Von Italien und Spanien über Deutschland, Schweden und Portugal bis nach Frankreich - die diesjährige Jury aus Textilexperten diskutierte die eingegangenen Bewerbungen für ISPO Textrends Herbst/Winter 22/23 lebhaft über den ganzen Kontinent. 2020 war ein ungewöhnliches Jahr, aber es hat die Textilindustrie nicht bezwungen. Wir sind vielleicht am Boden, aber wir sind längst nicht ausgeknockt. So machte ISPO Textrends aus der Corona-Not eine Tugend und wählte die besten Textilprodukte für den Herbst/Winter 22/23 eben digital.
Wenn also die Jury nicht zu den eingereichten Bewerbungen nach München kommen kann, so müssen die Stoffe und Materialien eben zur Prüfung auf Herz und Nieren zur Jury kommen. So wurde auch die unerlässliche Fühlbarkeit des Materials für die Jury beibehalten. Von allen Produkten wurden „Swatch-Sets" erstellt und zur individuellen Beurteilung verschickt. Während der Jury die traditionelle Beurteilung als Gruppe an einem Ort und Geselligkeit fehlte, verlief die Diskussion annähernd normal, wenn auch über Computerbildschirme und Online-Scoring-System.
Auch wenn mit insgesamt 253 weniger Bewerbungen eingingen, war sich die Jury einig, dass dies angesichts der diesjährigen Situation immer noch eine beeindruckende Zahl ist.
„Ich bin positiv überrascht von dem, was ich bisher gesehen habe, da wir uns derzeit in einer sehr merkwürdigen Situation in der Branche befinden", sagte Thomas Håkansson, Freiberuflicher Designer. Vorweg skizzierte Thomas die allgemeine Stimmung des Treffens: „Ich denke, angesichts der aktuellen Situation fand ich das Niveau generell sehr hoch. Der Nachhaltigkeitsaspekt steht deutlicher im Fokus. Ich freue mich auch über kommerzielle Stoffe, die Nachhaltigkeit, Effizienz und ein gutes Händchen miteinander verbinden".
„Dies ist das dritte Mal, dass ich teilnehme, daher habe ich Vergleichsmöglichkeiten, auch für mich ist es anders. Da ich die Beurteilung zunächst allein durchführe, ist es sehr interessant, in der anschließenden Diskussion darüber die verschiedenen Standpunkte zu sehen und neue Ansätze zu hören", sagte Anna Mack, Auditorin /Technical Assessorin, bluesign technologies.
Ein Großteil des Textilsektors ist seit gut drei Monaten geschlossen. Bei genauer Betrachtung der Muster war klar zu erkennen, dass viele Innovationen nicht so offensichtlich sind, sich aber viele Innovationen weiterentwickeln.
Das Wachstum des Street-Sport-Sektors treibt die Kombination von Mode und Funktionalität voran. Vielseitigkeit von Hochleistungsstoffen für Outdoor- und Stadtbekleidung ist immer stärker nachgefragt. Für Herbst/Winter 22/23 gingen aber andere Sektoren einen viel kreativeren Ansatz in Bezug auf Farbverwendung, Struktur und Oberflächengestaltung. Soft Equipment, das auf Rucksäcke und Schuhe ausgerichtet ist, zeigte interessante Neuentwicklungen von den Kernbestandteilen der Stoffe bis hin zur endgültigen Struktur und dem Aussehen.
Der Jury offenbarte sich auch ein hohes Maß an Innovation, das dem Auge oft verborgen bleibt: bei der Isolierung im Wintersportsegment.
Im Bemühen um Nachhaltigkeit stach kein Sektor besonders hervor, vielmehr zog es sich über alle Bereiche: vom Rohstoff über Veredelung, Material, Farbstoff bis zur Struktur.
„Nachhaltigkeit durchdringt Sportartikel mittlerweile, und so berufen sich auch fast alle Einsendungen darauf. Sei es die Verwendung von recycelten Materialien, biobasierten Materialien oder recycelten Rohstoffen. Das zeigt, dass es mit nachhaltigen Materialien auch möglich ist, Funktionalität zu erreichen. Dies ist eine sehr wichtige Botschaft dieses ISPO Textrends-Jahrgangs", sagte Braz Costa, General Manager von Citeve.
Ähnlich drückte es Giusy Bettoni aus, CEO und Gründer von C.L.A.S.S., der führenden Nachhaltigkeitsplattform im Textilsektor: "Man kann die Bewegung in Richtung Inklusion statt Trennung erkennen. Während es in der Vergangenheit so war, dass dies nachhaltig ist und dies nicht. Wir konnten feststellen, dass es inzwischen Normalität ist, Nachhaltigkeit hervorzuheben, das war für mich eine positive Sache."
Biosynthetik sorgte zuletzt für Aufsehen, da das kommerzielle Angebot weiter zunimmt und in immer mehr Anwendungen auftaucht. Dieser neue Weg ist reizvoll, aber wie bei allem Neuen betonte Giusy, dass es wichtig sei, die Botschaft auch wissenschaftlich abzuklopfen: „Es geht nicht mehr bloß um Zertifizierung, sondern um Labortests", sagte sie.
Sophie Bramel, Technische Redakteurin bei World Sports Activewear (WSA), war ebenfalls beeindruckt von Biokunststoffen, hob aber auch die Notwendigkeit hervor, bei Nachhaltigkeitsbemühungen nicht vom Gas zu gehen:
"Was wir tun müssen, ist zu Nachhaltigkeit 2.0 überzugehen. Das bedeutet, auf Stoffmischungen zu verzichten. Darauf habe ich besonders geachtet, das ist immer problematisch. Unvermischte Stoffe können langweilig wirken, also müssen wir die richtige Lösung finden. Ich habe Naturfasern gesehen, es gab Wolle, Bio-Baumwolle und Leinen, die mir gefielen. “
Performante natürliche Stoffe waren ein durchgehendes Merkmal der Einsendungen, ob mit Baumwolle, Leinen und Wolle. Während Wolle wärmeregulierend und geruchshemmend ist und im Sport- und Outdoor-Bereich ganzjährig beliebt ist, fehlte anderen Naturfasern in der Vergangenheit das Leistungsniveau, mit aktuellen Leistungsausrüstungen und Gewebestrukturen ändert sich dies. Bei Mischungen stellt sich das Problem des Recyclings oder der verantwortungsbewussten Entsorgung eines Mischprodukts. Es ist nachhaltiger, ein reines Gewebe zu haben als eine Mischung, insbesondere einer Faser auf natürlicher Basis mit einer synthetischen.
"Wenn man über die Verschmutzung durch Mikrofasern nachdenkt, sollten wir uns mehr auf natürliche oder zellulosehaltige Materialien konzentrieren - es gibt ein paar sehr, sehr schöne. Ich bin etwas müde von recyceltem Polyester, ich weiß, dass es eine gute Wahl ist, es ist besser als herkömmliches Polyester, aber es fällt mir schwer, mich für ein recyceltes Poly zu begeistern", sagte Sophie und fügte hinzu, dass die nächste Generation von recyceltem Polyester aus Textilien und nicht aus Plastikflaschen aus der Zeit nach dem Gebrauch bestehen sollte.
Am Ende der digitalen Jurysitzung für ISPO Textrends Herbst/Winter 22/23 herrschte nach engagierten Diskussionen Einigkeit über die prämierten Bewerbungen jedes Sektors. Als Branche haben wir uns im Laufe des Jahres 2020 angepasst und auch unsere Widerstandsfähigkeit unter Beweis gestellt.
Der Jury zeigte sich, dass die Unternehmen auf allen Textil-Ebenen sauberer und nachhaltiger in die Zukunft blicken. Was ISPO Textrends in den vergangenen Saisons prophezeit hat, ist nun eigetreten: Nachhaltigkeit kein Trend mehr, sondern ein fester Bestandteil der DNA der Textilkette.
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