Gerade kleine und mittelgroße Hersteller der Sportbranche tun sich schwer im Aufbau einer eigenen digitalen Expertise, um beim raschen digitalen Fortschritt mitzuhalten. Große Digitalkonzerne und spezialisierte Agenturen bieten deshalb Fachwissen und digitale Dienste an, um diesen Unternehmen den Weg ins digitale Business zu erleichtern.
Auch der chinesische Online-Riese Alibaba bietet in Europa unterschiedliche Geschäftsmodelle an, die genau auf solche Unternehmen zugeschnitten sind. Michael Plagge, Senior Manager bei Alibaba Cloud DACH und CEE, spricht mit ISPO.com darüber.
ISPO.com: Welche digitale Infrastruktur braucht ein Unternehmen aus der Sportbranche, um heute für die Zukunft gerüstet zu sein?
Michael Plagge: Die Sportbranche lebt wie keine andere von Emotionen. Marken im Sportbereich wollen und müssen ihre Geschichte erzählen, um ihren Kunden diese Emotionen zu vermitteln. Dazu benötigen sie Content – Texte, Bilder und vor allem auch Videos, die auf den verschiedensten Kanälen – der eigenen Website, den Social-Media-Kanälen und so weiter, gespielt werden. Dazu wiederum brauchen sie Infrastruktur wie ein CDN (Content Delivery Network) oder Data Lake Analytics, um große Mediendateien bei Bedarf zu speichern und zu analysieren, um den ständig wachsenden digitalen Bedarf zu decken.
Die richtige digitale Infrastruktur kann aber nicht nur helfen, den Kunden emotional zu binden, sie erlaubt auch eine Entwicklung in Richtung Industrie 4.0 – Stichwort Smart Manufacturing. Hierbei denke ich beispielsweise an eine Digitalisierung der Supply Chain.
Wenn die Infrastruktur die Basis ist, wozu befähigt sie Unternehmen im nächsten Schritt? Welche Technologien werden dann möglich?
Kundenseitig hilft sie wie gesagt, mit gut ausgesteuertem Content den Kunden zu emotionalisieren und zu binden. Im Einzelhandel können Sportunternehmen mit großen Datenanalysen auf Cloud-Computing-Plattformen auch Trends verfolgen und ihren Kunden individualisierte Inhalte, Produkte und Dienstleistungen anbieten. Die Sportbranche muss in der Lage sein, schnell auf aktuelle Trends einzugehen und ihre Kunden gezielt zu bedienen. Zum Beispiel sprechen wir über Dinge wie individuelle Skier oder Sportschuhe, die schnell und in kleinen Losgrößen produziert werden müssen, aber dennoch kostengünstig sind.
Wie ist Ihr Eindruck zum Digitalisierungsgrad der Branche: Nehmen die Unternehmen die digitale Herausforderung Ernst genug?
Wie in so vielen Branchen ist es tendenziell so, dass die großen Spieler mit der rasanten Entwicklung mithalten können. Natürlich gibt es Ausnahmen, aber erfahrungsgemäß gibt es gerade bei vielen kleineren Händlern und Herstellern Probleme, die notwendigen Ressourcen und das notwenige Know-how aufzubringen.
Im Vergleich zu China: Wo stehen europäische Firmen hinsichtlich ihrer digitalen Transformation? Haben Sie konkrete Beispiele?
Ein Beispiel für ein europäisches Unternehmen, das in diesem Bereich schon extrem weit ist, ist die Firma Intersport. Der Sportartikelhändler hat in Peking gemeinsam mit unserer B2C-Plattform Tmall einen stationären Store eröffnet, der seinen Kunden das bietet, was unserer Ansicht nach das Einkaufserlebnis der Zukunft ist. Unter dem Namen „Tmall x Intersport“ wurde der zweistöckige, 1.300 Quadratmeter große Raum im touristischen Hotspot Qianmen mitten in Peking in einen futuristischen Megastore verwandelt.
Das technologiegetriebene Modell verknüpft das Beste aus Online- und Offline-Shopping, und zwar mit Hilfe von Augmented Reality-basierten interaktiven Anwendungen wie dem Smart Shoe Mirror, der den Kunden sofort alle Informationen über einen bestimmten Schuh, den er aus dem Regal zieht, mitteilt. Ein KI-basierter Einkaufsassistent gibt Einkaufstipps, ein interaktiver Spiegel empfiehlt Accessoires. Sie können im Laden nicht finden, was Sie suchen? Kein Problem. Der Megastore ist mit Cloud Shelf-Technologie ausgestattet, einem virtuellen Regal, das die Auswahl an verfügbaren Produkten vervierfacht.
Ein interaktives 24-Stunden-Fenster am Haupteingang des Ladens ermöglicht es, rund um die Uhr einzukaufen. Wer keine schweren Einkaufstaschen oder sperrigen Schuhschachteln durch die Straßen Pekings schleppen möchte, kann sich seine Einkäufe nach Hause liefern lassen. Cainiao, die Logistiksparte der Alibaba Group, liefert im Umkreis von fünf Kilometern binnen zwei Stunden.
Im Vergleich hierzu sind viele europäische Firmen noch in einem eher traditionellen Setup unterwegs, haben zum Beispiel keine verknüpften Vertriebskanäle. So vergeben sie Chancen in Bereichen wie Kundenservice, Kundenbindung und Effizienzsteigerung in der Logistik.
Alibaba ist vor allem als chinesische Online-Plattform bekannt, aber Sie bieten auch Cloud-Dienste an. Wie genau sieht Ihr Angebot aus?
Alibaba Cloud ist nach einer aktuellen Gartner-Studie weltweit die Nummer drei hinsichtlich des IaaS-Marktanteils (IaaS: Infrastructure as a Service, Anm. d. Red.). Wir betreiben Rechenzentren auf der ganzen Welt und decken mit derzeit 56 Verfügbarkeitszonen 19 Regionen auf der ganzen Welt ab. Mit unserem Rechenzentrum in Frankfurt, das wir gemeinsam mit unserem Partner Vodafone betreiben, bieten wir hiesigen Unternehmen klassische Cloud-Dienstleistungen wie IaaS und PaaS (Paas: Platform as a Service, Anm. d. Red.) an.
Wie würde eine Kooperation mit Alibaba Cloud aussehen?
Wir agieren zwar global, sind aber zugleich sehr stolz darauf, dass wir gerade in Deutschland sehr gut lokal unterstützen können: Wir haben hier ein exzellentes Team von Experten, Business-Development-Profis ebenso wie Solution Architects. Dieses Team berät und unterstützt unsere Kunden ganz aktiv beim Schritt in die Cloud und bei der Implementierung von Cloud-Technologie.
Wie gehen Sie bei Unternehmen vor, die noch gar keine digitale Expertise aufgebaut haben? Wie können Sie die unterstützen?
Wir sind ein klassischer Hyperscaler und bieten Cloud-Ressourcen an, bei deren Nutzung wir, wie gesagt, aktiv und persönlich unterstützen. Firmen, die selbst noch überhaupt keine digitale Expertise haben, helfen wir, indem wie sie an unser Partnernetzwerk, bestehend aus verschiedenen renommierten Beratungsunternehmen, verweisen.
Viele sind noch misstrauisch gegenüber der Cloud-Speicherung. Wie begegnen Sie diesem Misstrauen und gibt es überhaupt eine Alternative zur Cloud?
Datenschutz und -sicherheit hat für Alibaba Cloud in den USA, Europa, Asien und überall dort, wo Alibaba Cloud tätig ist, oberste Priorität. Wir verpflichten uns zur Einhaltung lokaler Vorschriften und Industriestandards. Auch unser gesamtes Ökosystem baut auf diesem Vertrauen auf. Der Schutz der Privatsphäre unserer Kunden und Verbraucher ist uns dabei besonders wichtig.
Hinzu kommt, dass wir als Alibaba Cloud alle relevanten Sicherheitszertifikate erworben haben und auch regelmäßig auditiert werden. So waren wir beispielsweise der weltweit erste Cloud Service Provider, der das C5-Testat des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik mit erweiterten Anforderungen erhalten hat. Darüber hinaus arbeiten wir strikt DSGVO-konform.
Natürlich gibt es theoretisch Alternativen, aber eigene Rechenzentren sind eben extrem kostenintensiv und damit gerade für kleine und mittelständische Unternehmen nicht abbildbar. Das bedeutet faktisch, dass das Risiko, technologisch den Anschluss zu verlieren, ohne die Cloud einfach zu groß ist – man denke wieder zum Beispiel an die Ausspielung von Videocontent, der Kunden emotionalisiert und bindet.
Was machen Sie mit den Daten in der Cloud?
Das ist einfach zu beantworten: Gar nichts! Wir sind, um mit den Worten der DSGVO zu sprechen, ein Data Processor und kein Data Controller. Man könnte sagen, dass wir die Daten unserer Kunden aufbewahren, sie aber nicht anfassen. Zudem bleiben Daten, die Kunden in unserem Frankfurter Rechenzentrum speichern, genau dort, und zwar ausschließlich und ohne Ausnahmen – im Einklang mit deutscher Datenschutzgesetzgebung, die als die strengste der Welt gilt.
Welchen zusätzlichen Nutzen bringt Ihre Cloud-Lösung für Unternehmen, die auch auf dem chinesischen Markt aktiv sind oder dort gerne starten würden?
Unsere europäischen Kunden schätzen hauptsächlich drei Punkte: sie schließen mit uns nach europäischem Recht einen Vertrag über ein globales Deployment. Zudem bieten wir natürlich nahtlose Konnektivität nach China. Und nicht zuletzt bieten wir lokalen Marken Unterstützung und Know-how rund um den Markteintritt in China über das Alibaba-Ökosystem.
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