1804 in Schwabmünchen gegründet, heute in der 7. Generation von Peter Schöffel geführt, 200 Mitarbeiter, in Deutschland die Nummer 2 bei Outdoor- und Skibekleidungsherstellern, mit einem Umsatz von 100 Millionen Euro in 2016. Das sind die Eckdaten, die Schöffel heute ausweisen kann. Und an denen der legendäre Hubert Schöffel, der den Familienbetrieb über drei Jahrzehnte führte – allergrößten Anteil hat.
Am 8. August 2018 ist er im Kreise seiner Familie friedlich eingeschlafen.
ISPO.com dokumentiert im Folgenden eine Gesprächrunde, die Hubert Schöffel gemeinsam mit seinem Sohn Peter im Oktober 2017 bestritt. Anlass war ein stolzes Jubiläum, an dem der nun verstorbene Seniorchef großen Anteil hatte: Schöffel kann auf 50 erfolgreiche Jahre in der Outdoor-Welt zurückblicken.
Ein entscheidender Meilenstein für das Unternehmen aus Schwabhausen: Die Umstellung auf Bergsport- und Wander-Bekleidung, die Einführung der ersten Outdoor-Kollektionen. Im Herbst 1967 traf Hubert Schöffel eine weitreichende Entscheidung – er stellte den Betrieb von Straßen auf Outdoor-Bekleidung um. Die weiteren Meilensteine: 1971 Marktführer im Bereich Bundhosen, 1975 bei den Anoraks. Dann in den 80ern die Partnerschaft mit Gore. „Der Dammbruch", wie Hubert Schöffel sagt.
Bei einer Feier zu „50 Jahre Outdoor bei Schöffel“ erinnert sich der Seniorchef im Oktober 2017 an die schönsten Anekdoten, ISPO.com hat sie festgehalten.
Hubert Schöffel: Liebe zu den Bergen war anerzogen
Hubert Schöffel, Jahrgang 1930, wurde die Liebe zum Bergsport in die Wiege gelegt: „Ich hatte das Glück, einen Vater zu haben, der schon zu den Gründungsmitgliedern des Deutschen Alpenvereins gehört hat. Ich bin mit 13 Jahren zum ersten Mal den Heilbronner Weg gegangen und war regelmäßig in den Jahren darauf in den Allgäuer Alpen. Meine Verbundenheit zu den Bergen ist also anerzogen.
Später, als ich im elterlichen Einzelhandelsgeschäft war, konnte ich es mir erlauben, jedes Wochenende im Sommer von Freitagmorgen bis Montagabend in die Berge zu fahren. Ötztal, Stubaital, Zillertal, von Hütte zu Hütte mit schwerem Rucksack.“
Peter Schöffel: „DAV-Ausweis kam bei mir vor der Geburtsurkunde“
Sieht Peter Schöffel das genauso?
Der heutige Inhaber, Jahrgang 1961, sagt schmunzelnd über seine Kindheit: „Als Sechsjähriger hab ich mir gedacht: Ich habe das Pech, einen Vater zu haben, der jedes Wochenende in die Berge will. Der DAV-Ausweis kam bei mir vor der Geburtsurkunde. Als Schüler, als Jungspund habe ich die Berge überhaupt nicht verstanden. Das hat sich dann gottseidank schnell geändert. Heute bin ich den Großteil meiner Freizeit mit meiner Frau in der Natur, in den Bergen unterwegs. Dabei tanke ich Energie für den beruflichen Alltag und sammle gleichzeitig wichtige Impulse.“
Lesen Sie hier: So stellt Peter Schöffel das Unternehmen neu auf – er holt einen Innovations-Manager
Hubert Schöffel erinnert sich an die Zeit, als Outdoor noch nicht zum Programm gehörte – und Schöffel in die Krise geriet:
„Wir hatten ein neues Bekleidungshaus, das hat meine Frau geführt. Eine leidenschaftliche und gute Bekleidungsfachfrau, die den Laden geschmissen hat. Aber ich wollte nie Einzelhändler sein. Und vor allem wollte ich nie der Prinzgemahl meiner Frau sein.
Hubert Schöffel: „Straßenhosen ohne Sonderstellung – das lief nicht“
Also hab ich 27. September 1961 mit drei Näherinnen einen Bekleidungsbetrieb aufgemacht. Wir haben schlichte Straßenhosen gemacht. Das war ein Programm ohne System, ohne Knowhow, ohne Sonderstellung. Das lief nicht.“
Hubert Schöffel über die Anfänge des Outdoor-Geschäfts vor 50 Jahren:
„Es war dieses Schicksalsjahr 1967, wo ich die Entscheidung getroffen hab: Wir bauen eine neue Fabrik, unser Werk 1, und setzen konsequent auf Sportbekleidung. Wandern und Bergsport, das hatte damals niemand im Angebot. Niemand. Es gab ein paar Zelthersteller, die nebenher ein paar Anoraks gemacht haben. Es gab ja höchstens fünf Sportgeschäfte in Deutschland, die so etwas überhaupt geführt haben.”
Warum die Zeit damals reif war für Outdoor-Bekleidung:
„In den 50er Jahren war Deutschland ein total zerstörtes Land. Wir waren einfach am Boden, haben nur gearbeitet, 50 Stunden in der Woche. Allmählich haben sich die Früchte dieser Arbeit gezeigt, es kamen die ersten Tarifverträge. Die 48 Stunden-Woche. Plötzlich gab es Urlaubsregelungen – und Urlaubsgeld. So ging das Schritt um Schritt: 44, 42, 40 Stunden.
Ich wusste: Das Schlimmste haben wir überwunden. Wir denken jetzt auch an einen maßvollen Wohlstand. Und zum Wohlstand gehört Freizeit, und zur Freizeit gehört Sport und Bewegung. Und das war dann der Punkt, wo mir klar war, es ist Zeit für Neues. Ich war wild entschlossen, auf Sport zu setzen, auf Wandern und Bergsport und Ski.“
„Die Sensation: die erste elastische Cordbundhose“
Die ersten Produkte? Hubert Schöffel erinnert sich:
„Wir haben Shorts angeboten, Kniebundhosen. Dann die Sensation: die erste elastische Cordbundhose.“
Wie sahen die Produkte in den 50er Jahren aus? Hubert Schöffel:
„Bergsport-Bekleidung war damals eine Art Tarnbekleidung in der Natur. Es gab nur sandfarben oder beige. Und oliv war schon eine verwegene Farbe. Und es galt: Je schwerer, desto besser. Man schleppte damals 20 Kilo von Hütte zu Hütte.”
Schöffel bringt den ersten Anorak in Farbe: knallrot
Und wie kam die Farbe in die Produkt-Palette?
„Ich war immer schon ein leidenschaftlicher Fotograf”, erinnert sich Hubert Schöffel. „Und hab dann bemerkt, dass in einer grauen Felslandschaft ein roter oder gelber Anorak das Foto aufwertet. Unser Modell Sentis war der erste farbige Anorak, der auf dem deutschen Markt erschien, wir haben ihn in knallrot und in einem ganz starken blau angeboten.
Als ich einem der wichtigsten Einkäufer diesen Anorak gezeigt habe, hat er mir gesagt: ‘Solange ich hier Einkäufer bin, werden Sie nie einen roten oder blauen Anorak verkaufen!‘ Die Welt des Bergsports war so konservativ festgefahren. Aber wir haben uns durchgesetzt.“
Peter Schöffel: „Das war unbestelltes Neuland"
Hubert Schöffel über seine Rolle als Innovator:
„Das hat mir großen Spaß gemacht: immer wieder mit Neuerungen zu kommen. Für diese Neuerung die Fahne hochzuhalten, zu propagieren und sie auch erfolgreich umzusetzen. Wer die Sportgeschäfte aus dieser Zeit noch kennt, der wird sich erinnern: Der Schöffel war der Wander-Papst. Wir haben dann Keilhosen gemacht, die erste Jet-Hose, kurzum: Wir haben immer neue Ideen gebracht, die den Markt aufgemischt haben.”
Peter Schöffel über die damalige Rolle seines Vaters:
„Ich habe großen Respekt vor den Entscheidungen, die mein Vater da vor 50 Jahren getroffen hat. Das war unbestelltes Neuland.“
Gore-Tex stieß zunächst auf „blanke Ablehnung“
Der Durchbruch kam mit Gore-Tex. Hubert Schöffel über die schwierigen Anfänge der Partnerschaft:
„Gore-Tex kam etwa 1980 als wirkliche Neuheit an den deutschen Sportmarkt. Die ersten Jacken waren so schwer, die konnten sie auf dem Boden abstellen. Und sie hatten ein Problem mit der Schweißausdünstung: Im Schweiß ist Fett, das Fett hat sich an den Kapillaren abgesetzt. Und wenn es getrocknet war, war die Wasserdichtigkeit dahin. Es war ein geflügeltes Wort im Jahr 1981: Gore ist Schweiß pur. Wenn Sie das Wort Gore in den Mund genommen haben: Das stieß auf blanke Ablehnung.
Der Mangel mit dem Schweiß war dann schnell abgestellt durch eine Imprägnierung. Ich war der Überzeugung, dass die Idee gut und die neuen Produkte bestens für den Markt geeignet waren - und dass mit Gore-Tex die Firma Schöffel den Sprung zur Marke, zur Alleinstellung erreichen kann.“
Gore war für die Werbung zuständig, Schöffel für das Produkt
Hubert Schöffel über den Druchbruch mit Gore:
„Wir hatten eine Vereinbarung: Gore übernimmt alles, was mit Marketing und Werbung zusammenhängt ohne Rücksicht auf Kosten. Und Schöffel übernimmt alles, was mit dem Produkt und dem Vertrieb zu tun hat. Wir mussten die Waren-Verfügbarkeit sicher stellen, und Gore die Werbung. Wir haben den Sport Schuster bekniet - doch der hat gesagt: Das wird niemals was. Endlich haben wir ihn soweit gehabt, dass er 67 Jacken geordert hat in sechs Größen. Was das für ein Aufwand war!
Gore hat an einem Donnerstag eine ganzseitige Anzeige für 67 Jacken in der Süddeutschen Zeitung gebracht, Sport Schuster musste sich nur verpflichten, eine dieser Jacken in einem Schaukasten in der Rosenstraße auszustellen. Das war das Modell Tibet. Die Anzeige kam am Morgen - und um 11 Uhr waren noch zwei Jacken da. Schuster hat dann im Verlauf der nächsten zwei Jahre über 4000 Stück von unserer Jacke verkauft. Das war die Geburtsstunde von Gore-Tex. Das war wie ein Dammbruch.“
ISPO 1983: „Der Schöffel ist verrückt geworden!“
Doch die Skepis in der Brance blieb, auf der ISPO MUNICH bekam Hubert Schöffel das zu spüren:
„Es war die ISPO im Frühjahr 1983. Wir hatten die Kollektion zu 100 Prozent auf Gore-Tex ausgerichtet. Und jeder, der auf der Messe war, hat gesagt: Der Schöffel ist verrückt geworden. Wir hatten den „Stormbreaker" mit, eine Schlupfjacke.
Wir haben zuerst 167 Jacken verkauft, alle nach München, schon Stunden nach der Auslieferung gingen die Nachbestellungen ein. Wir haben vom Stormbreaker über 100.000 Stück verkauft - es wurde ein Gattungsbegriff für junge, technische Bekleidung.“
Längst vergangene Zeiten, über die Hubert Schöffel heute selbst noch schmunzelt, die aber nichts mit der Gegenwart zu tun haben:
„Damals war ich Verkaufschef, Entwicklungschef, Finanzchef, Einkäufer, Personalchef und ich hatte die gesamte Warenwirtschaft in meiner Brieftasche. So einfach war das Geschäft in den 70er Jahren. Und hier muss man einfach erkennen, wie sich die Zeiten dramatisch geändert haben.
Hubert Schöffel: Mit den alten Methoden würde Peter keine Saison überstehen
Mit der Methode, mit der ich damals erfolgreich war, würde Peter heute nicht mal eine Saison überstehen. Mir wird manchmal schwindlig, wenn ich diesen Unterschied sehe, wie „leicht" damals das Geschäft war. Sie haben es nur richtig machen müssen. Das hat mit dem von heute nichts, rein gar nichts mehr zu tun.“
Der heutige Inhaber Peter Schöffel kommentiert die alten Zeiten so:
„Die Wirtschaft im Nachkriegsdeutschland wurde geprägt von Pionieren, von einsamen Wölfen, die die Fahne hochgehalten haben und die anderen sind gefolgt. Die Zeiten sind vorbei.“
Die achte Generation Schöffel steht in den Startlöchern
Und wie geht es weiter im Familien-Unternehmen? Wird es klappen mit Stab-Übergabe an die nächste Generation? Peter Schöffel ist zuversichtlich:
„Das habe ich vermutlich genetisch von meinem Vater in die Wiege gelegt bekommen: dass Unternehmertum einfach Spaß macht. Dieser Entrepreneur-Gedanke hat was. Ja, und die Niederlagen gehören dazu im Leben. Das Leben ist so, privat wie geschäftlich. Und wenn Sie das ausstrahlen, dann ist die Chance da, dass die Kinder sagen: spannend, dafür interessiere ich mich auch. Da geht es nicht um Geld, Macht oder Ruhm.
Ich bin froh, dass aus heutiger Sicht die Chance sehr sehr hoch ist, dass es auch eine achte Generation Schöffel gibt, dann laufen wir hoffentlich auch auf die 250 Jahre zu. Und da gibt's nicht viele Unternehmen in Bayern, die so alt sind und immer noch in Familienhand sind.“
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