Das zweite Leben des Elmar Sprink beginnt am 8. Juni 2012. Im Fernsehen läuft das EM-Vorrundenspiel zwischen Russland und Tschechien, als die gute Nachricht kommt: Ein passendes Spenderherz für ihn ist verfügbar. Es geht los. Ein halbes Jahr lang hat Elmar Sprink gewartet, jetzt geht es um Minuten. Denn eine Herztransplantation ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Geht dieses Rennen verloren, wird das Herz quasi welk, sind die Mühen vergebens.
An einem Nachmittag im Juli 2010 war Elmar Sprink – Ironman Finisher, Skitourengeher, Läufer und überhaupt: Sportler – ohne Vorwarnung und ohne erkennbaren Grund auf dem Sofa zusammengesackt. Eine Reihe von Zufällen rettete ihm das Leben. Dass er es überhaupt bis zu Transplantation schaffte, ein Glücksfall. Denn in Deutschland mangelt es massiv an Spenderorganen. Deshalb stirbt jeder dritte Kandidat, bevor man ein passendes neues Herz findet.
Zwei Tage nach der OP wacht Elmar auf und macht sich auf den Weg zurück ins Leben. Drei Wochen nach der Transplantation feiert er einen ersten Triumph: Er schafft es, ohne Hilfe 400 Meter weit zu gehen; eine halbe Stunde ist der unterwegs. Nach 197 Tagen wird er entlassen, genießt die frische Luft! Einen Monat später sitzt er auf dem Rennrad, baut frische Muskelmasse auf, strampelt sich mit dem Ergometer jeden Tag fitter.
Vor dem Herzstillstand war Elmar ein Eisenmann, schwamm 3,8 Kilometer, fuhr 180 Kilometer mit dem Rad und lief zum Abschluss einen Marathon. Seine Bestzeit lag damals knapp über zehn Stunden. Heute sagt Elmar, das Training habe ihm natürlich geholfen. Nein, Sportler seien nicht grundsätzlich härter als andere. Und der Sport könne auch niemanden darauf vorbereiten, solche Schicksalsschläge besser wegzustecken. „Aber mir hat die Erfahrung als Wettkampfsportler trotzdem sehr geholfen“, sagt Elmar. Denn Sportler lernen, sich ein Ziel zu setzen und das konsequent zu verfolgen. „Ich wollte mein Leben zurück. Der Sport war nicht nur Anreiz, sondern auch mein Vehikel auf diesem Weg“, erzählt Elmar Sprink.
Ende Dezember 2012 läuft er wieder. Knappe 700 Meter sind es diesmal. Im Februar schafft er schon 5000. An Ostern 2013 startet er bei seinem ersten Wettkampf, wagt sich beim Osterlauf in Paderborn er an die 10 Kilometer. Er kommt nach 58 Minuten ins Ziel; sieben Monate, nachdem er das Gehen wieder neu lernen musste.
Fast ein kleines Wunder. Denn nach der OP ging es eigentlich nur noch ums Überleben. „Ich hatte mich damit abgefunden, dass Sport kein Thema mehr sein würde“, sagt Elmar. Die Rennräder – allesamt verkauft, die Pläne – eher kurzfristig. Die alten Träume vom Ironman auf Hawaii – in unendlich weiter Ferne. Doch die vielen kleinen Erfolge auf dem Weg zurück machten Mut. Der Dalkeman in Gütersloh wird sein erster Triathlon mit dem neuen Herz; am 9. Juni 2013, der Jahrestag der OP, sein neuer Geburtstag sozusagen.
Heute gilt Elmar Sprink als der fitteste Herztransplantierte der Welt. Und auch seinen Traum von der Ironman-WM hat er sich mittlerweile erfüllt: 2014 finishte er auf Hawaii. „Das ist natürlich weit mehr als alles, was ich mir je erträumt habe“, sagt er. Dass er damit auch aneckt, ist ihm klar. Doch die allermeisten Zuschriften und Kommentare seien positiv und motivierend erzählt er. Und auch nicht alle Ärzte hielten seinen sportlichen Ehrgeiz immer für unproblematisch. „Einer hat mir sogar mal gesagt, ich sei ein potenzieller Selbstmörder“. Doch Elmar trat den Gegenbeweis an. Mittlerweile hat sich der Arzt entschuldigt.
Rekorde sind heute kein Thema mehr für Elmar. Auch nicht der des längsten Lebens mit einem neuen Herz, zumindest nicht um jeden Preis. „Ich möchte die Zeit, die ich habe, sinnvoll und intensiv nutzen, bewusst erleben“, sagt Elmar Sprink. Wenn es deshalb etwas früher mit ihm zu Ende gehen sollte, „dann ist das eben so“.
Was nicht bedeutet, dass er unvorsichtig mit seinem neuen Leben umgeht. Wie alle Transplantierten muss er jeden Tag Medikamente schlucken, damit sein neues Organ nicht vom Körper abgestoßen wird. Das schwächt sein Immunsystem und er muss extrem auf die Hygiene achten. Was viele Menschen erst während der Corona-Pandemie verinnerlichen, ist für ihn seit seit Jahren Routine: Abstand halten, Hände waschen, Desinfektionsmittel.
„Am liebsten sind mir Feste im Freien“, sagt Elmar. Und auch ins Stadion des 1. FC Köln, für den er seit vielen Jahren eine Dauerkarte besitzt, fährt er immer mit dem Rad. Im Prinzip habe es die Corona-Krise für Transplantierte leichter gemacht, schließlich findet man mittlerweile überall Desinfektionsmittel – „und die Leute waschen tatsächlich die Hände, wenn sie auf dem Klo waren“.
Doch trotz aller Vorsicht hat das Virus auch ihn erwischt, wahrscheinlich auf der Rückreise vom Cape Epic in Südafrika. Symptome? Erst einmal Fehlanzeige. Zwar hatte er Probleme, mit seinem Trainingspartner mitzuhalten, aber das war es auch schon. Die Technik hat ihn gewarnt: Die Schlafanalyse der Pulsuhr meldete ungewöhnliche Daten. Und als er wenig später beim Zwiebelschneiden nichts mehr riechen konnte, schlug er Alarm.
Vielleicht war es wieder Sport und seine Fitness, die ihm geholfen haben. Vielleicht hatte Elmar auch einfach wieder Glück. Er überwand die extreme Müdigkeit, den hohen Blutdruck, nach acht Tagen konnte er wieder riechen. „Wir reden ja immer davon, dass wir vor allem die Älteren schützen müssen, das ist sicher richtig“, sagt Elmar. „Aber auch Sportler müssen extrem auf sich aufpassen und sich im Zweifel häufiger testen lassen“.
Denn das Problem seien die Langzeitfolgen. „Du hast das Virus, merkst es nicht unbedingt einmal und trainierst normal“. Wie gefährlich das sein könne, sehe er gerade an der TU München, mit der er hin und wieder Projekte hat. Die Leistungsdiagnostiker dort beobachteten seit Corona einen drastischen Anstieg von Herzmuskelentzündungen, sagt Sprink. „Da haben wahrscheinlich einige zu früh wieder trainiert – oder sich ausbelastet als sie nicht einmal wussten, dass sie das Virus in sich tragen. Das kann die Karriere beenden, im schlimmsten Falle das Leben“.
Das gelte übrigens für den Kreisliga-Kicker genauso wie für den Worldcup-Athleten. Also rät Elmar lieber zur Vorsicht. Denn eines weiß kaum ein Sportler so gut wie er: „Unsere Gesundheit ist das Wichtigste, das wir als Gesellschaft schützen müssen“, sagt Elmar.
Wenn die Pandemie vorbei ist, freut er sich mal wieder auf ein Straßenfest. Und auf Stadionbesuche beim 1. FC Köln. Sportliche Ziele? Hat er ohnehin noch jede Menge. Und so wartet er mit brennender Geduld, dass es wieder losgeht.
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