Catra Corbett gehört zu den Rockstars beim Laufen. Auf den Trails als Dirt Diva bekannt, hält die Ultra-Läuferin aus Kalifornien nach wie vor Streckenrekorde, die sie bereits vor Jahren aufgestellt hat. Etwa über den John Muir Trail, 424 Meilen, also gut 682 Kilometer, die sie 2004 in 12 Tagen, 4 Stunden und 57 Minuten zurücklegte. Sie ist eine der wenigen Menschen und die einzige Amerikanerin, die über 100 Rennen von 100 Meilen oder mehr zu Ende gebracht hat. Dabei hatte sie eine bewegte Vergangenheit: Corbett kam zum Laufen, um über ihre Drogenprobleme hinwegzukommen. Das Laufen ist eine Sucht, die definitiv besser für ihren Körper ist. Seit über neun Jahren läuft sie jeden Tag. Mit ihren drei Dackeln oder auch allein.
ISPO.com: Ultrarunning-Distanzen sind verdammt lang. Wie schafft man das?
Catra Corbett: Vielen macht der Kopf einen Strich durch die Rechnung. Die zurückzulegende Distanz, sagen wir 200 Meilen, klingt so gewaltig, als dass man es zu Fuß schaffen könnte. Als Läufer fragt man sich dann, wie soll ich das nur schaffen? Wenn man dann aber mittendrin ist, das Rennen zu laufen, denkt man immer von einer Versorgungsstation zur nächsten. Jetzt 20 Meilen, dann essen, trinken, Pause machen, durchatmen. Danach 15 Meilen weiter bis zur nächsten und so weiter. Man darf nicht zu weit denken, immer bis zum nächsten Schritt.
Ich habe auch schon viele Läufer, die bereits aufgeben wollten, mitgenommen und motiviert, bis zur nächsten Versorgungsstation zu laufen, und dann bis zur nächsten, bis sie es doch noch ins Ziel geschafft haben.
Oft macht ein kurzer Power-Nap auch den Unterschied. Der Verstand funktioniert danach wieder scharf. Solches Wissen kommt mit Erfahrung, schließlich habe ich mittlerweile über 160 Läufe über 100 Meilen absolviert.
Manchmal hilft es auch zu sagen, dass mein kleiner Dackel TruMan die 50 Kilometer auch schon geschafft hat. Wenn er es auf seinen kurzen Beinchen schafft, warum dann nicht auch du.
Was macht deiner Meinung nach die Ultrarunning-Szene so besonders?
In einem Wort die Community. Bei den Rennen ist vor allem die Gemeinschaft der Teilnehmenden etwas ganz Besonderes, sie ist fast wie eine Familie. Bei vielen langen Rennen, zum Beispiel 200-Meilern weisen die Renndirektoren auch ganz ausdrücklich darauf hin, dass man auf dem Kurs aufeinander Acht geben soll. Das macht natürlich auch Sinn, denn wenn etwas passiert ist man aufeinander angewiesen, selbst wenn alle GPS-Tracker tragen. Eine Strecke von 20 Meilen bis zur nächsten Versorgungsstation beispielsweise legt man mit einer Verletzung ja nicht so ohne Weiteres zurück. Die Mitlaufenden helfen sich also immer gegenseitig.
Wie gehst du selbst mit Verletzungen um?
Ich habe Glück und mich noch nie ernsthaft beim Laufen verletzt.Ich denke, das liegt auch daran, dass ich vor dem Laufen über Gewichtstraining zum Sport gekommen bin und auch nie damit aufgehört habe. Ich mache jede Woche nach wie vor drei bis vier Sessions mit Gewichten.Denn je älter man wird, desto schwerer ist es, Muskelmasse zu behalten und die ist es im Endeffekt auch, die dich und deine Gelenke vor Verletzungen schützt.
Ich bin jetzt 57 und nicht mehr so gelenkig, wie ich noch in meinen Dreißigern und Vierzigern war. Deshalb mache ich jeden Tag 15 Minuten Dehnübungen, was ich früher nie gemacht habe. Gleichzeitig weiß ich auch, dass ich nicht ewig die Distanzen laufen kann, die ich heute laufe. Aber das macht nichts. Wenn ich nicht mehr Laufen kann, gehe ich halt Wandern oder fahre mit dem Mountainbike.
Was würdest du Leuten raten, die mit Ultrarunning oder längeren Distanzen anfangen wollen?
Mein Rat wäre, einfach Spaß zu haben und das erste Ultra-Rennen als eine Art Training zu betrachten. Lerne davor alles über Ernährung, was du wissen musst, denn dein Körper verbraucht auf diese Distanzen sehr viel Energie, die du ihm während dem Rennen auch wieder zuführen musst.
Beim Laufen spielt sich außerdem viel im Kopf ab, vor allem auf langen Strecken setzt man sich oft selbst Grenzen. Mein Kopf funktioniert da anders, hat nach jedem Rennen immer gefragt: Was mache ich als Nächstes? Nach meinem ersten Marathon lief ich meinen ersten Ultra, also 50 Kilometer, dann 50 Meilen und schließlich 100 oder 200 Meilen.
Nach dem ersten Ultra weiß man auch noch nicht, ob lange Strecken wirklich etwas für einen sind, denn es kann so viel passieren und nicht jeder will so lange laufen. Meinen ersten 50-Meiler musste ich fast wetterbedingt abbrechen und bei meinem ersten 100-Meilen-Rennen hatte ich schlimme Blasen an den Füßen, die mich fast zum Aufgeben brachten. Aber mit jedem Rennen lernst du dazu.
Du hast ein Buch über deine Karriere geschrieben. War das schon immer ein Wunsch von dir?
Unter meinen Freunden bin ich bekannt für die Geschichten, die man mit mir erlebt. Sie meinten immer, ich solle mal ein Buch schreiben. Aber ich hatte nie Zeit. Bis mich ein Verlag angesprochen hat, ob ich nicht ein Buch schreiben wolle und sie mir vorgeschlagen haben, mit einem Autor zusammenzuarbeiten: Dann habe ich ja gesagt.
Wie hast du Laufen und dein Buch “Wiedergeburt” unter einen Hut gebracht?
Tatsächlich habe ich viele Teile von meinem Buch während des Laufens aufgenommen. Im Anschluss habe ich sie dann mit Dan England, dem Autor, gemeinsam ausgefeilt. Anders hätte ich auch gar keine Zeit gehabt. Ich bin immer unterwegs und in Bewegung.
Das Buch erzählt meine Geschichte als Person und wie ich zum Laufen gekommen bin. Zwar bin ich immer offen mit meiner Vergangenheit umgegangen und damit, dass ich das Laufen begonnen habe, um von den Drogen wegzukommen. Im Buch haben wir das nochmal aufgearbeitet.
Wie schwer war es Phasen deines Lebens für das Buch nochmal zu durchleben?
Natürlich ist es nie leicht, die Vergangenheit aufzuarbeiten, aber ich hatte schon viel über meine eigene Biografie in Therapie-Sitzungen und Meetings nachgedacht. Gleichzeitig ist das Schreiben auch eine Art Therapie.
Ich gehe offen mit meiner Geschichte um, weil ich weiß, wenn ich nur einer Person helfen kann, hat es sich schon gelohnt, darüber zu sprechen. Ich bekomme Zuschriften von Leuten, die mir erzählen, sie hätten das Buch für ihre Kinder gekauft, die vom rechten Weg abgekommen sind, einfach um ihnen zu zeigen, dass nicht nur verbissene Leute Ausdauersport machen.
Was macht dich als Läuferin aus?
Ich würde sagen, ich bin stur und ich will beim Laufen Spaß haben. Das sind die wichtigsten beiden Aspekte, die mich als Läuferin ausmachen. Genauso will ich zeigen wer ich bin, während ich das mache, was mir am meisten Spaß macht. Stylisch auszusehen ist also auch wichtig für mich beim Laufen.
Früher war ich ein Teil der Goth-Szene und habe lange als Haar-Stylistin gearbeitet. Meinen Stil habe ich mit zum Laufen gebracht. Ich mag bunte Farben und mittlerweile gibt es auch viel mehr bunte Optionen an Laufkleidung als damals in den Neunzigern, als ich mit dem Laufen angefangen habe und überall herausgestochen bin. Gleichzeitig sind Farben auch eine gute Sicherheitsvorkehrung. Sollte mir alleine in den Bergen etwas passieren, wäre ich als leuchtender Farbklecks für die Suchmannschaft viel leichter zu finden.
Welche Tipps würdest du geben, wenn jemand sein Leben drastisch ändern möchte?
Lass’ dich ganz darauf ein. Setze dir kleine Ziele, die du erreichen kannst und konzentriere dich auf jedes einzelne. Das Wichtigste ist aber, dass du an dich selbst glaubst und daran, dass du diese Ziele auch erreichen kannst.
Mehr über Catra Corbett auf ihrer Webseite catracorbett.com oder in ihrem Buch “Wiedergeburt”, das auf Deutsch und Englisch erhältlich ist.
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