In der Nacht zum 16. Oktober 2005 wurde der Sohn eines Irakers und einer Deutschen einem Millionenpublikum bekannt: Als dritter Deutscher gewinnt Faris Al-Sultan den Ironman Hawaii. 2015 und fünf weitere Ironman-Siege später beendete Münchner seine aktive Karriere.
Als Trainer feierte er 2017 seinen größten Erfolg, als sein Schützling Patrick Lange den Ironman Hawaii sensationell gewinnen konnte.
Im Interview mit ISPO.com erklärt der zweifache Familienvater aus München, warum Triathlon kein Sport für Zuschauer ist, weshalb er nie bei Olympia dabei war und wieso Triathlon nun auch in Polen und Mexiko boomt.
Faris Al-Sultan bleibt im Training
ISPO.com: Herr Al-Sultan, wann waren Sie das letzte Mal im Neoprenanzug beim Schwimmen?
Faris Al-Sultan: Letzte Woche.
Nix Badehose? Sie trainieren also nach wie vor?
(Lacht) Ich bin im Training, weil ich mich gerade auf den Ötillö, die Swimrun-Weltmeisterschaft in Schweden am 5. September, vorbereite (Ötillö bedeutet auf schwedisch „von Insel zu Insel“, Anm.d.Red.). Im Schärengarten vor Stockholm werden die beiden Sportarten Schwimmen und Trailrunning kombiniert.
Es handelt sich um einen grandiosen Ausdauerwettkampf über 26 Inseln, den man im Team antritt und insgesamt zehn Kilometer im offenen Wasser schwimmt und 65 Kilometer läuft. Dort wird das Wasser kalt sein, also trainiere ich recht fleißig im Neo.
2005 gewannen Sie den Ironman Hawaii. Hat dieser Sieg Ihr Leben verändert?
Die mediale Beachtung war plötzlich eine ganz andere. Im Jahr davor belegte ich den dritten Platz und gab zwei Interviews danach. Nach meinem Sieg kamen mindestens drei Interviewanfragen pro Woche rein. Ich erhielt unzählige Einladungen zu Rennen, Medien-Events und wurde über Nacht einigermaßen bekannt.
In Roth pulverisierte Jan Frodeno kürzlich den Weltrekord auf der Ultradistanz: Er war rund sechs Minuten schneller. Wie haben Sie davon erfahren?
Frodo hat mich in Roth sogar überholt. Ich war, allerdings nicht als Einzelsportler, auch im Rennen. Auf der Radstrecke, als Tandemfahrer für einen blinden Teilnehmer. Zwei Wochen davor habe ich mir Frankfurt live angeschaut. Als Trainer betreue ich drei Profis. Kurzum: Ich bin noch sehr nah dran.
„Triathlon-Training ist sehr komplex“
Wer sind Ihre Schützlinge?
Das sind noch keine Triathleten aus der ersten Reihe. Ich trainiere Patrick Lange und zwei Damen: Carolin Lehrieder und Maja Stage Nielsen.
Mit gefälschter Altersangabe starteten Sie mit 16 bei Ihrem ersten Marathon. Was faszinierte Sie als Jugendlicher am Laufen?
Ich war ursprünglich Schwimmer, hatte aber viel zu spät mit diesem Sport angefangen. Im Trockentraining sind wir viel gelaufen, was mir Freude bereitete. Im Marathon fand ich eine erste große Herausforderung. Irgendwann sah ich im TV Thomas Hellriegel (1997 erster deutscher Hawaii-Champion, Anm.d.Red.) beim Ironman Hawaii. Das hat mich fasziniert und mir war schlagartig klar: Das will ich auch!
Bedeuten drei unterschiedliche Disziplinen im Triathlon eine willkommene Abwechslung im Training oder das Gegenteil: Verliert man den Fokus?
Triathlon ist vom Training her sehr komplex. Man muss drei Sportarten gut trainieren. Nicht nur rein technisch, auch was die spezifischen körperlichen Anforderungen betrifft. Beim Schwimmen muss man einigermaßen beweglich und koordinativ sein.
Zugleich erfordern alle drei Sportarten eine gewisse Ausdauer. Auf der anderen Seite braucht man eine bestimmte Grundgeschwindigkeit und Spritzigkeit, sonst erreicht man das Tempo nicht, das mittlerweile auch auf der Langdistanz vorgegeben ist. Routine schleicht sich beim Training trotzdem ein.
Al-Sultan: „Triathlon ist kein Zuschauersport"
In der Weltspitze angekommen trainiert man wie viele Stunden pro Woche?
Auf das Jahr gemittelt waren das bei mir etwa 20 Stunden. Natürlich waren auch Wochen dabei mit 40 Stunden Training.
Was war Ihre schwächste Disziplin?
Ich ging die Rennen immer von vorne an, das heißt: schnell schwimmen und radfahren. Wenn du dich lange an der Spitze behauptest, ist die logische Folge, dass du am Ende keine Spitzenzeit mehr laufen kannst. Ich war nie ein Wunderläufer wie Jan Frodeno, konnte aber beim Laufen solide Leistungen abrufen.
Ist Triathlon in Deutschland ein Breitensport?
Grundsätzlich ist Triathlon kein Zuschauersport. Wir erreichen in Deutschland bei den drei großen Events in Frankfurt, Roth und Hamburg zwar großes Publikum und beachtliches mediales Interesse. Triathlon ist aber vielmehr ein Mitmachsport.
Die Zuwachsraten in Deutschland waren aufgrund der großen Erfolge der deutschen Profis in den letzten zehn Jahren enorm: Thomas Hellriegel, Jürgen Zäck, Lothar Leder, Wolfgang Diettrich, Dirk Aschmoneit, gefolgt von der Generation: Stadler, Raelert, Frodeno und wie sie alle heißen.
Es gibt keine andere Nation, die in der Breite so stark aufgestellt ist wie wir Deutschen. Aber Länder wie Polen, Mexiko und der gesamte asiatische Raum ziehen nach. Da tut sich viel. Die Menschen sind – wenn man es so ausdrücken will – in der „ersten Welt“ angekommen. Das Auto ist da, die Wohnung ist gut, der Job geregelt. Die Gesellschaft sucht dann nach neuen Herausforderungen und treibt Sport.
Und jeder setzt sich Ziele. Einen Marathon laufen, einen Triathlon absolvieren, einen Achttausender besteigen.
Wir sind in Europa, speziell in Deutschland, satt. Es geht uns sehr gut, wir besitzen alles, was wir brauchen. Wir suchen neue Reize, die nichts mit der Konsumwelt zu tun haben.
Sport ist unglaublich persönlich. Man muss nicht gleich Weltmeister werden. Der eine ist glücklich, wenn er fünf Kilometer laufen geht, der andere gewinnt die Vereinsmeisterschaft im Tennis. Jeder definiert sein Ziel anders.
Im Mai 2015 habe Sie im Alter von 37 Jahren Ihre Profikarriere beendet. Nehmen Sie privat noch an Rennen teil?
Die Triathlon-Zeit ist vorbei. Aber ich mache andere Sachen und nehme gelegentlich an einem Radrennen oder dem Öttilö teil. Ich suche Herausforderungen, für die früher keine Zeit blieb.
Konnten Sie als Profi für die Zeit nach dem Sport finanziell vorsorgen? Und was machen Sie heute?
(Lacht) Ich sitze jedenfalls nicht im Garten und schaue den Pflanzen beim Wachsen zu. Ich habe in meiner aktiven Zeit zwar nicht so viel wie ein Profi beim FC Bayern, aber dennoch gutes Geld verdient.
Mein Lebensstil war nie übertrieben, mir fehlte schlicht die Zeit zum Geldausgeben. Ich war 170 Tage im Jahr mit Triathlon beschäftigt. Heute bin ich Markenbotschafter für eine Sportmarke von Lidl, halte Vorträge und arbeite als Trainer. Außerdem kümmere ich mich um meine Familie.
Olympia spielte keine Rolle – „Ich war selbstständiger Triathlet"
Sie sind mit Ina Reinders, einer ehemaligen Triathletin, verheiratet. Welche Rolle spielt Sport in Ihrem Familienleben?
Wir lieben Sport und interessieren uns dafür. Meine Frau ist mittlerweile, fernab vom Leistungssport, als Lehrerin tätig. Sie geht regelmäßig zum Laufen. Bei mir ist alles noch etwas intensiver.
Warum haben Sie nie an Olympischen Spielen teilgenommen?
Obwohl ich im Jahr 2000 (in Sydney wurde Triathlon zum ersten Mal olympisch, Anm.d.Red.) kurz über eine Teilnahme nachgedacht hatte, reizte mich die Kurzdistanz nie wirklich. Hinzu kommt: Als Olympiateilnehmer bist du Teil der Nationalmannschaft und, überspitzt formuliert, ein Angestellter der DTU (Deutsche Triathlon Union, Anm.d.Red.).
Ich aber war als Sportler immer ein Ein-Mann-Unternehmen, verkaufte Werbeflächen, verhandelte mit Sponsoren, bestimmte eigenverantwortlich meine Trainingsumfänge, buchte meine Reisen selbst, kurzum: ich war selbstständig. Olympia kam daher für mich nie in Frage.
Für viele Sportler sind sogenannte Volkstriathlons als Einstieg reizvoll. Können Sportler bei solch kleinen Veranstaltungen auch im Badeanzug und mit einem ganz normalen Rad an den Start gehen?
Selbstverständlich! (Lacht) Wobei der Neoprenanzug eine Schwimmhilfe ist, weil er für Auftrieb sorgt. Man braucht auch kein Rennrad. Es ist wichtig, dass die Veranstalter betonen, dass es sich um einen Volkstriathlon handelt, bei dem man den Sport einmal ausprobieren kann.
Leider hat man heute auch in der Sprintdistanz häufig Teilnehmer, die ihre aerodynamischen Fahrräder in der Wechselzone parken. Dabei sollen die doch in der Olympischen Distanz an den Start gehen oder sich bei Profirennen messen.
Abseits von einem offiziellen Event: Wie könnte eine erste, heimliche Triathlon-Erfahrung aussehen?
Als Münchner trainiere ich oft am Feldmochinger See, schwimme einmal über den See und wieder retour. Dann steig ich aufs Rad, fahre zur Ruderregatta und zurück und laufe im Anschluss noch einmal um den Feldmochinger See. Hinterher kauft man sich ein Eis oder trinkt ein Radler am Kiosk – und gut ist's.
Die Distanzen sind anfangs ja egal. Den Wechsel vom Schwimmen aufs Radfahren muss man nicht groß trainieren. Schwieriger ist das Laufen nach dem Radfahren, weil man anfangs wie auf rohen Eiern läuft. Das sollte man vorher üben. Aber: Triathlon geht überall. (Lacht) Sie können also heute vor Ihrer Haustür damit beginnen!
- Sports BusinessNeue Trendsportarten bei Olympia 2028
- Awards
- Bergsport
- Bike
- Fitness
- Health
- ISPO Beijing
- ISPO Munich
- ISPO Shanghai
- Running
- Brands
- Nachhaltigkeit
- Olympia
- Outdoor
- Promotion
- Sportbusiness
- Textrends
- Triathlon
- Wassersport
- Wintersport
- eSports
- SportsTech
- OutDoor by ISPO
- Heroes
- Sport Fashion
- Urban Culture
- Challenges of a CEO
- Messen
- Sports
- Find the Balance
- Produktreviews
- Magazin