Wintersport/23.01.2018

Wie massentauglich sind Bigmountain-Skiing, Freetouring und Skitourenrennen? Acht Experten ordnen ein.

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Das konventionelle Skitouren ist im Sportalltag vieler Menschen angelangt – das ist sicher. Das Potential zum Volkssport ist sehr groß, doch wie ambitioniert sind Wintersportler unterwegs? Branchen-Experten ordnen in Teil 7 unserer Skitouren-Serie ein, ob Freeriden, Skitourenrennen und Bigmountain lediglich Profis vorbehalten bleibt – oder massentauglich wird.

Freerider springt von Cliff
Bigmountain ist eine Steigerung vom Freeriden, weil das Gelände noch schwieriger ist.

Skitouren ist ein Trend. Pistentouren und Genußtouren werden immer beliebter, aber das Gelände eröffnet weit mehr Möglichkeiten für den ambitionierten Wintersportler. Skitouren in hochalpinem Gelände, Freeriden und Bigmountain-Skiing sind extremere Spielarten, die auch Alpinisten abseits präparierter Wege locken. Dass auch in diesen Segmenten ein Wachstum stattfindet, wird selbst auf der Piste augenscheinlich. Freerider, die im deutschen Sprachraum auch Variantenfahrer genannt werden, erkunden das Gelände abseits der Piste. Man erkennt sie an ihren breiten Ski und den Lawinenrucksäcken. Sie nutzen die Infrastruktur in den Skigebieten, um das Backcountry zu erkunden. 

Bigmountain-Skier und Freetourer sind Spezialisten, wenn es um waghalsige Abfahrten in unpräpariertem Gelände geht. Die Profis dieser Sparte fühlen sich in schwierigstem Terrain wohl. Beim Bigmountain-Skiing oder Feetouring stehen die ganz großen Berge und Abfahrten im Vordergrund, die zumeist im alpinistischen Tourenmodus, mit Seil und Steigeisen, oder gleich mit dem Heli erreichbar sind. Das Gelände ist extrem anspruchsvoll und steil, die Bedingungen in vielen Fällen erst beim ersten Schwung wirklich definierbar. Absolutes Fahr-Können auch in schwierigsten Situationen, außergewöhnlich gutes Einschätzungsvermögen von Gefahrenlagen und Mut sind Grundvoraussetzungen, um sich solchen Extremen stellen zu können. Auf die Ausrüstung muss absolut Verlass sein. Die Ski müssen bei Bruchharsch, Eis, Tiefschnee und in zerfahrenem Gelände auch bei extrem hohen Geschwindigkeiten fahrbar bleiben. 

Das komplette Gegenteil stellen die schmalen Ski der Skirennläufer dar. Auch sie sieht man sehr häufig neben der Piste trainieren. Ihr Fokus liegt aber nicht bei der spektakulären Abfahrt. Vielmehr steht ein effizientes und schnelles Aufsteigen im Vordergrund. Die Ski sind dementsprechend schmal und minimalistisch konstruiert. Ihre gesamte Ausrüstung ist auf Leichtigkeit ausgelegt – hier zählt wirklich jedes Gramm, weil sich die stärksten Tourengeher im Wettkampf messen. Ursprünglich wurden Wettkämpfe im Skibergsteigen vom Militär ausgetragen, als sogenannte Militärpatrouillen. Daraus gingen in den 1920er Jahren auch zivile Wettkämpfe hervor. Das weltweit größte Rennen im Skibergsteigen ist die Patrouille des Glaciers im Wallis in der Schweiz. Weitere Rennen im Rahmen des Welt- und Europacups im Skibergsteigen sind die Mountain Attack in Saalbach Hinterglemm, der Sella Ronda Skimarathon in Südtirol und das Jennerstier im Berchtesgadener Land. 

Skitourenrennen, Freeriden und Bigmountain-Touring sind die Königsdisziplinen beim Skifahren im Gelände. Experten führender Wintersportmarken erläutern auf ISPO.com, welchen Stellenwert diese extremeren Spielarten des Skitourens in ihrem Geschäftsfeld haben – und welche Entwicklungen sich auf langfristige Sicht abzeichnen. 

  • Black Diamond: Stephan Hagenbusch, Vice-President of International Sales
  • Dynafit: Alexander Nehls, International Marketing Director 
  • Fischer: Franz Föttinger, CEO
  • Rossignol: Hilmar Bolle, Country Manager
  • Hagan: Walter Wiesinger, Verkaufsleiter
  • K2 Sports: Stefan Stankalla, Sales-Manager K2 Skis
  • ABS Protection: Michael Vogt, Marketingleiter
  • Ortovox: Hendrik Reschke, Head of Communication

Black Diamond: Hochtouring and Bigmountain-Touring größere Bedeutung als Ski-Touren-Rennen

Black Diamond Equipment ist ein Hersteller von Kletter-, Ski- und Bergsportausrüstung mit Sitz in Utah, USA. Das Unternehmen wurde 1954 gegründet und unterhält auch globale Niederlassungen in Innsbruck, Österreich, und Zhuhai, China.

Stephan Hagenbusch, Vice-President of International Sales: „Für Black Diamond steht in Sachen Skisport das Erlebnis mit und in der Natur im Vordergrund. Deshalb haben Hochtouring and Bigmountain-Touring für uns eine größere Bedeutung als Ski-Touren-Rennen. Sich im alpinen Gelände sicher zu bewegen, setzt Kenntnisse bei der Wegfindung, der Beurteilung der Lawinen-Situation und Übung voraus. Insofern werden die extremen Spielarten des Sports vermutlich nicht wirklich 'massentauglich' werden.“ 

Dynafit: "Wir haben viele dieser Spielarten – Race, Speed, Tour & Free – überhaupt erst ermöglicht"

Dynafit Sports GmbH ist eine Bergsport- und Skitourenspezialist mit Hauptsitz in München. Seit 2003 ist Dynafit Teil der Salewa Gruppe/ Oberalp Group und beschäftigt mehr als 200 Mitarbeiter.

Alexander Nehls, International Marketing Director: „Wir können voller Stolz sagen, dass wir viele dieser Spielarten überhaupt erst ermöglicht haben. Dynafit unterteilt den Skitourensport bereits seit vielen Jahren in vier Kategorien. Race, Speed, Tour & Free.

Jeder Kunde hat andere Ziele, individuelle Bedürfnisse und auch unterschiedliche Fähigkeiten. Wir bieten jedem das richtige Equipment – vom 690 Gramm leichten Rennski über das hochalpine Skiset hin zum abfahrtsorientierten Freeride-Ski mit 108cm unter der Bindung.

Für uns ist nicht entscheidend, was aktuell der größere Trend ist. Vielmehr versuchen wir seit Jahren in allen vier Bereichen die richtigen Produkte herzustellen, um eine erlebbare Qualität zu bieten. Ob hochalpine Projekte wirklich massentauglich werden, ist eine schwierige Frage. Klar ist, dass die Ziele und Bedürfnisse der Kunden immer ambitionierter werden und auch Bergführer solche Touren vermehrt anbieten. So lange jeder den Bergen mit Respekt begegnet und sein Können richtig einschätzt, ist alles möglich.“

Fischer: Extreme Anforderungen dieser Nischen oft Ausgangspunkt für Produktentwicklung

Die Fischer Sports GmbH stellt Artikel für den alpinen und nordischen Skisport her. Die Firmenzentrale befindet sich in Ried im Innkreis, wo das Unternehmen mehr als 450 Mitarbeiter beschäftigt.

Franz Föttinger, CEO: „Massentauglichkeit wird für diese Segmente des Wintersports wohl schwer zu erreichen sein, aber alle Bereiche sind dennoch enorm wichtig für uns als Marke. Der Ausgangspunkt in unserer Produktentwicklung bspw. kommt sehr oft von den extremen Anforderungen dieser Nischen. Daraus leiten wir dann die Produkte für andere Zielgruppen aus der Sportart ab.“

Rossignol: Die überwiegende Mehrheit wird nach wie vor auf den präparierten Pisten zu Hause sein

Das Unternehmen Rossignol ist ein Ski- und Snowboardspezialist mit Sitz im französischen Saint-Jean-de-Moirans. 2005 schloss sich das 1907 gegründete Unternehmen mit Quiksilver Inc. zusammen. Seinen deutschen Sitz hat Rossignol in Saarbrücken.

Hilmar Bolle, Country Manager: „Diese Sparte ist durchaus wichtig für uns. Allerdings ist sie nach wie vor nicht massentauglich. Skitouren in hochalpinem Gelände, Big Mountain und Co. faszinieren die Menschen und wecken Begehrlichkeiten. Die überwiegende Mehrheit ist jedoch nach wie vor auf den präparierten Pisten zu Hause und das wird auch in Zukunft so bleiben.

Für ambitionierte Wintersportler, die in diesen Bereichen aktiv sind, stellen wir jedoch selbstverständlich das passende Material zur Verfügung. Unsere Produkte in diesem Sektor punkten gleichermaßen mit Leistungsfähigkeit und Komfort. Sie sind somit ein treuer Begleiter für alle, die in diesen Sparten aktiv sind.“

Hagan: "Wir fokussieren uns vor allem auf den Hochtouren- und Renntouren-Geher"

Der Wintersportartikelhersteller Hagan entwickelt und vertreibt Tourenski, Bindungen sowie Zubehör. Firmenstandort des Familienunternehmens ist Antiesenhofen in Oberösterreich.

Walter Wiesinger, Verkaufsleiter: "Die oben genannten Segmente sind für uns alle interessant aber wir fokussieren uns vor allem auf den vHochtouren- und Renntouren-Geher. Ich glaube, dass zwar alle Segmente noch weiter Wachstumspotenzial haben, aber Massentauglichkeit sehe ich bis auf ganz wenige Veranstaltungen (Mountain Attack, Sella Rounda,…) im Rennsport keine."

K2 Skis: Im Tourenbereich gibt es mittlerweile viele Untersegmente mit einer klaren Zielgruppendefinition

K2 Sports ist ein im Jahre 1961 als K2 Inc. auf Vashon Island, nahe Seattle, USA, gegründetes Unternehmen, welches Ski, Inline-Skates, Snowboards und Mountainbikes herstellt. K2 Skis ist Gesamtanbieter für den Alpinsport- und Tourenbereich.

Stefan Stankalla, Sales-Manager K2 Skis: "Bis auf Ausrüstung für Skitourenrennen sind wir ein Vollanbieter und haben für jeden Kunden das passende Produkt, denn auch im Tourenbereich gibt es mittlerweile viele Untersegmente mit einer klaren Zielgruppendefinition. Wird es alpiner – egal ob beim Skihochtouren oder Skialpinismus – muss der Kunde natürlich entsprechend ausgerüstet und auch erfahren sein. Hier ist für uns weniger die Massentauglichkeit wichtig als auch für diese speziellen Zielgruppen das entsprechende Produkt zu bieten."

ABS Protection: Der gesamte Markt geht jedes Jahr ein paar Höhenmeter nach oben

Die ABS Protection GmbH entwickelt und produziert seit Mitte der 1980er Jahre Sicherheitsausrüstung für Skitourengeher, Backcountry-Snowboarder und Ski-Freerider. Das Unternehmen hat seinen Sitz in Grafing bei München und fertigt bis heute ausschließlich in Bayern.

Michael Vogt, Marketingleiter: „Wie eingangs gesagt, geht der Trend offensichtlich dahin. Es gibt immer mehr, die das Abenteuer und teilweise auch das Extreme suchen. Je höher und extremer die Tour, desto relevanter wird der Lawinenrucksack. Er ist jetzt schon bei den Fortgeschrittenen obligatorisch. Man könnte sagen, der gesamte Markt geht jedes Jahr ein paar Höhenmeter nach oben, aber es wird natürlich die Verhältnismäßigkeit bleiben und damit gerade bleibt Bigmountain-Touren nur den Spezialisten vorbehalten.“

Ortovox: "Wir stehen nicht für höher, schneller, weiter, sondern für große Momente – gemeinsam mit Freunden"

Die ORTOVOX Sportartikel GmbH hat sich auf Bergsport spezialisiert und produziert LVS-Geräte, Rucksäcke, Lawinennotfallausrüstung und Sportbekleidung aus Merinowolle und Schweizer Wolle. Das Unternehmen beschäftigt 45 Mitarbeiter und hat seinen Sitz in Taufkirchen bei München.

Hendrik Reschke, Head of Communication: „Ortovox versteht sich als Winter- wie Sommer-Marke. Die Leidenschaft nach unberührtem Schnee auf Skitouren oder Freerides treibt die Marke genauso an, wie gemeinsame Erlebnisse beim Alpinklettern, Bergsteigen oder auf Hochtour. Geprägt vom alpinen Hintergrund sind das die Bereiche, für die wir technische und funktionale Bekleidung und Erste Hilfe Produkte wie Biwacksäcke, Rucksäcke oder eine komplette Lawinensicherheitsausrüstung entwickeln.

Wir stehen, wie schon erwähnt, nicht für höher, schneller, weiter, sondern für große Momente – gemeinsam mit Freunden. Ohne Pulsmesser, ohne Wettkampf. Deswegen sind Skitourenrennen genauso wie zu extreme Spielarten des Sports nicht bei uns zu Hause. 

Früher wie heute hat es immer schon eine Handvoll Bergsportler und Alpinisten gegeben, die die Grenzen verschieben und sich den extremeren Spielarten verschrieben haben. Dass das massentauglich werden könnte, bezweifle ich. Nicht zu vergessen ist dabei, dass diese Personen das oft als gesponserter Athlet machen, jahrelange Erfahrung haben und das ihr 'Beruf' ist. Es wird immer Personen geben, die extremer unterwegs sind – die Zielgruppe von Ortovox ist dies allerdings nicht.“