25.02.2019

Individualisierung bei Sportartikeln: Smarte Lösungen fürs Ego

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Nichts geht mehr ohne Algorithmen oder gar künstliche Intelligenz. Sie treiben den Trend zum individualisierten Produkt für den Sportler voran, sei es in Kleidung, Equipment oder Trainingssoftware. Der neue Luxus ist maßgeschneidert.

Overall Winner von ISPO Brandnew wird ORIGINAL+. Mithilfe der firmeneigenen, auf künstlicher Intelligenz basierten Software können auf die Bedürfnisse jedes Kunden zugeschnittenen Ski hergestellt werden. Im Bild Thorsten Schwabe, Gründer der Firma Indigo. 

Die vergangene ISPO Munich 2019 hat vor allem eines gezeigt: Die Branche umgarnt das Ego des Kunden. Individualisierung allenthalben, ermöglicht und angefeuert durch Digitalisierungsprozesse im Skibau, in der Textilindustrie, in der Schuhherstellung oder durch tragbare Gadgets und passende Apps. Der Kunde selbst bringt sich in die Entwicklungs- und Produktionsprozesse mit ein und hinterlässt seinen ganz persönlichen Fingerabdruck im Produkt, sei es durch das selbst entworfene Design oder seine biometrischen Daten. Das Ziel: ein unverwechselbares, einzigartiges, vielleicht sogar ein Sammlerstück oder aber individuell regulier- und adaptierbare Funktionen, angepasst an die wechselnden Bedürfnisse des Kunden.

Original+ erstellt individuelle Ski

Zum Beispiel Original+. Der diesjährige Gewinner des ISPO Brandnew Award will die Skiindustrie herausfordern, sich eine Nische suchen im schwer umkämpften Markt und nach eigenen Aussagen den Status Quo hinterfragen. Wie? Indem er den Skifahrer und Kunden beim Entwurf des eigenen Skis mit ins Boot holt. Über die Software Origo macht der Kunde Angaben zum individuellen Können und gibt Daten zum persönlichen Körperbau, Fahrstil und Geschmack preis. Aus ihnen errechnet ein selbst entwickelter Algorithmus den individuellen Ski, der mit der passenden Steifigkeit und entsprechenden Tuning-Parametern produziert wird. Das Ganze läuft direkt und online, einen Händler braucht es dazu nicht mehr. Für 620 Euro bekommt der Kunde das Gefühl: Mein Ski – den gibt’s nur einmal.

Der persönlich signierte Ski von Kästle

Dazu müsste man nach Meinung des österreichischen Skibauers Kästle allerdings noch weiter gehen. Das Unternehmen aus Hohenems in Vorarlberg hat spezielle Terminals für Händler entwickelt, auf denen mithilfe der Software iD4 der individuelle Ski in vier Dimensionen entworfen wird: Terrain, Skilevel, Anatomie und Design. Der Kunde speist die Software mit seinen Angaben zu Körperbau, Fahrstil und bevorzugtem Gelände, der Algorithmus errechnet den passenden Ski, dessen konfigurierte Daten nach Vorarlberg weitergeleitet werden.

Dort wird die Produktion automatisch gestartet, inklusive des persönlichen Designs. Ein eigens dafür entwickelter Drucker druckt selbst die Initialen und die persönliche Signatur des Kunden in Lack auf die Folie. Die Wirkung auf das Kunden-Ego bleibt nicht aus. Kein Ski wird aus einer bestehenden Palette ausgewählt, jedes Paar ist einzigartig, nach fünf Arbeitstagen fertig und kostet 2400 Euro. Der erste Computer habe schließlich auch eine Million Dollar gekostet und das Ziel sei es, so heißt es aus dem Unternehmen, die Prozesse so zu optimieren, dass eine größere Anzahl von Kunden zu einem besseren Preis beliefert werden kann.

Ähnlich wie Original+ arbeitet die Schweizer Firma BBoard. Sie bietet das entsprechende Customizing für Snowboards mit dem Zusatz, dass der Kunde auch das Design nach seinen Wünschen gestalten kann.

Customizing wird auch zum Schlagwort in der Schuhproduktion. Jeder Fuß ist anders, jeder Mensch hat unterschiedliche Laufeigenschaften. Dieser Gedanke steht hinter Ecco Quant-U. Der dänische Schuhhersteller Ecco verarbeitet Silikon-Mittelsohlen, die vom 3D-Drucker hergestellt wurden, nachdem die persönlichen Parameter des Fußes erfasst wurden. 3D-Scanner bilden den individuellen Fußabdruck und die Fußform ab. Tragbare Sensoren zeichnen persönliche Bewegungsabläufe nach. Diese biomechanischen Daten werden in eine individuelle, passgenaue Mittelsohle übersetzt, die per 3D-Drucker direkt gedruckt wird. Sie ersetzt die herkömmliche PU-Mittelsohle. Das Ergebnis ist eine individuell angepasste Schuhsohle.

Die Firma Vulpés bietet über App kontrollierbare und beheizbare Schuhsohlen. 
Bildcredit:
Vulpés

Smartphone steuert Schuhsohle

Auch das Wärme- und Kälteempfinden ist bekanntlich von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Bei der Firma Vulpés glaubt man an die Zukunft der intelligenten Bekleidung. Zum Beweis präsentierte sie eine über Smartphone-APP gesteuerte Temperaturkontrolle in Schuhsohlen, Handschuhe und Mützen. Smart beheizbare Handschuhe nennt sich das Ganze und soll nur der Beginn eines vollständig vernetzten Kleidungssystems sein, dem neben den thermalen auch anderen Funktionen folgen sollen, wie Beleuchtung, Musikstreaming, Navigation sowie dem Monitoring von Vitalfunktionen – alles per Smartphone ferngesteuert versteht sich.

Microfactory: Flexibilität für individuelle Kundenwünsche

Um Customizing bezahlbar zu machen, bedarf es vollautomatischer Produktions- und Entwicklungsprozesse, die individuelle Konfigurationen und flexible Fertigung kleiner Stückzahlen ermöglichen, ohne dass man auf die Vorteile der Serienfertigung verzichten muss. Auf der ISPO Munich präsentierten die Deutschen Institute für Textil- und Faserindustrie (DITF) die sogenannte Microfactory, mit welcher die starre und langsame Lieferkette in der Textilindustrie revolutioniert werden soll, um Kundenbedürfnisse umgehend befriedigen zu können.

Zu erleben war ein komplett vernetztes Technologie-Workflow-Modell, das die 3D-Simulation der Bekleidung mit der Produktion verknüpft, und zum Beispiel eine individuell nach Kundenwunsch bedruckte Skihose vor den Augen der Zuschauer vom Design bis zum fertigen Produkt entstehen ließ. Als Meilenstein für die Industrie 4.0 gefeiert liegen die Vorteile der Microfactory auf der Hand: Flexibiliät, kürzere Prozessketten und Transportwege, sowie lokale Produktion mit geringerem Personalaufwand.

Smart trainieren mit Snowcookie

Nicht nur mit individualisierter Kleidung und Equipment streicheln die Firmen das Ego der Sportler. Auch Trainingsprogramme zum Beispiel für ambitionierte Skifahrer werden auf das Können und den Fahrstil jedes Einzelnen zugeschnitten. Die Schweizer Firma Snowcookie verpasst dem Skifahrer und seinen Skiern drei Sensoren, die mit einer Smartphone-App kommunizieren. Sie zeichnen die Fahrbewegungen auf und analysieren Carvingtechnik, Geschwindigkeit und Körperhaltung des Users. Einfach nur Skifahren war gestern. Ab sofort wird smart trainiert.

Mit der Mammut-Connect App kann sich der Sportler direkt mit seinem Equipment verbinden. 
Bildcredit:
Mammut

Die Firma Mammut will „individuelle Bergerlebnisse" mit ihren Produkt digital verknüpfen. Dank NFC-Technologie (Near Field Communication) kann sich der Bergsportler mit der Mammut-Connect-App mit seinem Equipment verbinden. Über sie erhält er besondere Angebote, z.B. kann er damit die Garantie seiner Produkte verlängern. Die App bietet außerdem:

  • Produktvideos
  • ein persönliches Gipfeltagebuch
  • die Möglichkeit für persönliches Produktfeedback
  • Interaktion mit der Community, also anderen Mammut-Kunden

Mammut möchte damit nach eigener Aussage Produkt- und Outdoorerlebnis zu einem „persönlichen Moment" kombinieren.