in den führenden Unternehmen der Skibranche? In Teil 5 unserer Skitouren-Serie berichten Experten über die Nachhaltigkeits-Strategien in der Branche. 

Skitourengeher freut sich
Sport und Bewegung für Nachhaltigkeit - das war der Fokus beim Friday for Good.

Nachhaltigkeit ist ein viel zitierter Begriff, den sich renommierte Unternehmen gerne auf die Fahnen schreiben. Das beginnt bei der Beschaffung von Ressourcen, geht weiter beim Produktionsprozess und mündet in einer verantwortungsvollen Marketing- und Kommunikationsstrategie. So ambitioniert das auch ist, bleibt es schwer, den Überblick auf allen Ebenen zu behalten, weil auch alle Zulieferer und externe Produzenten im Sinne der selbstverordneten Nachhaltigkeit funktionieren müssen.

Um die Produktion nachhaltiger zu gestalten, haben sich verschiedene Standards etabliert. Das bluesign® system legt den Fokus auf die nachhaltige Herstellung von Textilien. Umweltbelastende Substanzen werden von Anfang an aus dem Fertigungsprozess ausgeschlossen. Die Einhaltung der Richtlinien wird überwacht.

Eine besonders schädliche Substanz ist PFC, mit der die Atmungsaktivität von Outdoor-Kleidung gewährleistet werden soll. Unternehmen verpflichten sich freiwillig für den Ausschluss von PFC aus dem Produktionsprozess – bisher sind aber nur vereinzelt gänzlich PFC-freie Produkte auf dem Markt. 

Mit einer Mitgliedschaft bei der Fairwear Foundation verpflichten sich Unternehmen zu fairen Arbeitsbedingungen in den Zuliefererketten und im eigenen Unternehmen. Für die nachhaltige Produktion von Daunen steht der Responsible Down Standard.

Die Ski-Branche ist zudem von einem externen Faktor abhängig, der sich nicht beeinflussen lässt: Schneefall. Bleibt der aus, nützt auch die beste Nachhaltigkeitsstrategie nichts. Lösungen müssen her: Multiuse von Bekleidung, die am Berg genauso wie in der Stadt funktioniert, breite Produktpalette, die sich nicht nur auf den Winter konzentriert und/oder auch andere Sportarten im Winter anspricht. 

Auch Skitourengeher tragen eine große Verantwortung

Doch auch Skitourengeher haben eine große Verantwortung. Auf Touren im Gelände bewegen sie sich in teils geschützten Gebieten und dringen zwangsläufig in den Lebensraum von Wildtieren ein. Das kann deren Lebensrhythmus empfindlich stören, weil sie im Winter ihren Energiehaushalt herunterfahren und im Fluchtmodus lebenswichtige Reserven anzapfen müssen.

Der Deutsche Alpenverein hat Richtlinien veröffentlicht, um das Skitourengehen abseits der Piste nachhaltiger zu gestalten. Diese umfassen u. a. die Beachtung von Markierungen, Hinweisen und Routenempfehlungen des DAV-Projektes „Skibergsteigen umweltfreundlich“, den Respekt vor Schutz- und Schongebieten für Pflanzen und Tiere, die Vermeidung von Lärm, das Anleinen von Hunde und die Nutzung von Kartenmaterial, das das DAV-Gütesiegel „Naturverträgliche Skitouren/Wintertouren“ trägt. 

Branchen-Insights von acht Experten

Naturnähe verpflichtet, so sehen es nicht nur der DAV oder die Konsumenten. Wie wird die Branche diesem Anspruch gerecht? ISPO.com hat führende Branchenexperten gefragt, inwieweit Nachhaltigkeit Teil ihrer Unternehmensphilosophie ist und wie sie zum Ansatz des Deutschen Alpenvereins stehen, Richtlinien für verantwortungsvolles Skitouren zu veröffentlichen. Spannende Antworten liefern:

  • Black Diamond: Stephan Hagenbusch, Vice-President of International Sales
  • Dynafit: Alexander Nehls, International Marketing Director 
  • Fischer: Franz Föttinger, CEO
  • Rossignol: Hilmar Bolle, Country Manager
  • K2 Sports: Stefan Stankalla, Sales-Manager K2 Skis
  • ABS: Michael Vogt, Marketingleiter
  • Mammut: Valentin Strohmaier, PR
  • Ortovox: Hendrik Reschke, Head of Communication

Black Diamond: Unsere Grundeinstellung ist „leave less trace possible“

Black Diamond Equipment ist ein Hersteller von Kletter-, Ski- und Bergsportausrüstung mit Sitz in Utah, USA. Das Unternehmen wurde 1954 gegründet und unterhält auch globale Niederlassungen in Innsbruck, Österreich, und Zhuhai, China.

Stephan Hagenbusch, Vice-President of International Sales: „Nachhaltigkeit ist für Black Diamond ein wichtiger Wert, dem wir uns auch in unserem „Code of Conduct“ verschreiben. Wir setzen z.B. in der Entwicklung von Skibekleidung vermehrt auf umweltfreundliche Materialien und re-investieren Teile unseres Gewinnes in Umweltschutz und soziale Projekte auf der ganzen Welt. 

Unsere Grundeinstellung ist „leave less trace possible“. Dies gilt beim Klettern genauso wie für den Backcountry Bereich. Bei Black Diamond ist uns dies ein wichtiges Anliegen, auf das wir durch diverse Events auch aufmerksam machen und das Bewusstsein der Konsumenten schulen wollen. Daher unterstreichen wir auch die Richtlinien des Deutschen Alpenvereins für ein nachhaltiges Skitourengehen. Unsere Grundansätze als Hersteller von Skitourenausrüstung spiegeln sich in einem unserer Grundmanifeste: so wenig wie möglich an Spuren in der Natur zu hinterlassen.“  

Dynafit: 95% unserer Produktion sind in Europa angesiedelt

Dynafit Sports GmbH ist eine Bergsport- und Skitourenspezialist mit Hauptsitz in München. Seit 2003 ist Dynafit Teil der Salewa Gruppe/ Oberalp Group und beschäftigt mehr als 200 Mitarbeiter.

Alexander Nehls, International Marketing Director: „Das Thema Nachhaltigkeit ist für uns ebenfalls sehr wichtig. So sind wir beispielsweise sehr stolz darauf, bereits seit einem Jahr den Leader-Status der Fair Wear Foundation zu besitzen. Das konnten wir unter anderem erreichen, weil wir klare Supplier Audit Guidelines haben und diese streng verfolgen. 95% unserer Produktion sind in Europa angesiedelt. So können wir die Transportwege verkürzen, den Europäischen Wirtschaftsraum fördern und die Arbeitsbedingungen besser kontrollieren.

Des Weiteren arbeiten wir mit der RSL / Restricted Substance List zusammen, um unseren Beitrag für die Umwelt zu leisten. Zum Beispiel entwickeln wir gerade eine Lösung, um künftig komplett PFC freie Produkte anzubieten. bluesign® Partner sind wir ebenfalls seit vielen Jahren. Unsere Oberalp Gruppe legt viel Wert auf ein hohes Engagement der Mitarbeiter im Bereich der Nachhaltigkeit. Unser Hauptgebäude in Bozen produziert zum Beispiel mehr Strom als es verbraucht.

Und die Skitouren-Richtlinien des DAV? Es ist uns ein großes Anliegen auch in diesem Bereich Antworten zu finden und die Natur zu respektieren. Unsere Freude am Sport wird uns durch die Natur gegeben und daher unterstützen wir solche Aktionen grundsätzlich. Aber auch hier muss immer ein Dialog stattfinden.“

Fischer: Franz Föttinger, CEO
Franz Föttinger, CEO von Fischer Sports
Bildcredit:
Fischer Sports

Bei der Skiherstellung setzt Fischer auf Biomasse

Die Fischer Sports GmbH stellt Artikel für den alpinen und nordischen Skisport her. Die Firmenzentrale befindet sich in Ried im Innkreis, wo das Unternehmen mehr als 450 Mitarbeiter beschäftigt.

Franz Föttinger, CEO: „Als österreichisches Familien-Unternehmen setzt Fischer auf soziale, ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit. Die Beheizung sämtlicher Gebäude am Firmensitz in Ried im Innkreis erfolgt aus dem Geothermie-Netz. Bei der Skiherstellung setzt Fischer auf Biomasse. Unser Abfallwirtschaftskonzept beinhaltet, neben dem ersten Schritt der Abfallvermeidung, den Teil der Wiederverwertung (Kunststoff und Alu/Metallabfälle) und die thermische Verwertung des restlichen Abfalls.

Sämtliches Wasser aus Prozessen wird einem Kreislaufsystem zugeführt und durch interne Reinigung wiederverwendet. Weitere Bespiele sind nachhaltige Beleuchtungssysteme, drehzahlgeregelte Motoren bei Produktionsanlagen u.v.m. Für laufende Prozessverbesserungen sorgt besonders das KVP-Modell „Kaizen“. Fischer legt in punkto soziale Nachhaltigkeit u.a. besonderen Wert auf gesundheitliche Prävention, Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter und deren Sicherheit. 

Und die Skitouren-Richtlinien des DAV? Wir begrüßten solche Ansätze. Mit Sicherheit ein wichtiger Punkt um den alpinen Lebensraum zu schützen und trotzdem genug Freiraum für das Skitourengehen zu gewährleisten.“

Rossignol: Aufstiegsspuren für Skitouring im Bereich der Lifte

Das Unternehmen Rossignol ist ein Ski- und Snowboardspezialist mit Sitz im französischen Saint-Jean-de-Moirans. 2005 schloss sich das 1907 gegründete Unternehmen mit Quiksilver Inc. zusammen. Seinen deutschen Sitz hat Rossignol in Saarbrücken.

Hilmar Bolle, Country Manager: „Wir unterstützen die Richtlinien des Deutschen Alpenvereins voll und ganz. Wir brauchen ausgewiesene und organisierte Routen, um die Umwelt dauerhaft schützen zu können und dennoch das Erlebnis Skitourengehen anbieten zu können. Unserer Ansicht nach ist es durchaus überlegenswert eigene Aufstiegspuren im Bereich der Lifte zu installieren.“

"Wir brauchen ausgewiesene Routen, um die Umwelt dauerhaft schützen zu können."
Hilmar Bolle, Country Manager Rossignol

K2 Skis unterstützt das umweltfreundliche Skitourengehen

K2 Sports ist ein im Jahre 1961 als K2 Inc. auf Vashon Island, nahe Seattle, USA, gegründetes Unternehmen, welches Ski, Inline-Skates, Snowboards und Mountainbikes herstellt. K2 Skis ist Gesamtanbieter für den Alpinsport- und Tourenbereich.

Stefan Stankalla, Sales-Manager K2 Skis: „Die Richtlinien des DAV sind natürlich positive Ansätze. Auch wir unterstützen das umweltfreundliche Skitourengehen z.B. durch unseren Tourenlehrpfad in Mittenwald. Hier können Touren-Einsteiger auf genau gekennzeichneten Wegen alles übers Tourengehen erlernen, ohne dass negativ in die Natur eingegriffen wird.“

ABS: Verantwortung ist für uns keine Marketingstory

Die ABS Protection GmbH entwickelt und produziert seit Mitte der 1980er Jahre Sicherheitsausrüstung für Skitourengeher, Snowboarder und Ski-Freerider. Das Unternehmen hat seinen Sitz in Grafing bei München. Bis heute wird ausschließlich in Bayern gefertigt. 

Michael Vogt, Marketingleiter: „Wir produzieren von je her in Deutschland mit handverlesenen Lieferanten. Dass wir für Umwelt und unser Umfeld soziale Verantwortung übernehmen ist selbstverständlich. Im Unterschied zu anderen machen wir daraus aber keine Marketingstory, sondern leben es von Anfang an.“

Mammut ist bestrebt, den ökologischen Fußabdruck der Produkte stetig zu reduzieren

Die Mammut Sports Group AG ist ein Schweizer Hersteller von Berg- und Trekkingausrüstung mit Sitz in Seon, Schweiz. Das Unternehmen mit 465 Mitarbeitern wurde 1862 gegründet.

Valentin Strohmaier, PR: „Eine ethische, umwelt- und tierfreundliche Produktion ist für Mammut zentral. Um dies in der globalen Lieferketten sicherzustellen, arbeitet Mammut mit führenden Standards wie bluesign, der Fair Wear Foundation oder dem Responsible Down Standard zusammen.

Mammut ist bestrebt, den ökologischen Fußabdruck der Produkte stetig zu reduzieren, z.B. durch die Wahl von ressourcenschonenden Produktionsverfahren, Materialien oder Komponenten. Nachhaltigkeit  ist ein Innovations-Treiber – skalierbare Lösungen, welche die Langlebigkeit, Performance und Zuverlässigkeit unserer Produkte weiter vorantrieben, stehen im Zentrum vieler neuer Entwicklungen.

Und die Skitouren-Richtlinien des DAV? Bergsport bewegt sich oftmals in einem Spannungsfeld zwischen Schützen und Nutzen. Kampagnen zur Information und Sensibilisierung von Bergsportlern für ein eigenverantwortliches, naturverträgliches Verhalten erachten wir vor diesem Hintergrund als sinnvoll.“ 

Ortovox: „Wir positionieren uns ganz klar gegen die weitere Erschließung von Skigebieten"

Die ORTOVOX Sportartikel GmbH hat sich auf Bergsport spezialisiert und produziert LVS-Geräte, Rucksäcke, Lawinennotfallausrüstung und Sportbekleidung aus Merinowolle und Schweizer Wolle. Das Unternehmen beschäftigt 45 Mitarbeiter und hat seinen Sitz in Taufkirchen bei München.

Hendrik Reschke, Head of Communication: „Nachdem Nachhaltigkeit einer unserer zentralen Markenkernwerte ist und wir mit zahlreichen Maßnahmen dafür einstehen, positionieren wir uns ganz klar gegen die weitere Erschließung von Skigebieten. Wir wollen mit der Natur leben und arbeiten – nicht gegen sie. Moderne Liftanlagen und Beschneiungsanlagen haben in den vergangenen Jahren bereits zu großen Eingriffen in die Natur geführt, aber gleichermaßen die Warteschlangen an den Liften verkürzt. Betrachtet man die stark zunehmende Anzahl an Tourengehern, so erkennt man den Trend raus aus den Gebieten und rein in eine möglichst intakte Natur, wofür keine weiteren Lifte benötigt werden.

Die letzten Winter haben die Auswirkungen des Klimawandels deutlich gezeigt. Unternehmen können in erster Linie durch Anpassungen des Produktsortiments reagieren. In der Vergangenheit geschah dies vermehrt durch Produkte, die weniger spitz für alpine Winter-Coreanwendungen designt wurden und besser im urbanen Bereich getragen werden konnten, aber dennoch den alpinen Style transportieren. Zu erkennen ist dies auch an Multiuse-Produkten, z.B. Jacken, die auf Skitour, beim Freeriden oder auch mal auf der Piste getragen werden können. Ursprünglich bekannt als Wintersportmarke, haben wir bei ORTOVOX vor vier Jahren erstmals eigene Sommerlinien eingeführt, auch aus dem Grund heraus, dass die Winter immer schwächer werden.

Ortovox Wool Promise: Ein Standard, der den Responsible Wool Standard in einigen Punkten übersteigt

Von dem Ursprung unserer Wolle bis zum fertigen Endprodukt ist es unser Ziel, die Umwelt so wenig wie möglich zu belasten und allen Mitarbeitern, bei uns in Taufkirchen, aber auch bei unseren Lieferanten weltweit, bestmögliche Arbeitsbedingungen zu garantieren. 

Jüngst dieses Jahr haben wir den Ortovox Wool Promise ins Leben gerufen. Ein Standard, der den Responsible Wool Standard in einigen Punkten übersteigt und den Merinoschafen auf unseren sechs tasmanischen Farmen höchste Tierschutzstandards sichert, den Rahmen für das Landmanagement der Schafbauern absteckt, diesen faire Wollpreise zusichert und dem Konsumenten größtmögliche Transparenz in der Supply Chain verspricht. 

ORTOVOX WOOL PROMISE

Die Weiterverarbeitung der Wolle geschieht überwiegend in Europa. Ca. 2/3 aller Bekleidungsteile werden hier produziert. Einige der Gründe für diesen Weg sind die guten Arbeitsbedingungen, die physische Nähe, die schnelle Kommunikation und die hohen Sicherheitsauflagen, die wir im Rahmen der Fair Wear Foundation-Mitgliedschaft regelmäßig überprüfen lassen. Die Mitarbeit beim Bündnis für nachhaltige Textilien und die Unterstützung der EOCA sind weitere Beispiele für unser Engagement im Bereich Nachhaltigkeit. 

Und die Skitouren-Richtlinien des DAV? Grundsätzlich befürworten wir alle ausgegebenen Empfehlungen und integrieren sie an den geeigneten Stellen auch in unsere Kommunikationsmittel. Beispiele hierfür sind unsere Online-Lernplattform für Schnee und Lawinenkunde, das Safety Academy Lab, das einen Lehrfilm zum Thema Naturschutz beim Freeriden beinhaltet, oder unsere Bergtouren App, in deren Karte alle Schutzgebiete lt. Alpenvereinen integriert sind sowie Touren mit entsprechenden Hinweisen.“ 

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